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06.05.2014

Erpresste Geständnisse, entvölkerte Dörfer

ieser Kupferstich (Ausschnitt) von 1594 trägt den Titel „Trierer Hexentanzplatz“. Gezeigt werden Praktiken der sogenannten schwarzen Magie und teuflische Rituale mit Kröten, Katzen und toten Pferden, derer man die als Hexen verfolgten Trierer Bürger bezichtigte.  Foto: Stadtarchiv, Anja Runkel.
ieser Kupferstich (Ausschnitt) von 1594 trägt den Titel „Trierer Hexentanzplatz“. Gezeigt werden Praktiken der sogenannten schwarzen Magie und teuflische Rituale mit Kröten, Katzen und toten Pferden, derer man die als Hexen verfolgten Trierer Bürger bezichtigte. Foto: Stadtarchiv, Anja Runkel.
Die Hexenverfolgung in und um Trier Ende des 16. Jahrhunderts gehörte zu den schlimmsten Vorfällen dieser Art in ganz Deutschland. Materielle Not, religiöser Fanatismus und Habgier führten zu Exzessen, denen innerhalb von zehn Jahren mehrere hundert Menschen zum Opfer fielen. In ihrem Vortrag bei der Gedenkfeier in der Stadtbibliothek beleuchtete die Historikerin Dr. Rita Voltmer Ablauf, Motivation und Hintergründe des Geschehens.

Trier in den 1580er Jahren: Nachdem das Reichskammergericht der Stadt die Anerkennung als freie Reichsstadt endgültig verweigert hat, wird sie von einem kurfürstlichen Statthalter regiert. Viel Zeit und Geld hatte die Bürgerschaft in den Prozess investiert – nun ist das Stadtsäckel leer, das Prestige gesunken und mit ihm die Einwohnerzahl. Knapp 5000 Menschen wohnen noch innerhalb der verfallenden Stadtmauer, viele Häuser sind verlassen. Hinzu kommen jetzt Missernten in Serie, hervorgerufen durch mehrere verregnete Sommer mit Hagelstürmen und spätem Frost, die für Not und Elend unter der Landbevölkerung sorgen.

Handlanger des Teufels

Die von Predigern verbreitete Botschaft, hier seien der Teufel und seine Handlanger in Menschengestalt – Hexen und Hexenmeister – am Werk, fallen unter diesen Umständen auf fruchtbaren Boden. Die Bevölkerung ist empfänglich für einfache Erklärungen ihrer Notlage, Sündenböcke werden gesucht und mit fadenscheinigen Beschuldigungen auch gefunden.

Verschiedene Gerichtsbarkeiten sind für die ab 1585/86 einsetzende Hexenprozesswelle im Raum Trier zuständig: Neben dem kurfürstlichen Hochgericht in der Stadt sind auch Gebiete unter der Hoheit der Reichsabtei St. Maximin und des Herzogtums Luxemburg betroffen. Von einem auch nur halbwegs fairen Verfahren kann jedoch nirgends die Rede sein. Wer eines Pakts oder gar einer Buhlschaft mit dem Teufel verdächtigt oder als „Schadenszauberer“ beschuldigt wird, hat kaum eine Chance, dem Scheiterhaufen zu entgehen. Für eine Verurteilung ist zwar ein Geständnis erforderlich, doch werden diese regelmäßig unter grausamer Folter erpresst. Fatal wirkt sich aus, dass die Angeklagten zudem gezwungen werden, Mitverschwörer zu nennen, mit denen sie sich zusammen auf dem „Hexentanzplatz“ – als solcher gilt zum Beispiel das „Franzensknüppchen“ am Petrisberg – getroffen haben. So zieht eine falsche Beschuldigung automatisch weitere nach sich.

Einträgliches Geschäft

Die Lage spitzt sich 1589 weiter zu, als der Trierer Weihbischof und Universitätsrektor Peter Binsfeld ein scharfes Traktat gegen die Hexerei verfasst, das weite Verbreitung findet. Skrupellose Juristen haben zudem in den Hexenprozessen ein einträgliches Geschäft erkannt. Unter diesen Rahmenbedingungen erfasst ein regelrechter Hexenwahn mit wahllosen Denunziationen die Stadt, in der zeitweise – so Rita Voltmer – eine gefährliche Pogromstimmung herrscht. Neid und Hass der verarmten Bauern richten sich vor allem gegen die verbliebenen reichen Trierer Bürger. Wer bei der Verfolgung der vermeintlichen Hexen nachlässig ist, gerät selbst unter Verdacht. So ergeht es auch Dietrich Flade, als Gerichtsvorsitzender und Schultheiß einer der reichsten und angesehensten Bürger der Stadt, der am 18. September 1589 verbrannt wird. Selbst Kleriker werden nicht verschont: Mindestens sechs Priester und Stiftsherren werden in Trier als Hexenmeister hingerichtet oder lebenslang eingekerkert.

Schlimmer noch als in der Stadt mit insgesamt 30 bis 40 Opfern gestaltet sich die Hexenverfolgung in den umliegenden Dörfern. Aus dem kurtrierischen Amtsort Pfalzel werden 1587 nicht weniger als 118 Verbrennungen gemeldet, denen fast ausschließlich Frauen zum Opfer fallen. Für das Gebiet der Abtei St. Maximin, zu dem unter anderem der heutige Stadtteil Ruwer gehörte, muss von bis zu 400 Hinrichtungen ausgegangen werden. Als die Prozesswelle 1595 abebbt, sind ganze Dörfer entvölkert.

Kritik und Mitleid

Einer der wenigen Augenzeugen der Trierer Verfolgungen, die zur Mäßigung aufrufen, ist der holländische Theologe Cornelius Loos, der 1592 in seinem Traktat „Von der wahren und eingebildeten Zauberei“ die Fehlurteile der Prozessmaschinerie anprangert. Ein Jahr später muss er seine Thesen widerrufen, um einer Verurteilung als Ketzer zu entgehen. Erst 1631 übt mit Friedrich Spee wieder ein katholischer Geistlicher furchtlose Kritik gegen die Praxis der Hexenprozesse. Seine berühmte Schrift „Cautio criminalis“ zeugt unter anderem von tiefem Mitleid mit den Gefolterten. Spees Bild von der Hexenverfolgung wird unter anderem während seines ersten Aufenthalts in Trier von 1610 bis 1612 geprägt, als die Ereignisse der Jahre 1585 bis 1595 noch vielen Einwohnern präsent sind.