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Bastion Südallee oder "Roter Turm"

Text: David Kunz

Eine rundförmige historische Wehranlage mit Schießscharten steht in einem Park.
Außenansicht der Bastion von Süden.

English version

Die römische Stadt Trier/Augusta Treverorum war mit einer fast 6,5 Kilometer langen Mauer umgeben, die über vier gewaltige Tore (darunter die Porta Nigra) verfügte, und war dadurch über Jahrhunderte gut gegen Angriffe geschützt. Dies änderte sich jedoch mit dem Zerfall des Römischen Reiches, als Trier wie so viele andere Städte einen massiven Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen hatte und sich das Stadtgebiet ebenfalls stark verkleinerte. Darüber hinaus wurde Trier nun zu einer ungeschützten Stadt, da die römische Mauer durch Zerfall, Zerstörungen infolge mehrfacher Eroberungen Triers durch Franken und später auch die Wikinger sowie das mutwillige Abtragen und Weiterverwenden der Steine weitgehend verschwand. 

Erst um das Jahr 1000 wurde wieder eine Mauer errichtet, die jedoch nicht die Stadt selbst umgab, sondern den Dombering als damals wichtigsten Bezirk. Hier befand sich das Machtzentrum Triers, die Kathedralkirche der Bischöfe, die bereits um die Wende zum Mittelalter eine erste Regionalherrschaft in der Stadt und ihrer Umgebung etabliert hatten und diese in der Folgezeit immer weiter ausbauten. Wohl schon seit dem 8. Jahrhundert waren die geistlichen Herrscher Triers Erzbischöfe, was ihre Bedeutung und Macht unterstreicht. So war es denn auch Erzbischof Albero von Montreuil, der im 12. Jahrhundert den Bau einer Mauer für die eigentliche Stadt Trier veranlasste, auch wenn dieses Projekt erst nach rund 100 Jahren um 1250 unter Arnold II. von Isenburg zum Abschluss kam.

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts begann ein Konflikt, der erst 1580 beigelegt werden sollte: Die sich schrittweise herausbildende, vornehmlich aus Kaufleuten und Handwerks-/Zunftmeistern bestehende Trierische Oberschicht erstritt sich zunehmend Beteiligung und Einfluss in städtischen Angelegenheiten, womit sie naturgemäß im Wettstreit mit den Erzbischöfen als eigentlichen Stadtherren stand. Unter anderem erreichten die Bürger eine Umgestaltung des Rats zu ihren Gunsten und eine Beteiligung an der Rechtsprechung, die ursprünglich rein erzbischöflich organisiert gewesen war. Ein ständig wiederkehrender Streitpunkt blieben Steuerfragen und die Verteilung der städtischen Einnahmen, aber auch scheinbar banale Angelegenheiten wie die Verwahrung der Stadtschlüssel. Nach einem zwölfjährigen Rechtsstreit zu der nie geklärten Frage, ob Trier reichsunmittelbar war, also lediglich dem Kaiser und nicht den Erzbischöfen unterstand, kam es 1580 schließlich zu einem letzten kaiserlichen Urteil, nach dem Trier erzbischöfliche Landstadt war und blieb.

In diesem Zusammenhang ist der Bau der Eckbastion an der Trierer Südallee zu sehen, der 1543 abgeschlossen wurde. Die Errichtung des Turms geschah dabei auf Initiative der Stadtgemeinde, was beim Bau der übrigen Mauer im 12./13. Jahrhundert noch ganz anders gewesen war und kann daher im Wesentlichen als Ausdruck städtischen Selbstbehauptungswillens im Zuge des Konflikts mit den Erzbischöfen verstanden werden. 1525 und 1540 hatte die Stadtgemeinde jeweils weitreichende Forderungen gegenüber den Erzbischöfen aufgestellt, die vor allem die Besteuerung des Klerus betrafen, gegen die sich derselbe beständig wehrte. Die Forderungen wurden beide Male abgelehnt, und zwar zu einer Zeit, die den Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und Stadtherren markierte, was schließlich die Errichtung der Bastion zur Folge hatte.

 
Bildergalerie
  • Eine rundförmige historische Wehranlage mit Schießscharten steht in einem Park.
  • Eine rundförmige, aus roten Sandsteinblöcjken gemauerte historische Wehranlage mit Schießscharten steht in einem Park.
  • Eine rundförmige, zu einer Seite geöffnete historsiche Wehranlage steht in einem Park

Möglicherweise war der Bau auch eine direkte Reaktion auf die Verstärkung der erzbischöflichen Burg in Pfalzel (seit 1969 Stadtteil Triers) durch mehrere Bastionen im Jahr 1539, denen das Bauwerk an der Südallee stark ähnelt.

Unabhängig davon fand die Baumaßnahme in einer neuen Phase der Wehr- und Belagerungstechnik statt und ist daher auch aus dieser Perspektive zu betrachten. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts entwickelten sich Kanonen stetig weiter, wurden durchschlagskräftiger und hatten eine größere Reichweite. In der Folge wurden allerorten Festungen errichtet, die über runde, oft auch sehr gedrungene Geschütztürme verfügten, die sowohl das Abfeuern von Kanonen als auch eine starke Verteidigung sowie den Schutz der eigenen Kanoniere gewährleisten mussten. Die Trierer Bastion von 1543 ist ein Vertreter ebenjener Geschütztürme, was an den schmalen, aber langgezogenen und sich nach innen hin schräg verjüngenden Schießschlitzen (sogenannte Maulscharten) zu erkennen ist. In Aachen, von Trier aus gesehen am anderen Ende der Eifel gelegen, entstand 1512 ein sehr ähnlich konstruiertes Bauwerk mit der gleichen Aufgabe, das insgesamt jedoch schlechter erhalten ist als sein 30 Jahre jüngeres Trierer Pendant.

Der Standort der Bastion Südallee dürfte dabei kein beliebiger gewesen sein: An genau dieser Stelle machte der südliche Teil der Stadtmauer einen Knick nach Nordwesten und stellte dadurch einen möglichen Schwachpunkt dar. Kurz vor Vollendung der Mauer im 13. Jahrhundert war hier mit Absicht das Gelände der ehemaligen Barbarathermen ausgespart worden, da Erzbischof Arnold II. von Isenburg die ihm feindlich gesinnte Schöffenfamilie de Ponte strafen wollte, indem er ihren in die Thermenruinen hineingebauten Wohnturm fortan außerhalb der Stadtmauern gelegen wusste. Nicht weit von dieser Stelle entfernt entstand als südwestliches Stadttor die sogenannte Neidpforte, die wohl nicht zufällig besonders stark befestigt wurde.

Die Tatsache, dass die Bastion Südallee viel später als die übrige heute noch bestehende Mauer errichtet wurde, wird nicht nur anhand ihrer Bauweise erkennbar, sondern auch hinsichtlich der verwendeten Materialien: Während die mittelalterliche Stadtmauer zu großen Teilen aus älterem, vor allem römischem Steinmaterial erbaut wurde, besteht die Bastion fast vollständig aus roten Sandsteinblöcken und hebt sich daher klar von den älteren Mauerteilen in Trier ab.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Abschnitten der mittelalterlichen Mauer sowie ihren Toren und Türmen überstand die Bastion Südallee nicht nur die großflächige Schleifung der Trierer Wehranlagen durch die Franzosen infolge des Pfälzischen Erbfolgekriegs 1689, sondern auch den Abriss der Mauer und Tore im 19. Jahrhundert. Dabei hatte die alte Befestigung zunächst sogar ihre Funktion beibehalten, denn fünf Jahre nach der Übernahme Triers durch die Preußen wurde 1820 die extrem unbeliebte Mahl- und Schlachtsteuer eingeführt. Um dieselbe von Bäckern, Müllern, Metzgern und Händlern an den Toren der Stadt eintreiben zu können, mussten die Zugänge stets verschließbar sein. Erst 1875 wurde die Steuer durch eine andere ersetzt, die nicht an die Erhaltung der Stadtmauer gebunden war, womit der Weg zum Abriss derselben frei wurde. Noch im gleichen Jahr wurde beschlossen, den Großteil der Mauer sowie der für den zunehmenden Verkehr denkbar ungeeigneten Tore abzureißen, was innerhalb weniger Jahre geschah. Dass die Bastion Südallee dies überstand, liegt möglicherweise daran, dass sie der Stadtmauer etwas vorgelagert gewesen war und sich daher bei Anlegung von Südallee und Kaiserstraße genau auf dem Grünstreifen zwischen beiden befand, womit sie der Ausweitung des Stadtgebiets nicht zu sehr im Weg stand.

Selbst den Zweiten Weltkrieg, der in Trier viel historische Bausubstanz vernichtet hat, überstand die Bastion, wenn auch beschädigt. Bereits 1953/54 erfolgte vergleichsweise früh die Wiederherstellung, bei der auch die ehemals im Erdreich verborgene Geschützkammer freigelegt und im selben Zug der heutige, normalerweise geschlossene Zugang eingerichtet wurden. Eine letzte Sanierung der Bastion erfolgte 2016 aus Mitteln der Trier-Gesellschaft sowie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Bastion or "Red Tower" 

This bastion, known as "Bastion Südallee" or "Red Tower", was built in 1543 as an annex to the southern section of Trier’s medieval city wall and used to provide room as well as protection for cannons. It’s the only one of its kind among the remaining sections of Trier’s old defences. 

In the Roman Age, Trier/Augusta Treverorum was encircled by a 6.5 kilometre/4 mile-long wall with four massive gates (including Porta Nigra), providing a strong defence against all kinds of attacks for centuries. When the Roman Age came to an end, though, everything changed drastically. As was the case in many other formerly Roman cities, Trier lost most of its population and shrank to less than half of its original size. What was worse, the city lost its robust protection when the majority of the Roman walls and gates vanished due to deterioration from lack of maintenance, damage from several attacks by Franks and Vikings and the recycling of its stones.

It was only around the year 1000 that, for the first time in more than 500 years, a new wall was built, even though it did not encircle the city of Trier itself but the cathedral and its direct vicinity as the most important district of the time. St. Peter’s cathedral was the symbol of power of the city’s bishops, who had seized control of Trier and its surrounding area at the beginning of the Middle Ages and later established a territorial hegemony. From as early as the 8th century, these rulers would go by the title of archbishop, emphasizing their power and dominance. Thus, it was archbishop Albero of Montreuil who gave the order to build another wall, this time designed to encircle the entire city of Trier, even though it took around 100 years to finish it. 

In the early 14th century, a conflict broke out that would only come to an end in 1580: Over the course of decades, a new upper class had established itself in Trier, recruiting its members largely from merchants and guild masters, who competed with the archbishops for power, participation, and influence within Trier and its city government. Their achievements included both a reformation of the city council, providing them access to participation, and a voice in matters of law and jurisdiction which had originally been sole dominions of the archbishop’s. Still, Trier’s highest-ranking citizens and their actual rulers would keep on fighting about tax matters or the allocation of the city’s revenues, as well as the comparatively trivial question of who was to keep the keys to the city gates. As the result of an ancient argument about whether Trier was to be a city with either only the emperor or the archbishop to report to, the emperor ultimately confirmed Trier’s archbishop as the rightful ruler of the city in 1580, putting an end to the conflict. 

During one of the most crucial periods of the argument, the bastion called "Red Tower" was built in 1543 by the city government – rather than the archbishop then in charge, which had been completely different in the 12th and 13th century when the wall had been constructed. Therefore, the bastion should be considered an expression of the citizens’ claims regarding rulership in Trier. In 1525 and 1540, members of Trier’s upper class had sent major demands to their archbishop, particularly concerning the taxation of both the archbishop and other noble clergymen, which had been rejected over and over again by the latter. Once more, the archbishop rejected the demands, but this time, the citizens were rather self-confident, resulting in the construction of the bastion from 1543. Perhaps this can also be considered an immediate response to the archbishop upgrading the fortifications of his castle in Pfalzel (at the outskirts of Trier, one of the city’s districts since 1969) in 1539, with the 1543 bastion being very similar to the ones in Pfalzel. 

Regardless of the events mentioned above, building the bastion "Red Tower" must have also been a reaction to the ever-changing artillery technology involving greater range and penetrating power of cannons. Over the course of the 16th century, countless new fortresses were built all over Europe, with circular towers or bastions providing a well-protected accommodation for cannons and their gunners. The bastion from 1543 in Trier is a good example for exactly this type of tower, emphasized by the gun slits that are not too high but also very wide, ensuring good vision and protection.

As for the bastion’s location, its builders chose a spot where the medieval wall, running all the way from the East, ended in a potential weak point in the shape of a bend. From there, the wall proceeded diagonally to the North, back to the South from another bend and then all the way to the river Moselle in the West. This unusual situation can only be explained with a feud between archbishop Arnold II. of Isenburg, in charge during the time when the medieval wall was finished around 1250, and Rudolph de Ponte, the offspring of one of Trier’s richest and most powerful families. At the time, the de Pontes were living inside a fortified tower that was part of the ruined Roman Barbara bath, located not far from the spot where the bastion was built later. Since the de Pontes were Arnold’s enemies, he saw to it that the wall would not encircle their territory, thus resulting in the bend within the wall. Not too surprisingly, the gate closest to this location, known as "Gate of Jealousy", was one of the most fortified ones in Trier. 

The bastion from 1543 was one of the only additions to the medieval defences ever built and is now the only remaining building of its kind that still exists from the original fortifications. This can be seen both from its apparent nature (gun tower) and the fact that, unlike the rest of the defences, it’s almost entirely made of red sand stones, whereas the other remaining sections of the wall are mostly made of recycled Roman stones. 

Contrary to its older counterparts, the bastion survived both the destruction of Trier’s defences by Louis XIV’s French soldiers in the wake of the Nine Years’ War (1689) and the deliberate demolition of the majority of the remaining walls, towers and gates in the 1870’s, when Trier was growing steadily and the city government perceived the old defences as an obstacle to overcome. Yet, the wall and its gates had had a purpose until then: It was only in 1875 that the so called "Milling and Slaughter Tax", which had been most unpopular ever since its introduction in 1820, was finally aborted. For more than 50 years, bakers, millers, butchers, and merchants had been obliged to pay the according tax on their produce at the gates of Trier. Consequently, it had been mandatory for the gates to be closed whenever need should be, particularly at night. Right after the abolition of this tax in 1875, most of the old wall plus its gates and towers were pulled down within a matter of just a few years. As one of only few defensive buildings from the Middle Ages, the bastion "Red Tower" survived even this, probably because it had only been an annex to the existing wall and wasn’t too much of an obstacle when Kaiserstrasse and Südallee, now passing the bastion, came to be in the 1870’s and 80’s. 

In World War II, the bastion largely escaped the bombing raids of 1944 but was damaged nonetheless. It was restored as early as in 1953/54, when many other monuments in Trier were still ruined. In the course of the restoration, the basement/canon storage – originally hidden beneath the ground – was made accessible via today’s entrance that had been on the other side and on today’s street level in the Middle Ages. The building was last renovated in 2016, financed by the Trier Association for the Preservation of Historic Monuments and its German national counterpart.