Sprungmarken
14.06.2011

Am Puls der (alten) Zeit

Am Scanner in der Stadtbibliothek digitalisiert Mitarbeiterin Sabine Scholzen den Handschriftenbestand des Klosters St. Matthias. Die Manuskripte sind ab 1. August im Netz frei verfügbar.
Am Scanner in der Stadtbibliothek digitalisiert Mitarbeiterin Sabine Scholzen den Handschriftenbestand des Klosters St. Matthias. Die Manuskripte sind ab 1. August im Netz frei verfügbar.
Bibeltexte, illuminierte Handschriften und philosophische Abhandlungen: Die Stadtbibliothek ist deutschlandweit für ihre wertvollen Manuskripte bekannt. Damit diese bedeutenden Kulturschätze erhalten bleiben, digitalisieren Mitarbeiter der Stadtbibliothek und der Universität seit Oktober 2010 die überlieferten Handschriften aus St. Matthias mit Hilfe eines Hochleistungsscanners – und schaffen so eine virtuelle Rekonstruktion der Bibliothek des Trierer Klosters.

Sabine Scholzen klappt die 44 mal 63 Zentimeter große Glasplatte nach oben und legt das Buch aufgeschlagen auf eine Buchwippe, mit der Niveauunterschiede zwischen nebeneinander liegenden Seiten ausgeglichen werden können. Dann schließt die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stadtbibliothek die Glasplatte wieder und fährt die Konstruktion elektronisch nach oben, bis ein leichter Druck auf die Scheibe ausgeübt wird. Anschließend fotografiert eine Kamera am Kopf des 120 Zentimeter hohen Apparates per Computersteuerung die Seite.

Der Aufsichtscanner der Stadtbibliothek ist ein absolutes Hightechgerät: Originalgetreue Farbwiedergabe, erschütterungsfrei, Notfallstromversorgung und keinerlei UV-Strahlung, um die wertvollen Objekte nicht zu beschädigen. Kostenpunkt: 40.000 Euro. „Man muss sich nur ansehen, was damals in Köln passiert ist und schon sind diese Scanner kein Luxus mehr. Es geht schließlich darum, Trierer Schätze zu bewahren“, betont Stadtbibliotheksleiter Professor Michael Embach.

In Kooperation mit der Uni Trier werden die Handschriften aus St. Matthias eingescannt und anschließend im Netz zur Verfügung gestellt. Der Bestand von St. Matthias umfasst 450 Werke, davon befinden sich alleine 400 in Trier. Aktuell sind 50.000 Seiten der 400 Kodizes in einer Auflösung von 300 dpi digitalisiert – noch nicht einmal die Hälfte des Gesamtbestandes. „Scannen ist ein langwieriger Prozess und der Aufwand groß. Außerdem ist das Arbeiten diffizil, denn man braucht spezielle Kenntnisse im Umgang mit den Handschriften und der Technologie“, erläutert Embach. Insgesamt beschäftigt die Stadtbibliothek eine wissenschaftliche Mitarbeiterin und vier geschulte studentische Hilfskräfte. Hinzu kommen noch einige Kollegen an der Uni.

Weg ins digitale Zeitalter

Dass der Trend immer stärker zu den digitalen Medien geht, hat die Stadtbibliothek seit geraumer Zeit erkannt und sieht darin nicht nur eine immense Herausforderung, sondern auch neue Chancen. Embach verdeutlicht: „Eine Institution wie unsere braucht entsprechendes Equipment, um seine Bestände zu schützen und auf Besucheranfragen zu reagieren. Allein für unsere Nutzer sind wir in der Pflicht, diese Transferleistung zu erbringen.“

Bei der Planung des Projekts stand für alle Beteiligten daher die dauerhafte Sicherung der wertvollen Daten besonders im Vordergrund. Um Datenverlust zu verhindern, existieren mehrere Sicherheitskopien des digitalisierten Bestandes auf Servern und externen Festplatten an der Uni und in der Bibliothek. Daneben werden alle Manuskripte dezentral auf dem Online-Portal „Manuscripta mediaevalia“ hinterlegt. Um auch langfristig mit den Scans arbeiten zu können, werden sie zudem in einem Dateiformat gespeichert, das auch mit künftigen Technologien kompatibel ist.

Die Digitalisierung der Klosterbibliothek St. Matthias wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft getragen, weshalb die Scans auch kostenfrei zur Ansicht und zum Arbeiten im Netz zur Verfügung stehen werden. Auf der Homepage des Kompetenzzentrums der Uni (http://kompetenzzentrum.uni-trier.de/projekte/kernprojekte/virtuelles-skriptorium) können ab 1. August die bis dahin digitalisierten Handschriften abgerufen werden. Zur Zeit stehen bereits die Trierer Apokalypse und die älteste Handschrift der Stadtbibliothek aus dem Jahre 719 online. Die Laufzeit des Projektes beträgt 18 Monate, im Anschluss hofft Embach auf eine Verlängerung: „Das Wunschziel wäre natürlich, den gesamten Bestand an Handschriften nach und nach digitalisieren zu können. Klöster gab es ja genug in Trier“.