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07.12.2021

Amokfahrt: Wie die Betroffenen Hilfe erfahren

An der Gedenkstelle liegen Blumen und stehen Kerzen
Nahe der Porta Nigra können Menschen im Gedenken an die Opfer der Amokfahrt Kerzen und Blumen abstellen. Vor gut einer Woche wurde dort eine Plakette (hinten) angebracht.

Sich gemeinsam erinnern, Leid zu teilen und in einer Schicksalsgemeinschaft Trost zu erfahren, hat sich der Opferbeauftragte der Landesregierung, Detlef Placzek, zusammen mit der Stiftung Katastrophen Nachsorge im vergangenen Jahr zum Auftrag gemacht. Auch zukünftig möchte er an der Seite der Betroffenen bleiben und Ansprechpartner für ihre Anliegen sein. „Die Betreuung von Menschen, denen immenses Leid zugestoßen ist, ist ein komplexes Mosaik, das sich aus vielen Bausteinen zusammensetzt“, erklärt Placzek. „Dies ist mir in den vielen persönlichen Gesprächen und Begegnungen mit Betroffenen der Amokfahrt im vergangenen Jahr ganz bewusst geworden. Hilfe und Unterstützung werden in den unterschiedlichsten Lebensbereichen benötigt.“

Gemeinsam mit den Mitgliedern der Stiftung Katastrophen Nachsorge und der Stadt Trier schaut Detlef Placzek auf die Erfahrungen von einem Jahr Nachsorgearbeit der Amokfahrt in Trier zurück. Seit 2018 bekleidet er das Amt des Opferbeauftragten der Landesregierung ehrenamtlich und ist direkter und unabhängiger Ansprechpartner für Menschen, die Opfer eines terroristischen Anschlags, einer Naturkatastrophe oder eines größeren Unglücks wurden. „Ich erinnere mich noch genau an die vielen verzweifelten Menschen, die ich am Abend des 1. Dezembers im Foyer des Theaters in Trier antraf. Dass so ein Unglück in ihrer Stadt passiert ist, das konnte sich niemand vorstellen. Von einer Minute auf die andere hatte sich ihr Leben schlagartig verändert“, so Placzek.

Schnelle und frühzeitige psychosoziale Intervention ist das zentrale Mittel, um das Risiko einer posttraumatischen Belastungsstörung zu minimieren oder ganz zu vermeiden. Als erste Maßnahme wurde eine Hotline eingerichtet, um Hilfesuchenden konkrete psychosoziale Unterstützung rund um die Uhr zu bieten. Darüber hinaus konnte Betroffenen bei Bedarf zeitnah ein Traumatherapieplatz vermittelt werden.

Im Anschluss an ein derartiges Ereignis erfüllt der Opferbeauftragte auch eine so genannte Lotsenfunktion, indem er die Entschädigungsansprüche koordiniert und Kontakte zu den jeweiligen Hilfseinrichtungen vermittelt. „Alle Leistungsträger der Entschädigungen mussten an einen Tisch, um ein Durcheinander zu vermeiden“, erläutert Placzek. In Zusammenarbeit mit OB Wolfram Leibe organisierte der Opferbeauftragte vier Mal einen so genannten Runden Tisch, zu dem alle eingeladen wurden, die an der Bewältigung der Amokfahrt in irgendeiner Weise beteiligt waren.

Die Betroffenen konnte der Opferbeauftragte trotz erschwerter Corona-Bedingungen insgesamt sieben Mal zu einem Nachsorge-Treffen einladen. Diese ermöglichen es, in einem geschützten Rahmen persönliche Erlebnisse anzusprechen und im Austausch mit anderen Unterstützung zu erfahren. Der Opferbeauftragte zeigte sich erfreut, dass in den Nachsorgetreffen auch über die Verwendung der Spendengelder gemeinsam mit den Betroffenen eine Einigung erzielt werden konnte. Seiner Auffassung nach ist es wichtig, dass Betroffene in Entscheidungsprozesse einbezogen werden.

Als sehr belastend empfinden es die Opfer, dass der Täter nach wie vor über seine Motive für die Tat schweigt. „Hilfreich für die Bewältigung dieses Ereignisses wäre eine Aussage des Täters, warum er auf so brutale Art und Weise Leben ausgelöscht und anderen Menschen so viel Leid zugefügt hat,“ so Placzek. Er appelliert an den mutmaßlichen Täter, zu seiner Tat zu stehen und auszusagen.