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16.12.2014

Am Ende doch nicht alleine

Urnengrabkammer in St. Michael
Die Kammer in St. Michael ist schlicht gestaltet. Große Bodenplatten führen zwischen den hell angeleuchteten Urnengräbern lang. Am Eingang fällt das eingravierte „Vaterunser“ in Latein und Deutsch auf. Foto: Annders
Pfarrer Theo Welsch zeigt im kühlen Untergeschoss der Kirche St. Michael in Mariahof auf das Urnengrab eines kürzlich verstorbenen 74-Jährigen. Der Mann starb in einem Trierer Krankenhaus, doch das konnte keine Angehörigen ausfindig machen – so wurde daraus ein „Fall“ für das städtische Ordnungsamt und für Pfarrer Welsch. Hinter schlichten 70 mal 70 Zentimeter großen Steinplatten,  verziert mit einem christlichen Symbol, Namen sowie Geburts- und Sterbedaten, ruhen in der Kirchengruft jeweils vier Urnen.

Auch Verstorbene, die einsam, alleine, ohne Angehörige gestorben sind, werden in St. Michael beigesetzt. 40 bis 60 Todesfälle Alleinstehender werden dem Ordnungsamt pro Jahr gemeldet, das sich dann auf die Suche nach Verwandten macht. Eine mühsame Arbeit, denn Ergebnisse sind nur über intensive Recherchen zu erzielen. Da die Verstorbenen laut rheinland- pfälzischem Bestattungsgesetz innerhalb von sieben Tagen beigesetzt sein müssen, drängt die Zeit. Falls kein Verwandter, der rechtlich für die Beisetzung verantwortlich ist, aufzufinden ist, muss das Ordnungsamt im Rahmen der „Gefahrenabwehr“, besonders zum Schutz vor Seuchen, selbst tätig werden und die Beerdigung des Verstorbenen in die Wege leiten. Bei rund der Hälfte der Fälle kommt es zu einer solchen „Bestattung von Amts wegen“.

Wünsche werden beachtet

„Dabei sind wir ganz pragmatisch“, erklärt Roman Schmitz, Sachgebietsleiter des Kommunalen Vollzugsdienstes im Ordnungsamt. Auch wenn die Behörde angehalten sei, preiswert zu arbeiten, werde Raum für persönliche Wünsche des Verstorbenen gelassen. Hilfreich seien verbindliche „Vorsorgeverträge“, die beim Bestatter abgeschlossen werden können und durch eine zentrale Speicherung für andere Beerdigungsinstitute einsehbar sind: „Dann ist das alles bis ins letzte Detail so, wie der Verstorbene es sich gewünscht hat.“

Ist kein Wille bekannt, findet eine Feuerbestattung im Krematorium Hermeskeil statt. Anschließend wird die Urne mit der Asche unter der Kirche St. Michael beigesetzt. Dort gibt es seit fünf Jahren eine Urnengruft, in der auch jene die letzte Ruhe finden, die „von Amts wegen“ bestattet werden. Anders als in vielen anderen Kommunen findet die Beisetzung nicht anonym statt. Diese Bestattungsform kostet insgesamt knapp 1300 Euro und ist deutlich günstiger als eine Erdbestattung.

Religiöse Vielfalt

Laut Pfarrer Theo Welsch bietet die Urnenbestattung bei amtlichen Beerdigungen den Vorteil, dass die Gräber nicht verwahrlosen können: „Alle Urnengräber sind gleich gestaltet.“ Außerdem bemühe sich die Gemeinde, niemanden einsam zu beerdigen. Fast immer seien Menschen aus der Seelsorge anwesend und bei jedem Gottesdienst werde im Rahmen der Eucharistie an die Toten in der Urnengruft erinnert. Menschen ohne Religionszugehörigkeit oder anderer christlicher Konfessionen werden ebenfalls in St. Michael bestattet.

Die Riten anderer Glaubensrichtungen werden auch bei „Bestattungen von Amts wegen“ ernst genommen. Verstorbene jüdischen Glaubens genießen „ewiges Ruherecht“, ihr Grab darf entsprechend jüdischer Tradition niemals aufgelöst werden. Ferner kommt eine Feuerbestattung in ihrem Fall nicht in Frage. Das gilt ebenso für Moslems, die darüber hinaus in Gebetsrichtung nach Mekka beigesetzt werden. Solche Bestattungsformen sind auf dem Trierer Hauptfriedhof möglich.

Pfarrer Welsch sieht in der zunehmenden Individualisierung und den wachsenden Entfernungen zu den Verwandten wichtige Gründe für die steigende Zahl an Amtsbestattungen. Aber auch die oft schwierigen Familienverhältnisse spielten eine Rolle, ist sich Roman Schmitz sicher: „Man hat subjektiv den Eindruck, dass familiäre Bande seit längerem an Bedeutung verlieren.“

Das Ordnungsamt müsse dann als „Soziale Polizei“ einspringen und eine würdige Beisetzung ermöglichen. Die Kosten der Beerdigung werden aus dem Nachlass beglichen. Falls der Verstorbene mittellos gewesen sei, übernehme die Stadt die Kosten. Das im Jahreshaushalt angesetzte Budget beträgt 55.000 Euro und war bereits im November ausgeschöpft.

An Allerheiligen und Allerseelen wird die Gruft unter St. Michael für Angehörige geöffnet. In diesem Jahr haben rund 560 Trauernde zwischen den deckenhohen Urnengräbern der Toten gedacht. Ob jemand für die Bestatteten „von Amts wegen“ kam, ist nicht bekannt.

Matthias Anders