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24.01.2012

Die Leprakranken von St. Jost und Estrich

Die St. Jost-Kapelle bei Biewer mit dem ehemaligen Wohn- und Wirtschaftsgebäude des Leprosoriums.
Die St. Jost-Kapelle bei Biewer mit dem ehemaligen Wohn- und Wirtschaftsgebäude des Leprosoriums.
Sie lebten außerhalb der Stadtmauern, waren aus der Gesellschaft ausgeschlossen und zur Ernährung auf Almosen angewiesen: Nicht weit von Trier entfernt gab es seit dem hohen Mittelalter zwei Einrichtungen für an Lepra erkrankte Menschen, sogenannte Leprosorien. In seinem im Trierer Porta-Alba-Verlag erschienenen Buch „Lepra und Leprosorien im rheinischen Raum vom 12. bis zum 18. Jahrhundert“ dokumentiert Dr. Martin Uhrmacher insgesamt 190 Leprosorien und geht dabei ausführlich auf die beiden Trierer Einrichtungen Estrich und St. Jost ein.

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war die Lepra in Mitteleuropa eine weit verbreitete Infektionskrankheit mit hoher Ansteckungsgefahr. In vielen Städten gab es spezielle Einrichtungen, in denen die im damaligen Sprachgebrauch als „Aussätzige“ bezeichneten leprakranken Bürger von den Gesunden abgesondert wurden, um eine ungehinderte Ausbreitung der Krankheit einzudämmen. Hier erhielten sie Nahrung, wenn notwendig auch Pflege und zudem geistliche Betreuung.

Die Leprosorien Estrich und St. Jost wurden 1283 im Testament eines Trierer Domherrn erstmals erwähnt. Estrich unterstand der Abtei St. Eucharius/St. Matthias. Verwalter vor Ort war der Schellenmann. Dieser hatte für die Verköstigung und die Pflege der Leprosen zu sorgen.

Voraussetzung für die Aufnahme ins Leprosorium war eine Zahlung. Nur wenige Personen, die der Oberschicht zugeordnet werden müssen, waren in diesem Leprosorium untergebracht: 1454 sind drei adelige und fünf bürgerliche Personen bezeugt. Heute sind in Estrich die baulichen Zeugnisse jener Zeit verschwunden. Nur der Name des Gasthofs „Estricher Hof“ erinnert an das frühere Leprosorium am südlichen Rand des heutigen Stadtgebiets.

In St. Jost  bei Biewer blieben das Siechenhaus, die Kapelle und der ehemalige Friedhof dagegen erhalten. Eine dem Heiligen Jodocus geweihte Kapelle bestand wahrscheinlich schon im 13. Jahrhundert. In ihrer heutigen Form wurde sie 1706 erbaut. Die Oberaufsicht des Leprosoriums von St. Jost lag bei dem Abt des Benediktinerklosters St. Maria ad martyres. Überregionale Bedeutung erlangte das Leprosorium als Lepraschauort: Lepraverdächtige wurden in St. Jost einer medizinischen Untersuchung unterzogen.
 
Haupteinnahmequelle des Leprosoriums war das Sammeln von Almosen. Diese Aufgabe hatte der Schellenmann zu verrichten. Nach einem festgelegten Termin- und Straßenplan sammelte er in Trier und den benachbarten Dörfern die Zuwendungen für die Leprosen. Die Aussätzigen selbst gingen nur während der Weinlese zu den Winzern in der unmittelbaren Umgebung und baten um Lesegut oder Wein.
  • Martin Uhrmacher: „Lepra und Leprosorien im rheinischen Raum vom 12. bis zum 18. Jahrhundert“, Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte, Band 8, Porta-Alba-Verlag 2011, 378 S., 39 Abb., 58 Euro, ISBN 378-3-933701-42-8.