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01.12.2015

Das schönste Mädchen von Trier

Jenny von Westphalen
Jenny von Westphalen. Abbildung: Marlene Ambrosi
Alles wartet auf das große Karl Marx-Jubiläum 2018, wenn der 200. Geburtstag des in Trier geborenen weltberühmten Sozialrevolutionärs ansteht. Da überrascht der Trierer Verlag Michael Weyand jetzt mit einer Jenny Marx-Biografie. Das knapp 500 Seiten umfassende Buch wurde zwischenzeitlich sogar von einer großen deutschen Tageszeitung mit einer Buchbesprechung positiv gewürdigt. Autorin Marlene Ambrosi legt mit ihrer Biografie über die Ehefrau von Karl Marx ihr Erstlingswerk vor, an dem sie zehn Jahre gearbeitet hat.

Jenny von Westphalen, 1814 in Salzwedel geboren, lernte den vier Jahre jüngeren Karl nach dem frühen Umzug ihrer Familie in die Trierer Neustraße kennen. Beide Familien waren miteinander befreundet. Die attraktive Jenny brachte sich über ihr renommiertes Elternhaus gerne in das gesellschaftliche Leben der Stadt ein. Von dem Nimbus, das „schönste Mädchen von Trier“ zu sein, schwärmte man noch lange nach ihrem Wegzug aus der Moselstadt, für die sie später, geprägt von den Erfahrungen und Erlebnissen in den Weltmetropolen von Paris und London, kein gutes Wort mehr übrig hatte. Ihren Jugendfreund und „Traummann“ Karl konnte Jenny erst nach einer missglückten anderen Liaison und einer siebenjährigen Verlobungszeit, die von schmerzlichen langen Perioden der räumlichen Trennung gekennzeichnet war, im Juni 1843 in Bad Kreuznach heiraten.

Die Eheschließung einer Adeligen mit einem Bürgerlichen entsprach nicht den gesellschaftlichen Konventionen des 19. Jahrhunderts. Bei diesem Bruch sollte es nicht bleiben. Die außerordentlich gebildete Jenny unterstützte aus Überzeugung ein Leben lang die revolutionären Ansichten und Aktivitäten von Karl Marx und half praktisch aus, wo immer ihr dies möglich war. Sie war kein, so Marlene Ambrosi, „biederes Hausmütterchen wie die anderen Ehefrauen, sondern eine gleichberechtigte Frau, die für sich die Teilnahme an den politischen Debatten in Anspruch nahm“. Allerdings war sie, so die Autorin, auch keine aktive Frauenrechtlerin, wie von späteren Feministinnen zuweilen dargestellt.

Materielle Not und Sorgen

Jennys Alltag wurde von heute geradezu unvorstellbaren Widrigkeiten überschattet. Jahrzehntelang war ihr Leben im Exil von materieller Not und vielen Sorgen geprägt. Fortwährend musste der betuchte Familienfreund Friedrich Engels die Marxens aus schier ausweglosen finanziellen Bedrängnissen retten. Schlimme Schicksalsschläge wie den Tod von vier ihrer sieben Kinder überwand Jenny nur dank der großen Liebe zu ihrem Mann, der ihr, trotz seiner Liebesschwüre, keineswegs immer die Treue hielt.

Nach Jahrzehnten der finanziellen Misere, die später auch der Verschwendung geschuldet war, schwerer Krankheiten und der Aufopferung für ihre Familie, starb Jenny entkräftet im Dezember 1881 in London. Der von Krankheiten ermattete und über den Verlust seiner Frau und Lebenspartnerin tief erschütterte Karl sah sich außerstande, Jennys Beerdigung beizuwohnen. Auf dem Highgate-Friedhof sagte Friedrich Engels bei der Beisetzung: „Jenny Marx hat die Schicksale, die Kämpfe ihres Mannes nicht bloß geteilt, sie hat daran mit dem höchsten Verständnis und mit der glühendsten Leidenschaft größten Anteil genommen.“

Akribisch zeichnet Marlene Ambrosi, die von 1993 bis 2010 in Trier lebte und zuvor Germanistik und Geschichtswissenschaften studierte, die turbulenten Lebensabschnitte Jenny von Westphalens nach. Es entsteht dabei ein anschauliches Bild der damaligen Lebensverhältnisse. Eine historisch inhaltliche Auseinandersetzung der marxistischen Gesellschaftsanalyse wird aus gutem Grund weitgehend ausgeklammert. Über weite Passagen zitiert Ambrosi ausführlich die umfangreich zur Verfügung stehenden Korrespondenzen. Da die Autorin bei der Charakterisierung von Jenny Marx eher zurückhaltend bleibt, eröffnet das dem Leser die Möglichkeit, sich selbst ein Bild von dieser bemerkenswerten Frau zu machen.

Hans-Günther Lanfer

  • Marlene Ambrosi, Jenny Marx – Ihr Leben mit Karl Marx – 480 Seiten, 35 Abbildungen, ISBN 978-3-942429-09-2, 19,95 Euro, Verlag Michael Weyand, Trier.