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09.09.2014

Bürgersinn begeistert Bundespräsidenten

Foto: Rede beim Bürgerempfang
Mit seiner freien, tiefgründigen und humorvollen Rede beim Bürgerempfang im Landesmuseum erntete Gauck nicht nur bei Daniela Schadt, Malu Dreyer und Klaus Jensen viel Applaus. Foto: Lorig
Als „Land der Rüben und Reben“ wird Rheinland-Pfalz manchmal etwas abschätzig bezeichnet. Bundespräsident Joachim Gauck sprach bei seiner offiziellen Visite am vergangenen Mittwoch dagegen von einem „Land der Schätze“ und bezog sich damit nicht nur auf den Trierer Goldmünzenschatz, den er im Rheinischen Landesmuseum besichtigte, sondern vor allem auf die Menschen, denen er während seines Besuchs begegnet war.

Im April 2012 war Oberbürgermeister Klaus Jensen bei einem Staatsbankett zu Ehren des luxemburgischen Großherzogs Henri zu Gast im Berliner Schloss Bellevue. Jensen nutzte damals die Gelegenheit, um den Bundespräsidenten, der erst einen Monat im Amt war, zu einem Besuch nach Trier einzuladen. Am vergangenen Mittwoch war es dann soweit:  Begleitet von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt, Jensen und Ministerpräsidentin Malu Dreyer machte Joachim Gauck im Rahmen seines zweiten offiziellen Besuchs in Rheinland-Pfalz für vier Stunden Station in Trier.

Erster Punkt im eng getakteten Zeitplan war der Besuch der Römer- Jugendherberge am Moselufer in Trier-Nord. Als Betrieb, der sich die Teilhabe von Menschen mit Handicap im Arbeitsalltag auf die Fahnen geschrieben hat, passte die Herberge sehr gut in das Besuchsprogramm, das die Themen Arbeit, Ausbildung und Inklusion in den Blickpunkt rückte: Vor seinem Aufenthalt in Trier hatte Gauck das Europäische Berufsbildungswerk in Bitburg und die auf Weinbautechnik spezialisierte Firma Clemens Technologies in Wittlich besucht.

Inklusionskonzept

Herbergsvater Georgios Tsanos erläuterte den Gästen das Inklusionskonzept seines Betriebs, der bei 230 Betten rund 55.000 Übernachtungen pro Jahr aufweist. Von den 35 Mitarbeitern sind sieben schwer behindert, drei weitere haben gerade ihre Ausbildung im Bereich Hauswirtschaft begonnen. Die inkludierten Kolleginnen und Kollegen sind fest in den Arbeitsablauf der verschiedenen Abteilungen integriert. Bisher habe jeder Auszubildende trotz Behinderung den Abschluss geschafft, betonte Tsanos auf Nachfrage Gaucks. „Wir bemühen uns um eine gezielte Förderung, je nachdem ob die Mitarbeiter lieber im Zimmerservice oder in der Küche tätig sind.“

Als Gauck, Schadt, Dreyer und Jensen wenig später einen Zwischenstopp an der Porta Nigra einlegten, standen zahlreiche Trierer und Touristen aus der ganzen Republik mit gezückten Foto-Handys Spalier.  Nach dem Fototermin für die Journalisten, zu dem sich die beiden Paare vor dem Wahrzeichen der Römerstadt postierten, nahm sich Joachim Gauck viel Zeit für kurze Gespräche und Erinnerungsfotos mit den Zaungästen und erwies sich dabei als ein Präsident zum Anfassen. „Ich bin nicht das erste Mal hier an der Porta Nigra, sondern habe schon vor meiner Wahl zum Bundespräsidenten mehrmals Vorträge in Trier gehalten“, verriet Gauck.

Antikes Trier

Das Thema „antikes Trier“ vertiefte das Staatsoberhaupt anschließend im Rheinischen Landesmuseum, dessen Direktor Dr. Marcus Reuter die Ehrengäste durch die Ausstellung „Ein Traum von Rom“ führte und ihnen den Goldmünzenschatz, eines der herausragenden Exponate der Sammlung, zeigte.

Danach war erneut Bürgernähe gefragt: Zum Empfang im Rheinischen Landesmuseum waren Bürgerinnen und Bürger aus Trier sowie aus den Landkreisen Bitburg-Prüm, Bernkastel-Wittlich und Trier-Saarburg geladen, die sich ehrenamtlich für ihre Mitmenschen engagieren. „Wenn ich Sie alle so vor mir sehe, dann wird der Goldschatz nebensächlich, denn meine Begeisterung für die Menschen in diesem Land der Schätze ist deutlich größer“, erklärte Gauck in seiner Ansprache, in der er von seinem vorbereiteten Manuskript abwich und statt dessen ein fast schon euphorisches Fazit seines Besuchs zog. „Jede einzelne Station kann man herausnehmen, einem Besucher zeigen und ihm sagen: Das ist Deutschland.“

Gestaltung Europas

Zuvor hatte Ministerpräsidentin Malu Dreyer in ihrem Grußwort die Entwicklung der Region Trier „von einem Grenzland zum Herzland Europas“ hervorgehoben. Die enge Kooperation mit den Nachbarstaaten zeige, wie aus Zusammenarbeit Stärke entstehe.  Gauck stieg auf die Vorlage der Ministerpräsidentin ein:  Von mittelständischen Unternehmen, die wie Clemens in Wittlich seit Jahrzehnten Verantwortung für ihre Mitarbeiter übernehmen, zeigte sich der Bundespräsident ebenso beeindruckt wie von der Pflege und Gestaltung des europäischen Gedankens in der Großregion und von den vielfältigen Bemühungen im Rahmen der Inklusion, „niemanden zurückzulassen“.

Tage wie dieser

Rheinland-Pfalz, so Gauck, steche hervor als ein Bundesland mit einem besonders regen Vereinsleben und einer Vielzahl von gesellschaftlich engagierten Menschen. In dieser Hinsicht stehe diese Region beispielhaft für die ganze Nation: „Dank dieses Einsatzes vieler Bürger hat sich Deutschland von einem Zentrum des Bösen zu einem Vorzeigeland in Europa gewandelt – was für eine Entwicklung“, sagte Gauck. Im von Deutschland entfesselten Weltkrieg geboren und im Kommunismus der DDR aufgewachsen, habe er seine Heimat als Jugendlicher manchmal geradezu gehasst. „Je öfter ich nun als Bundespräsident solche Tage wie heute bei Ihnen erleben darf, desto mehr lerne ich dieses Land lieben.“ 

Schlusspunkt des offiziellen Programms war der Eintrag von Joachim Gauck und Daniela Schadt ins Goldene Buch der Stadt Trier. OB Klaus Jensen nutzte die Gelegenheit, um dem Bundespräsidenten für den „erlebnisreichen, zugleich ernsten und lockeren Tag“ zu danken: „Für Trier war Ihr Besuch ein vorgezogenes Geschenk zum 2030. Geburtstag der Stadt, den wir am 23. September feiern.“

Ralph Kießling