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12.03.2024

Auf die Bäume kommt es an

Stadtrat beschließt Schutzsatzung / Fällgenehmigung und Ersatzpflanzung festgeschrieben

Teil einer winterlich blattlosen Baumkrone, am Baum ist eine Plakette 'Naturdenkmal' befestigt
Alte Bäume sind faszinierende Lebewesen und als grüne Lunge unschätzbar wertvoll für das Stadtklima.

Nach kontroverser Debatte hat der Stadtrat eine Baumschutzsatzung für Trier beschlossen. Bäume ab einem Stammumfang von 80 Zentimetern dürfen demnach auch in privaten Gärten nur noch mit einer Ausnahmegenehmigung gefällt werden. Eine Ersatzpflanzung ist obligatorisch.

Bäume, möglichst hoch mit einer möglichst breiten Krone, bringen einen hohen Wohlfühlfaktor mit sich. Als Schatten- und Sauerstoffspender sind sie unverzichtbar für ein günstiges Stadtklima und müssen erhalten bleiben. Soweit waren sich in der Debatte um die Baumschutzsatzung alle Rednerinnen und Redner einig.

Ob die jetzt beschlossene Baumschutzsatzung das richtige Mittel ist, um dieses Ziel zu erreichen – darüber gingen die Meinungen weit auseinander. Baudezernent Dr. Thilo Becker hatte die in der Lenkungsgruppe Klima-Umwelt-Energie erarbeitete Satzung zusammen mit Ordnungsdezernent Ralf Britten in den Stadtrat eingebracht. Im Vorfeld hatte er betont: „Wir stehen durch den Klimawandel mit trockenen Sommern unter starkem Handlungsdruck. Es kommt in dieser Situation auf jeden Baum an. Wir beschreiten auch keinen Trierer Sonderweg, denn Baumschutzsatzungen sind inzwischen in vielen Städten ein Standardinstrument. Im Zentrum der Satzung steht aus meiner Sicht die Prävention und Beratung und nicht die Sanktionierung.“

Gegnerinnen und Gegner der Satzung bemängelten unter anderem die zusätzliche Bürokratie, den Eingriff in das Privateigentum und fehlendes Vertrauen in das Verantwortungsgefühl der Bürger. Darüber hinaus wurde kritisiert, dass die Ortsbeiräte nicht angehört worden waren. Letztlich wurde die Satzung mit 28 Ja-Stimmen der Grünen (11), SPD (11), Linken (4), FDP (1) und des Stadtvorstands bei 21 Nein-Stimmen der CDU (11), AfD (3), UBT (3), SPD (1), FDP (1) und der beiden parteilosen Ratsmitglieder beschlossen. Sie soll am 1. Oktober in Kraft treten.

Von der Baumschutzsatzung betroffen sind alle Bäume ab einem Stamm- umfang von 80 Zentimetern. Diese dürfen grundsätzlich nicht mehr gefällt oder beschädigt werden. Ausnahmen können gewährt werden, zum Beispiel wenn der Baum nicht mehr standsicher ist, wenn von ihm eine Gefahr ausgeht oder wenn die Fällung aus „übergeordnetem öffentlichen Interesse“ dringend erforderlich ist. Für das Antrags- und Genehmigungsverfahren, das bei der Unteren Naturschutzbehörde angesiedelt ist, soll nach den Worten von Dr. Becker eine möglichst „schlanke digitale Lösung“ etabliert werden. Im Regelfall soll die Übermittlung eines Digitalfotos zur Beurteilung ausreichen.

Eine wichtige Neuerung ist, dass es für gefällte Bäume stets eine Ersatzpflanzung geben muss, vorzugsweise auf demselben Grundstück. Wenn dies nicht möglich ist, muss eine Ausgleichszahlung an die Stadt geleistet werden, die sich dann um die Neupflanzung kümmert. Wer Bäume ohne Genehmigung fällt oder die Ersatzpflanzung versäumt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit hohen Geldbußen geahndet werden kann.

Für die Umsetzung der Baumschutzsatzung sollen bei der Stadt keine neuen Stellen geschaffen werden. Vielmehr sollen bestehende Stellen neu zugeschnitten werden.

Auszüge aus der Stadtratsdebatte

Dr. Anja Reinermann-Matatko (Bündnis 90/Die Grünen): „Ich habe schon vor 20 Jahren im Stadtrat für eine Baumschutzsatzung geworben. Manchmal zahlt sich ein langer Atem doch aus. Durch die Einführung der Ersatzpflanzung oder Ausgleichszahlung stellen wir sicher, dass sich der Baumbestand nicht verringert. Natürlich werden wir nach einer gewissen Zeit evaluieren, ob dieses Ziel auch erreicht wird. Wir hoffen auf eine digitale Lösung für die praktische Umsetzung der Satzung.“

Udo Köhler (CDU): „Meine Fraktion ist ohne Wenn und Aber für den Erhalt der Bäume und mehr Grün in der Stadt. Doch diese Satzung ist allenfalls eine Arbeitsgrundlage, sie muss nachgebessert werden. Die Kontrolle führt zu einem maßlosen bürokratischen Aufwand und zusätzlichen Personaleinsatz. Wir vertrauen auf das Umweltbewusstsein der Gartenbesitzer und wollen sie nicht durch weitere Vorschriften gängeln. Das Geld sollte sinnvoller für Aufklärung und Anpflanzungen verwendet werden.“

Sabine Mock (SPD): „Der Beschluss der Baumschutzsatzung ist überfällig, andere Städte waren viel früher dran. Wir haben über das Thema seit 2019 ausführlich in der Lenkungsgruppe Klima-Umwelt-Energie beraten. Es geht vor allem um den Erhalt von alten Bäumen, die für das Stadtklima wichtiger sind als Neupflanzungen. Eine weitere Dezimierung dieser Ökosysteme würde die Lebensqualität einschränken. Durch die Ausnahmeregelungen ist der Eingriff in die Freizügigkeit gering.“

Michael Frisch (AfD): „Der hohe Wert von Bäumen für die Luft- und Aufenthaltsqualität ist unbestritten. Dieses Bewusstsein ist weit verbreitet. Fast niemand wird einfach so einen Baum fällen. Von der Baumschutzsatzung ist daher keine nennenswerte Wirkung zu erwarten. Dennoch werden für ihren Vollzug zunächst 1,5 Vollzeitstellen benötigt. Zur Überwachung dürfen städtische Mitarbeiter private Grundstücke betreten – ein massiver Eingriff in das Privateigentum.“

Jörg Johann (Die Linke): „Wir stimmen der Baumschutzsatzung nur mit großen Bauchschmerzen zu. Sollen in einem Stadtteil wie Kernscheid wirklich diesselben Maßstäbe angelegt werden wie in der Innenstadt? Die Ausnahmekriterien, die für eine Fällung herangezogen werden können, sind sehr interpretationsfähig. Im Zweifelsfall wird sich eine Entscheidung gegen eine Fällung nur schwer durchsetzen lassen. Eine Änderung der Satzung nach der Evaluierung ist wahrscheinlich.“

Joachim Gilles (FDP): „Die Situation in den Außenbezirken wird in der Satzung zu wenig berücksichtigt und es ist zu hinterfragen, welchen Nutzen sie dort bringt. Zumal die bürokratischen Hürden für Gartenbesitzer beachtlich sind. Ich glaube, Anreize und ein Appell an die Vernunft hätten einen besseren Effekt als Verbote. Zudem hätten die Ortsbeiräte beteiligt werden müssen, laut Gemeindeordnung gibt es eine Anhörungspflicht.“

Christiane Probst (UBT): „Diese Satzung ist der nächste Bürokratiewahnsinn nach der Zweckentfremdungssatzung. Das Ziel, dass möglichst wenig Bäume gefällt werden und es zumindest Ersatzpflanzungen gibt, ist unstrittig. Dabei sollten wir den mündigen Bürgern mehr Vertrauen schenken, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Es geht darum, den Gesamtbestand der Bäume im Auge zu behalten und nicht jeden einzelnen Baum argwöhnisch zu überwachen.“

Von Ralph Kießling