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22.12.2009

Als wäre die Zeit stehen geblieben

Der Bildband präsentiert unter anderem Häuser der Dietrichstraße und die „Steipe“ am Hauptmarkt im Jahr 1928.
Der Bildband präsentiert unter anderem Häuser der Dietrichstraße und die „Steipe“ am Hauptmarkt im Jahr 1928.
Zu den bemerkenswertesten Neuerscheinungen über die Moselmetropole zählt Richard Schneiders Bildband „Trier – Das Bild der Stadt in historischen Photographien“, mit dessen Herausgabe sich der Porta Alba-Verlag besondere Verdienste zur Wahrung des photographischen Erbes der Stadt erworben hat. Das Buch gliedert sich in drei Teile und umfasst neben annähernd 100 historischen Schwarz-Weiß- Fotos in einem separaten Kommentarteil ausführliche Beschreibungen über stadtgeschichtliche und denkmalpflegerische Aspekte der jeweils abgelichteten Objekte. Den Photographien vorausgestellt ist ein fundierter historischer Abriss über Deutschlands älteste Stadt, der in einer Darstellung über das Zustandekommen der Ablichtungen mündet.

Preußische Messbildanstalt

Die Photographien stammen aus dem Fundus der 1885 in Berlin gegründeten Königlich Preußischen Messbildanstalt und der 1921 aus ihr hervorgegangenen Staatlichen Bildstelle Berlin. Dass bereits 1886, ein Jahr nach Gründung der Messbildanstalt, mit der photographischen Dokumentation wichtiger Trierer Bauwerke begonnen wurde, dürfte auf die persönliche Trier-Beziehung des ersten Leiters der Messbildstelle zurückzuführen sein: Albrecht Meydenbauer, 1834 im saarländischen Tholey geboren, besuchte ab 1840 die evangelische Elementarschule in Trier und bestand am hiesigen Realgymnasium 1853 die Reifeprüfung. Im fernen Berlin dürfte sich Meydenbauer später an die einzigartigen Kulturdenkmäler im preußisch gewordenen Trier erinnert haben, die sich für das von ihm entwickelte Messbildverfahren geradezu anboten. Er sah die Aufgabe der Anstalt nämlich darin, den gesamten Bestand an deutschen Bau- und Kunstdenkmälern zu dokumentieren.

Lange waren diese auch für die Denkmalpflege wichtigen Bilddokumente, die bei einer weiteren Kampagne 1928 mit rund 320 Aufnahmen entstanden, verschollen. Das Archiv wurde 1945 von den Sowjets beschlag-nahmt, nach Moskau ausgelagert und erst 1958 an Ost-Berlin zurückgegeben. Die allgemeine Zugriffsmöglichkeit, der auch dieser Bildband des durch zahlreiche architektur- und kunsthistorische Bücher ausgewiesenen Autors Richard Schneider zu verdanken ist, kann als ein Geschenk der deutschen Wiedervereinigung gewertet werden.

Verzicht auf Stimmungen

Die detailgenauen Aufnahmen verblüffen durch eine Tiefenschärfe, die die abgelichteten Straßen- und Häu-serzeilen, Gebäude oder Innenräume zu Dokumenten werden lässt, die „Zeit und Raum“ enthoben zu sein scheinen. Schneider spricht von sachlichen, auf Stimmungen verzichtende Architekturaufnahmen, die „subjektive Aspekte“ wie die Ablichtung von Menschen oder Fahrzeugen in der Regel bewusst vermeiden. Die gewollte Ausklammerung sozialgeschichtlich relevanter Aspekte steigert zwar die ästhetische Wirkung der Bilder, macht sie in gewisser Weise allerdings auch emotionslos. Die Bedeutung für denkmalpflegerische Gesichtspunkte wird dadurch in keiner Weise geschmälert.

Die fesselnde Ausdruckskraft der teilweise über 100 Jahre alten Messbilder ermöglicht dem heutigen Betrachter eine architektonische Begegnung mit dem früheren Trier, bei der trotz aller beklagenswerten Verluste auch festgestellt werden kann, dass die Stadt an vielen Stellen über die Zeit hinweg ihren baulichen Charakter nicht verloren hat.  

Richard Schneider (Hrsg.), „Trier – Das Bild der Stadt in historischen Photographien“, Porta Alba-Verlag Trier GmbH 2010, 151 Seiten, 29,80 Euro, ISBN 978-3-933701-37-4.