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16.03.2010

Auf den Spuren von Lazarus

Kuratorin Dr. Bärbel Schulte enthüllt sorgsam ein Blumenstillleben, das Max Lazarus 1920 angefertigt hat.
Kuratorin Dr. Bärbel Schulte enthüllt sorgsam ein Blumenstillleben, das Max Lazarus 1920 angefertigt hat.
Was als flüchtige Begegnung mit dem Namen Max Lazarus begann, entwickelte sich zu einem Großprojekt: Das Ergebnis ist nicht nur eine Ausstellung im Stadtmuseum Simeonstift mit rund 60 Werken des Künstlers. Kuratorin Dr. Bärbel Schulte führte auch die Familie zusammen und förderte erstmals Entwürfe für die Ausmalung der Trierer Synagoge zu Tage.

Es war bereits Mitte der 90er Jahre, als Schulte das erste Mal auf den Namen des Künstlers stieß, der sie Jahre später intensiv beschäftigen sollte. Nur ein Gemälde gab es damals im Stadtmuseum, 16 sind es mittlerweile. Als sie eine Kurzbiografie über den 1892 in Trier geborenen Lazarus anfertigte, bemerkte Schulte, wie wenig über den Maler bekannt war, der als Jude vor den Nationalsozialisten aus seiner geliebten Heimat in die USA floh. Dort lebt noch heute seine Tochter. „Sie in Amerika mit ihrem nach der Hochzeit veränderten Namen aufzuspüren, glich einer Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. In Lazarus Todesanzeige, zugeschickt von einem Gutachter, fand ich eine Spur: Norma Kerr, den Namen seiner in Kalifornien lebenden Tochter“, so Schulte.
 
Doch durch Großprojekte wie die Konstantinausstellung und den Umbau des Simeonstifts musste die Recherche nach diesem ersten kleinen Erfolg wieder ruhen – bis Schulte 2007 die „Detektivarbeit“ mit aufwändigen genealogischen Recherchen auf Familienforschungsseiten wieder aufnahm und auf Lazarus Großnichte in der Schweiz stieß. „Über sie erfuhr ich Normas Adresse, das war ein echter Glücksmoment“, freut sich die Kuratorin.

Über die Schweiz in die USA

Nach ersten Kontakten per Post folgte ein dreiwöchiger USA-Aufenthalt Schultes, bei dem sie den umfangreichen Nachlass sichtete, sowohl bei Tochter Norma Kerr als auch bei deren Sohn in Arizona, Lazarus’ Enkel. Dort wartete „ein echter Knüller“. Lazarus’ Enkel erzählte ihr von einem Entwurf, der mit „Trier“ beschriftet sei. Dabei handelte es sich um Skizzen für die Ausmalung der Trierer Synagoge, von der es bisher kein Material mehr gab. Auch Entwürfe für weitere Synagogen und Fotografien der Innenräume, Dokumente von unschätzbarem Wert, befanden sich im Nachlass. „Es hat sich herausgestellt, dass Lazarus einer der bedeutendsten Synagogenmaler in Westdeutschland war“, freut sich Schulte über das Ergebnis ihrer Forschung, das auch das Interesse der TU Darmstadt weckte. Diese konnte eine 3-D-Rekonstruktion der Synagoge der Stadt Langen mit den Nachlassunterlagen fertig stellen. Sie wird ebenfalls in der Abteilung der Ausstellung zu sehen sein, die sich der Synagogenmalerei des Künstlers widmet. Dort werden auch die Entwürfe und Fotos erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

Ihre USA-Reise führte Schulte auch nach St. Louis und Denver, weitere Wirkungsstätten von Lazarus. Dort fand sie Kooperationspartner, die die amerikanischen Leihgaben später ebenfalls ausstellen.

Inspiriert von seiner Umgebung

Zurück in Deutschland wählte die Kuratorin aus dem umfangreichen Material die Werke für die Ausstellung aus – zunächst mithilfe von DIN-A4-Ausdrucken, die sie an mehreren Wänden zusammenstellte. „Er hat immer das gemalt, was ihn unmittelbar umgeben hat. Deshalb ist die Ausstellung chronologisch aufgebaut.“ In einem maßstabsgetreuen Modell arrangierte Schulte schließlich die ausgewählten Bilder, die zum größten Teil aus dem Familienbesitz in den USA stammen, visualisierte Beschriftung, Hängung und ergänzende Präsentationen. Das Ergebnis der rund dreijährigen Arbeit, die für eine Ausstellung dieser Größenordnung durchaus üblich ist, ist ab Sonntag, 21. März, im Stadtmuseum Simeonstift zu sehen.
Die Vernissage um 11.30 Uhr dürfte für Lazarus’ Verwandte aber nicht nur wegen dessen Würdigung als Künstler von Bedeutung sein: Bei ihren Recherchen stieß Schulte auf den in Israel lebenden Großneffen von Lazarus – und initiierte damit eine Familienzusammenführung. Denn die amerikanischen und israelischen Angehörigen wussten bisher nichts voneinander. Insgesamt 26 Verwandte reisen aus Luxemburg, der Schweiz, Frankreich, den USA und Israel zu diesem Ereignis an – und viele von ihnen sehen sich zum ersten Mal oder nach mehr als 70 Jahren wieder.     
  • „Max Lazarus. Trier – St. Louis – Denver. Ein jüdisches Künstlerschicksal“, Stadtmuseum Simeonstift, Vernissage: Sonntag, 21. März, 11.30 Uhr, Dauer: bis 27. Juni.