Am Montag jährte sich zum 80. Mal die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. 7000 Gefangene befanden sich am Morgen des 27. Januar 1945 noch in diesem Vernichtungslager, in dem die Nationalsozialisten zuvor schon über eine Million Menschen grausam ermordet hatten. 80 Jahre später gedachten auch in Trier im Rokokosaal des Kurfürstlichen Palais die Menschen der Millionen unschuldiger Opfer der Nationalsozialisten. Erstmals hatten sich die Jüdische Gemeinde und der Landesverband der Sinti und Roma dazu zusammengetan. Jeanne Bakal, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Trier, begründete das gemeinsame Gedenken mit den gemeinsam erlebten Erfahrungen. „Wir Juden aus Moldawien und aus der Ukraine lebten über Jahrzehnte Haus an Haus, Straße an Straße mit Sinti und Roma, aber wir wussten auch nicht, dass wir den Holocaust so gemeinsam erlitten haben, Bett an Bett, Körper an Körper.“ Deshalb sei das gemeinsame Erinnern so wichtig.
Der Trierer Stadtrat, der am 27. Januar seit einigen Jahren mit einer feierlichen Stadtratssitzung und der Förderung von Projekten das Gedenken an die Opfer aufrechterhält, ließ diese Sitzung in diesem Jahr zugunsten der gemeinsamen Gedenkfeier ausfallen und war zahlreich aus allen Fraktionen vertreten. Oberbürgermeister Wolfram Leibe sprach im Auftrag des Rates ein Grußwort bei der Veranstaltung und erinnerte daran, dass auch Trier zwischen 1933 und 1945 keine Insel der Seligen gewesen sei. „Der Genozid fand nicht nur im fernen Osteuropa statt, er fand auch vor unserer Haustür statt. 30 Kilometer von hier im Lager Hinzert im Hochwald können wir uns heute noch die Massengräber anschauen und der Menschen gedenken“, sagte Leibe. „Wir sollten nicht nur gedenken, sondern den Auftrag mitnehmen, dass so etwas nicht mehr passieren darf.“
Christian Kling vom Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Rheinland-Pfalz berichtete von seinen Erfahrungen beim Besuch im Konzentrationslager Auschwitz, von Gefühlen, die wohl viele Besucher der heutigen Gedenkstätte teilen: „Ich bin kein besonders spiritueller Mensch“, sagte Kling. „Aber dieser Ort hat eine Aura des Bösen, wie ich sie noch nicht erlebt habe. Als ich diesen Ort verlassen habe, brauchte ich Wochen, um das alles zu verarbeiten.“ Kling weiter: „Das dritte Reich ist nicht einfach nur eine böse Geschichte. Es ist Realität. Realität, die das dunkelste Kapitel unserer Geschichte unseres Landes abbildet. Daran zu erinnern, ist elementar, denn es zeigt, worin Hass und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gipfeln. Mehr als sechs Millionen Menschen haben diese Erkenntnis mit dem Tod bezahlt.“
Klings Großonkel, Christian Pfeil aus Trier, Holocaust-Überlebender, sollte ursprünglich bei der Gedenkveranstaltung sprechen, war als Zeitzeuge aber mit dem Bundespräsidenten zur offiziellen Feier in Auschwitz geladen. Kling berichtete aus dessen Aufzeichnungen von der Familiengeschichte, ehe mit Michael Russavskjj ein Zeitzeuge noch live zu Wort kam. Russavskij, Vater von Jeanne Bakal, erzählte im Interview mit seiner Enkelin Thaissja Bakal, die als Moderatorin durch den Abend führte, erstmals öffentlich über seine von Holocaust, Flucht und Vertreibung geprägte Kindheit, die er - Jahrgang 1940 - in seinen ersten Jahren im Arbeitslager verbrachte. Schilderungen, die die rund 200 Anwesenden sichtlich bewegten.
Musikalisch gestaltet wurde die Gedenkstunde von Irina Ladyjenskaja (Klavier), Annette Golub (Violine) und Nicolas Grandadam (Klarinette).
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