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30.01.2024

Demokratie nicht selbstverständlich

Ansprache am Rednerpult im voll besetzten Sitzungssaal des Stadtrats
Christian Kling vom Landesverband der Sinti und Roma schilderte Mitgliedern des Stadtrats und Gästen, was die Verfolgung durch die Nationalsozialisten und die Ausgrenzung auch noch danach für die betroffenen Familien bedeutete.

Mit einer feierlichen Sitzung hat der Stadtrat am 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Während der Veranstaltung, in der Richard Leuckefeld für die Fraktionen sprach, wurden Projekte der zivilgesellschaftlichen Gedenkarbeit vorgestellt, die von der Stadt Trier gefördert werden. Höhepunkt der außerordentlichen Sitzung war ein Beitrag von Christian Kling, der sehr persönlich schilderte, was Diskriminierung bedeutet. 

„Es wurden Menschen ermordet im Nationalsozialismus in ungeheurer Brutalität“, erinnerte Oberbürgermeister Wolfram Leibe zu Beginn der Ratssitzung an sechs Millionen jüdische Menschen und 500.000 Sinti und Roma. Die vielfältige Gedenkarbeit in Trier ermögliche die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und versuche, diese in die Gegenwart zu übersetzen. „Letztendlich hoffen wir, das viele Denkprozesse ausgelöst werden.“ Kern dessen, was der Stadtrat tue, sei die demokratische Auseinandersetzung auf Grundlage des Grundgesetzes“, sagte Leibe. Haben Wir alle verstanden, was der historische Auftrag bedeutet? Ich fürchte Nein!“ begründete der OB, warum aktive Erinnerungs- und Gedenkarbeit wichtig ist. „Dieser Gedenktag entlastet uns nicht, täglich darauf hinzuweisen, dass unsere Demokratie nicht selbstverständlich ist.“

Richard Leuckefeld, der für die Fraktionen im Stadtrat sprach, erinnerte daran, dass sich die Deutschen nach 1945 oft schwer mit der Erinnerung getan und das Geschehene verdrängt hätten. Darunter hätten überlebende Opfer zusätzlich gelitten. „Man mied den Kontakt mit ihnen, vielerorts waren sie gesellschaftlich isoliert und auch die Verwaltungen machten ihnen oft das Leben schwer.“ Leuckefeld rief zur „Verteidigung unserer demokratischen Gesellschaftsordnung“ auf. „Wir, die demokratischen Fraktionen des Stadtrates, können uns streiten wie die Kesselflicker über Busspuren, Kindertagestätten, Bauunterhalt und vieles mehr. Wir sind Gegner in der Sache, aber wir müssen Bündnispartner gegen Rechtsradikalismus und bei der Verteidigung unserer demokratischen Gesellschaftsordnung sein.“

Christian Kling vom Landesverband der Sinti und Roma schilderte in einer sehr persönlichen Rede, was die Verfolgung durch die Nationalsozialisten und Ausgrenzung auch danach für die betroffenen Familien bedeutete.  „Der Holocaust ist ein Schatten, der mich mein ganzes Leben lang wie ein Schleier begleitet“, sagte der Trierer. Er habe erst im Erwachsenenalter begriffen, was seiner Familie widerfahren sei und was das mit den Menschen gemacht habe. „Ich habe von Schicksalen erfahren, die kann man sich gar nicht vorstellen“. 

Trotz allem seien die Überlebenden nach 1945 nach Trier zurückgekehrt. „Ganz einfach, weil es unsere Heimat ist.“ Kling, selbst Sinto, erzählte auch von Erfahrungen persönlicher Diskriminierung und rief dazu auf, die kulturelle Vielfalt als Privileg zu bewahren. Im Rahmen der Sitzung stellte Kulturdezernent Markus Nöhl außerdem Projekte der zivilgesellschaftlichen Gedenkarbeit vor, die von der Stadt gefördert werden. 

Gefördert wurde das Tanzprojekt „TANZ! … meet me no W/H ere“ von Hannah Ma mit 2550 Euro; das Filmprojekt „Oberrabbiner Dr. Adolf Altmann – Der letzte Rabbiner von Trier“ der Jüdischen Gemeinde Trier mit 4950 Euro sowie „Aufarbeitung und Erinnerung: Gegen die Diskriminierung von Sinti:zze und Rom:nja“ des Vereins „Für ein buntes Trier – gemeinsam gegen Rechts e.V“ mit 2500 Euro. Dieses Projekt zur Dokumentation der Verfolgung von Sinti und Roma aber auch Jenischen und weiteren Gruppen vor und während der NS-Zeit stellte Thomas Kupczik vom Verein anschließend detailliert vor.

Ernst Mettlach