Sprungmarken
13.02.2024

Das "Gedächtnis der Stadt"

Alte bedruckte Papierbögen unterschiedlichen Formats
Austzüge aus der ersten Benutzungsrodnung des Stadtarchivs von 1894. Foto: Stadtarchiv

Vor 130 Jahren schlug die Geburtsstunde des „modernen“ Stadtarchivs, als der Stadtrat beschloss, es mit der Stadtbibliothek zu vereinen. Vorausgegangen waren intensive Bemühungen des Stadtbibliothekars Max Keuffer (1856–1902), das von der Stadt stiefmütterlich behandelte Archiv neu zu organisieren. Das hatte vielfältige Folgen.

Zunächst hatte der Ratsbeschluss von 1894 ganz praktisch zur Folge, dass Keuffer neben der Bibliothek auch das wertvolle historische Archiv in seine Obhut nehmen konnte. Da seine Doppelfunktion mit einem beträchtlichen Arbeitspensum verbunden war, erhielt er berechtigterweise eine Gehaltserhöhung – ebenfalls mit Zustimmung der Ratsmitglieder. Zum 130. Geburtstag präsentiert das Stadtarchiv seine erste eigene Benutzungsordnung als Objekt des Monats. 

Das Dokument, das der damalige OB Karl de Nys (1833–1907) genehmigt hatte, bietet Eindrücke von der Beschaffenheit des Trierer Archivs im späten 19. Jahrhundert, das sich zunächst im Rathaus befand und anschließend in die Jesuitenstraße überführt wurde, wo damals die Stadtbibliothek ihren Sitz hatte. Hier konnten die Altbestände unter verbesserten Bedingungen wie ein Schatz verwahrt werden, denn außer dem Stadtbibliothekar und -archivar durfte nur der Oberbürgermeister persönlich über den Schlüssel zu den geschützten Räumen verfügen. In der Benutzungsordnung ist nachzulesen, dass der Name der vereinigten Institutionen fortan „Öffentliche Bibliothek und historisches Archiv der Stadt Trier“ lautete. Damit trat das „moderne“ Archiv erstmals offiziell in Erscheinung. 

Historisch gesehen waren weder der Begriff noch die Funktionen des Archivs neu. Stadtarchivare gab es in Trier bereits in früheren Jahrhunderten. Zu ihrem Kerngeschäft gehörte es, neben den Verwaltungsakten insbesondere die Rechtstitel aufzubewahren und diese so zu ordnen, dass sie bei Bedarf schnell auffindbar waren. 

Es überrascht daher nicht, dass regelmäßig Juristen oder Notare mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe betraut wurden. Das von ihnen angelegte und gepflegte Archiv diente ausschließlich der Stadtverwaltung und war Außenstehenden nicht zugänglich. Die erste moderne Benutzungsordnung von 1894 sah demgegenüber bereits zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten vor und wies somit weit in die Zukunft. 

Im 21. Jahrhundert kommt das Trierer Stadtarchiv neben seiner Verwaltungsfunktion einem öffentlichen Auftrag nach. Als „Gedächtnis der Stadt“ versteht es sich heutzutage als wissenschaftliche und kulturelle Einrichtung, die durch ihre historisch gewachsene Vereinigung mit der alten Stadtbibliothek, heute der Wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Trier, und der Schatzkammer nicht mehr wegzudenken ist.

Jort Blazejewski