Die erste Sonderausstellung des Stadtmuseums unter Leitung von Direktorin Dr. Viola Skiba bietet nicht nur eine nostalgische Zeitreise in die jüngere Vergangenheit: „Ausrangiert. Vergessene Alltagsgegenstände und ihre Geschichten“ beleuchtet seit Sonntag ebenso den Wandel der Lebensgewohnheiten, der sich in den letzten 100 Jahren vollzogen hat – mal schleichend, mal schlagartig und teilweise sehr amüsant.
In zehn Kapiteln, darunter „Wohnen und Haushalt“, „Arbeitsalltag“ und „Sport und Spiel“ ist bis 27. Oktober in einer attraktiven und teilweise interaktiven Ausstellungsarchitektur zu erleben, welchem Wandel Alltagsobjekte unterworfen waren und welche teilweise skurrilen technischen Entwicklungen es gab, die heute vergessen sind. Auch manche Werbespots könnten dem Publikum ein Schmunzeln entlocken. Ergänzt werden die Exponate aus Museumsbeständen von privaten Objekten, die 43 Leihgeber zur Verfügung gestellt haben und die oft besondere Bezüge zur Sozial- und Alltagsgeschichte der Region bieten. Das gilt etwa für Exponate aus dem Freilichtmuseum Roscheider Hof. Nach Angaben von Ausstellungskuratorin Alexandra Orth konnten allein schon aus Platzgründen längst nicht alle Angebote berücksichtigt werden.
Rund 10.000 Gegenstände kommen heute in einem durchschnittlichen Haushalt zusammen – mit zunehmender Mobilität und Alltagsbeschleunigung oft in mehrfacher Ausführung. Vor 100 Jahren besaßen die Menschen viel weniger: Etwa 180 Dinge umfasste der Hausstand einer deutschen Familie. Sie wurden gehegt und gepflegt, repariert und oft über Generationen weitergegeben. Die Produktionsbedingungen, finanziellen Mittel und das Konsumverhalten waren anders als heute, wo manche Objekte zu Wegwerfartikeln mutiert sind. Das spiegelt auch einen Wandel der Lebensweise wider: Technische Innovationen spielen eine Rolle, aber auch gesellschaftliche Umbrüche oder sich wandelnde Rollenvorstellungen. Manche Dinge blieben auf der Strecke: Ausrangiert, unmodisch oder plötzlich technisch überholt, landeten sie auf dem Dachboden oder erleben jetzt ein Comeback im Museum. Das Spektrum reicht von Haushaltsgeräten, Arbeitsutensilien, Wohnaccessoires und Sportgeräten bis hin zur Mode. Manche wecken nostalgische Erinnerungen an Kinder- und Jugendtage, andere muten an wie Kuriositäten aus vergessenen Zeiten.
Für Kulturdezernent Markus Nöhl zeigt die Ausstellung eindrucksvoll, wie einst unverzichtbare Lieblingsobjekte, egal ob Klapphandy oder Wohnzimmerschrank, plötzlich museal werden. „Das hinterfragt unser Verständnis von Alltagsgegenständen, die nun in einem neuen Kontext auftauchen. Zu sehen ist aber auch, wie gnadenlos der Fortschritt teilweise voranschreitet.“ Nöhl bedankte sich beim Museumsteam sowie den Leihgebern der Ausstellung. Er begrüßte es, dass es erneut einige Mitmachstationen gibt und ist zuversichtlich, dass die Ausstellung auf vielfältige Weise in die Stadt hineinwirken kann. Für Museumsdirektorin Dr. Viola Skiba bietet die Schau auch viele wertvolle Erkenntnisse über die Entwicklung der Massenkultur, den Einfluss der Medien und den Wandel des Produktdesigns.
Neben der Ausstellung im Simeonstift, die erneut ein umfangreiches und vielfältiges Rahmenprogramm bietet, gibt es ergänzend kleinere Projekte, so im Kulturschaufenster im früheren Karstadt-Kaufhaus und in der Stadtbücherei im Palais Walderdorff: Dort sind Objekte der Zeit vor dem Smartphone zu sehen, als man noch Buchseiten zwischen den Fingern fühlte, die Nadel auf den Plattenteller legte oder die Fotos zum Entwickeln brachte.