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15.05.2007

Ansturm auf die Sammlungen

Begeisterten mit einem satirischen Streifzug durch die Stadtgeschichte:?Simeon (Klaus-Michael Nix), Kunigunde von Sachsen (Hille Beseler), Adelheid von Besselich (Barbara Ullmann), Napoleon (Hans-Peter Leu) und Karl Marx (Michael Ophelders, v.l.)
Begeisterten mit einem satirischen Streifzug durch die Stadtgeschichte:?Simeon (Klaus-Michael Nix), Kunigunde von Sachsen (Hille Beseler), Adelheid von Besselich (Barbara Ullmann), Napoleon (Hans-Peter Leu) und Karl Marx (Michael Ophelders, v.l.)
Oberbürgermeister Klaus Jensen bezeichnete es als „ganz großen Gewinn für die Stadt und die Region“, für Kultur-Staatssekretär Dr. Joachim Hofmann-Göttig steht es „an der Spitze der kommunalen Museen in Rheinland-Pfalz“. Das neu gestaltete Stadtmuseum Simeonstift sorgte schon am Tag seiner Eröffnung für Superlative. „Ich wünsche mir, dass sich unsere Gäste, aber vor allem auch die Trierer dieses Haus erobern“, sagte Jensen beim Festakt zur Wiedereröffnung am Sonntag. Die Bürger ließen sich nicht lange bitten: Fast 9000 Neugierige nutzten die Gelegenheit, sich bei freiem Eintritt und buntem Begleitprogramm in der runderneuerten Ausstellung mit ihren circa 900 Exponaten umzusehen. „Es macht uns sehr stolz, dass wir mit unserer Neukonzeption offenbar einen Nerv getroffen haben“, kommentierte Museumsleiterin Dr. Elisabeth Dühr den Ansturm auf die Sammlungen.

Museumsstadt Trier

Umbau und Erweiterung des vor rund 950 Jahren erbauten Simeonstifts kosteten etwa zehn Millionen Euro. Davon entfallen sechs Millionen auf Zuschüsse der Landesregierung, vier Millionen werden aus dem städtischen Haushalt finanziert. Die Ausstellungsfläche für die stadtgeschichtliche Präsentation, das Stifter- und das Textilkabinett verdoppelte sich auf rund 1000 Quadratmeter. Höhepunkte der Sammlung, darunter das über 1000 Jahre alte Original des Trierer Marktkreuzes, werden im Trebeta-Saal präsentiert, der künftig auch für städtische Empfänge genutzt werden kann.

„Spätestens jetzt darf sich Trier mit vollem Recht als Museumsstadt bezeichnen“, betonte Jensen. Zumal auch das Landes- und das Dommuseum, das Karl-Marx-Haus und das Spielzeugmuseum in jüngster Vergangenheit modernisiert worden seien. In einem neuen dreigeschossigen Anbau des Simeonstifts stehen künftig 600 Quadratmeter für Wechselausstellungen zur Verfügung. Hier wird ab 2. Juni unter dem Titel „Tradition und Mythos“ ein Teil der Konstantin-Ausstellung zu sehen sein. Dabei geht es um die Wirkungsgeschichte des ersten christlichen Kaisers.

Zweieinhalb Jahre war das Stadtmuseum wegen des Umbaus geschlossen – doch was Technik, Ausstattung, Erschließung und Präsentation betrifft, hat es eine ganze Ära übersprungen. Augenfällig wird das schon am Eingang: Der frühere Zugang lag im ersten Stock und war nur über eine Freitreppe zu erreichen. Für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen führte kein Weg nach oben. Der jetzige, ungleich großzügigere und barrierefreie Eingang liegt genau dort, wo am meisten los ist: Am Schnittpunkt des Simeonstifts mit der Porta Nigra. Noch besser: Wer in die Porta will, muss am neuen Museumsshop vorbei. Dort gibt es Plakate, Tassen, Kataloge und weitere „Appetithäppchen“ aus der Ausstellung, die Lust auf mehr machen. Die Besichtigung der Porta lässt sich per Kombiticket bequem mit einem Besuch im Museum abrunden – oder umgekehrt.

as neue Simeonstift ist ein modernes Museum, vor allem hinsichtlich der Präsentation. „Wenn wir auch Kinder und Jugendliche wieder für Museen begeistern wollen, dann müssen wir das verstaubte Image, das diesen Institutionen immer noch anhaftet, abschütteln“, betonte Staatssekretär Hofmann-Göttig. Ein Museum darf sich deshalb heute nicht mehr auf eine Aneinanderreihung von Vitrinen beschränken. Der Einsatz von Video- und Computertechnik und der Dialog mit dem Besucher sind unverzichtbar. So gibt es im Simeonstift neben einem Audio-Guide, der durch die gesamte Sammlung führt, auch ein Trier-Kino mit 78 historischen Filmen. Darunter befindet sich eine Aufnahme aus dem Jahre 1902, die eine Autofahrt durch die Porta Nigra dokumentiert. Viele Blicke zog die virtuelle Trier-Galerie auf sich: In einem „echten“ goldenen Bilderrahmen werden per Videoprojektion hundert bedeutende Persönlichkeiten aus der Stadtgeschichte vorgestellt.
 
Muße braucht man für die ausführlichen Zeitzeugen-Interviews, die das Museum der Shoah Foundation von Steven Spielberg verdankt. Hier erzählen aus Trier stammende Juden von ihrer Leidenszeit unter der Nazi-Herrschaft und wie sie den Holocaust überlebt haben. Der Besucher kann sich das Interview, das er sehen möchte, selbst auswählen. Auch sonst fordert die von dem Berliner Büro Gerhards & Glücker mit Mut zu kräftigen Farben gestaltete Ausstellungsarchitektur den einst passiven Museumsgänger zu ständigen Aktivitäten auf. Da gibt es Schubladen, die beim Aufziehen neue Informationen preisgeben, und selbst die Sitzkissen sollte man sich genau ansehen. Sonst würde man nie erfahren, dass keiner der bisherigen Nachkriegs-OBs ein waschechter Trierer war. Oder welcher Trierer mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

In der Gegenwart angekommen

Die Modernität des Stadtmuseums bezieht sich aber auch auf die Exponate selbst. „Wir wollten mit unserer stadtgeschichtlichen Präsentation in der Gegenwart ankommen“, beschreibt Elisabeth Dühr das Konzept. Deshalb finden sich neben dem 200 Jahre alten Service aus der Trierer Porzellanmanufaktur Zigarettenschachteln aus der aktuellen Produktion von JTI. Neben der historischen Stadtansicht hängt ein TBB-Trikot der Saison 2006/07.

Doch nicht alles ist neu im Stadtmuseum: Das großflächige Modell der Stadt Trier des Jahres 1800 dürfte weiterhin zu den Publikumsrennern zählen ­– ebenso wie das „Zerstörungsmodell“, das den Dombering nach den Luftangriffen von 1944 zeigt.