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24.06.2014

Baumanager und Sozialarbeiter vor Ort

Foto: Elisabeth Ruschel, Günther Merzkich, Helmut Mertesdorf, Maria Marx, Werner Pfeiffer und Gerd Kirsch
Elisabeth Ruschel, Günther Merzkich, Helmut Mertesdorf, Maria Marx, Werner Pfeiffer und Gerd Kirsch (v. l.) loben rückblickend die meist unkomplizierte und überparteilich-pragmatische Zusammenarbeit mit den einzelnen Ortsbeiräten in ihren Stadtteilen.
Auf insgesamt 70 Jahre Erfahrung als kommunale Ehrenbeamte blicken sechs Ortsvorsteher zurück, die vor der Wahl ihren Rückzug erklärt haben. Maria Marx (Mariahof), Elisabeth Ruschel (Heiligkreuz), Helmut Mertesdorf (Zewen), Günther Merzkirch (Ehrang- Quint), Gerd Kirsch (Biewer) und Werner Pfeiffer (Pfalzel) nennen in einem Bilanzgespräch die Gestaltungsfreiräume als Vorzug dieses Amtes, kritisieren aber auch die wachsende Bürokratie, die oft zu Unmut bei den Bürgern führe.

Die Vermittlerrolle zwischen den Wünschen, Interessen und Bedürfnissen der Bürger und den Umsetzungsprozessen im Rathaus prägt den Alltag der Ortsvorsteher. Im Blickpunkt steht dabei immer wieder die Erneuerung von Straßen, Wegen und Gebäuden. Die Ortsvorsteher sind aber nicht nur als Bauexperten gefragt, sondern auch als Eventmanager bei Jubiläen von Schulen und Vereinen oder als Sozialarbeiter vor Ort. „Man muss immer ein offenes Ohr haben“, meint Maria Marx. Elisabeth Ruschel nennt Aufgeschlossenheit, aber auch Ruhe und Gelassenheit als wichtige Tugenden. „Man braucht gute Nerven, denn man wird immer wieder mit nicht ganz alltäglichen Fragen konfrontiert. Zudem muss man die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehmen“, ergänzt Mertesdorf. Pfeiffer rät künftigen Ortsvorstehern, schnell und flexibel auf die vielfältigen Bürgerwünsche zu reagieren, auch wenn diese längst nicht immer umgesetzt werden können.

Gartenstadt verschönern

Rekordhalterin unter den zurücktretenden Ortsvorstehern ist die seit 1994 amtierende Maria Marx (CDU). Die frühere Verwaltungsangestellte nennt als größte Erfolge, dass die Grundschule Mariahof bei einer verbesserten Ausstattung erhalten blieb und immer mehr Bürger zu einem Engagement bewegt wurden: „Regelmäßig ist bei uns eine Gruppe unter dem Motto ‚Mariahof sauwer‘ im Einsatz. Sie kümmert sich außerdem um den Blumenschmuck in unserer Gartenstadt“, berichtet Marx. Zum 50. Stadtteilgeburtstag habe man ein schönes Fest gefeiert, „das viel zur Gemeinschaft beigetragen hat“. Kritisch sieht sie die wachsende Bürokratie, die zum Beispiel dazu führe, dass ein im Herbst 2013 vom Ortsbeirat beschlossener, kleiner Zuschuss erst jetzt ausgezahlt wird: „Da fällt es manchmal schwer, noch die richtigen Worte gegenüber dem Bürger zu finden.“

Den Erhalt der Grundschule sieht auch der nach zehn Jahren ausscheidende Pfalzeler Ortsvorsteher Pfeiffer als Aktivposten seiner Bilanz. Außerdem nennt er den Supermarkt, der im Oktober eröffnet wird, sowie das Neubaugebiet „Ortsauffüllung Pfalzel“. Kritisch sieht der FWG-Politiker  die seiner Ansicht nach unzureichende Abstimmung mancher Straßenprojekte, egal ob es um Sanierungen oder Neubauten geht.

Kita und ambulante Tagespflege

Der Straßenbau spielt auch eine wichtige Rolle für den Ehranger Günther Merzkirch (CDU), der sich nach 15 Jahren zurückzieht. Nach 45 Jahren Planungsvorlauf sei endlich die Stadtteilumfahrung im Bau. „Gottseidank kriegen wir jetzt endlich auch wieder ein Einkaufszentrum.“ So werde auch ein lange beklagter Missstand mit dem Wegsterben der Läden und Kneipen vor Ort in den letzten Jahrzehnten zumindest teilweise behoben. 

Als weitere Erfolge nennt Merzkirch den Neubau der Kita St. Peter, einer Kurzzeit- und Tagespflege sowie von altersgerechten Wohnungen. Das Bürgerhaus sei eine „tolle Sache für die Vereinsarbeit“. Merzkirch hofft, dass das erfolgreiche Quartiersmanagement dauerhaft gesichert werden kann und beklagt Missstände in der Infrastruktur, zum Beispiel den schlechten Zustand der Quinter- und der Gartenstraße.

Ortskern aufgewertet

Über eine fertiggestellte Ortsumfahrung können sich die Bewohner von Biewer freuen, wo der heute 72-jährige Gerd Kirsch (CDU) fünf Jahre Ortsvorsteher war. Der frühere Chef des Schulamts erwähnt die deutlichen Verbesserungen für die Bewohner des Ortskerns und lobt den höheren Komfort für die ÖPNV-Nutzer an den erneuerten Bushaltestellten.

Mit die schönsten Pflichten als Ortsvorsteher seien die Geburtstagsgratulationen bei den über 80-Jährigen. Kirsch erntet viel Zustimmung unter den Kollegen, als er diese Besuche als persönliche Bereicherung beschreibt. Kritisch merkt er den oft relativ geringen Handlungsspielraum der Ortsbeiräte gegenüber dem Stadtrat an: „In vielen Fällen lässt dieser sich nicht die Butter vom Brot nehmen.“

Kirchplatz erneuert

Helmut Mertesdorf freut sich zum Ende der fünfjährigen Amtszeit in Zewen, dass „wir unseren desolaten alten und verwilderten Kirchplatz zu einem Dorfmittelpunkt ausgebaut haben.“ Kürzlich fand die Abnahme statt. Enttäuschung bringt der 72-Jährige vor allem im Zusammenhang mit der Brache an der Wasserbilliger Straße zum Ausdruck. „Dort tut sich seit zwölf Jahren nichts. Trotz des Stadtratsbeschlusses, dieses Gewerbe- in ein Mischgebiet umzuwandeln, geht es nicht voran.“ Der scheidende Ortsvorsteher ist wie seine Kollegen stolz auf „seinen“ Stadtteil und nennt als besonderen Vorzug von Zewen, dass dort auch Menschen ohne eigenes Fahrzeug ihre täglichen Besorgungen gut erledigen könnten. Zudem würden durch den neuen Flächennutzungsplan dringend benötigte Baulandflächen zur Verfügung gestellt.

Kreuzweg restauriert

Eine große Portion Lokalpatriotismus kommt in der Bilanz von Elisabeth Ruschel zum Ausdruck: „Es freut mich besonders, dass sehr viele Straßen in Heiligkreuz erneuert und die Restaurierung der Kreuzwegtreppe nach neun Jahren abgeschlossen werden konnte“, betonte die 67-jährige Heilpädagogin und ergänzt: „Ich habe das Amt sehr gerne ausgeübt und konnte sehr viele Menschen im Stadtteil überzeugen, sich zu engagieren.“ Ruschel äußert ebenfalls ihren Frust, dass viele Projekte vor Ort sehr lange dauern und einen erheblichen Verwaltungsaufwand erforderten: „Wenn ich ich nicht 15 Jahre im Amt gewesen wäre, hätte ich den Abschluss vieler Projekte nicht mehr miterlebt.“ Als Erfolg rechnet sie es sich und den Mitstreitern aus dem Ortsbeirat an, dass so gut wie alle Projekte aus dem 2001 beschlossenen Stadtteilrahmenplan umgesetzt sind.  Petra Lohse