Sprungmarken
15.08.2023

Persönlichen Horizont deutlich erweitert

Die Skyline der Innenstadt der texanischen Partnerstadt Fort Worth und der Marktplatz in Weimar mit traditionsreichen Häusern, unter anderem aus der Gotik und Renaissance.
Die Skyline der Innenstadt der texanischen Partnerstadt Fort Worth und der Marktplatz in Weimar mit traditionsreichen Häusern, unter anderem aus der Gotik und Renaissance. Fotos: Austin James/Visit Fort Worth, René Bodemann
Um Verwaltungsabläufe, aber auch Land und Leute kennenzulernen sowie die Selbstständigkeit und Organisationstalent zu stärken, wurde in der Stadtverwaltung die Gastausbildung Dual Studierender in einer Partnerstadt eine feste Größe. Das Angebot wird dadurch noch attraktiver, dass die Gastausbildung auch anderswo im Ausland möglich ist. Kolleginnen und Kollegen waren schon in Lima oder Wien. Im Interview mit der Rathaus Zeitung (RaZ) schildern zwei Studierende Erfahrungen und Eindrücke der zwei Monate in den Partnerstädten Weimar und Fort Worth.

RaZ: Warum haben Sie sich um eine Hospitation in der Stadtverwaltung einer Partnerstadt beworben?

Nils Hecker (Forth Worth): Ich wollte unbedingt die Erfahrung machen, im Ausland mit neuen Menschen zu arbeiten und Neues zu erleben.

René Bodemann (Weimar): Im Rahmen meines Studiums bei der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Mayen ist eine Gastausbildung vorgesehen. Da ich dies außerhalb der gewohnten rheinland-pfälzischen Verwaltungsstrukturen machen wollte, kam für mich nur eine Hospitation/Gastausbildung in einer der Partnerstädte in Frage.

Warum fiel Ihre Wahl auf Fort Worth/Weimar?

Nils Hecker: Ich habe mich speziell direkt für Fort Worth entschieden, da ich es als eine Chance gesehen habe, in ein für mich völlig fremdes Land zu kommen und dort zu arbeiten, meine Sprachkenntnisse zu verbessern und Kontakte zu knüpfen.

René Bodemann: Durch meine vorherige Tätigkeit bin ich viel in Deutschland umhergekommen, außer Thüringen habe ich jedes Bundesland gesehen und erlebt. Da fiel die Wahl ganz schnell auf Weimar als Partnerstadt als Ort meiner Gastausbildung, um diesen weißen Fleck auf meiner „Landkarte" zu schließen.

Was waren Ihre Aufgaben vor Ort – konnten Sie richtig mitarbeiten oder waren Sie eher Praktikanten, die mitgelaufen sind?

Nils Hecker: Die Aufgaben in Fort Wort waren meistens sehr unterschiedlich, in der Regel eine Mischung aus Mitlaufen und kleineren Aufgaben.

René Bodemann: Für den gesamten Zeitraum konnte ich im Standesamt Weimar unterstützen und wurde nach einer kurzen Einarbeitungszeit vollumfänglich in die Arbeitsprozesse mit eingebunden. Dabei konnte ich wegen fehlender Zeichnungsbefugnis leider nur vorbereitende oder unterstützende Arbeit leisten.

Welche Erfahrungen/Erlebnisse haben Sie besonders beeindruckt?

Nils Hecker: Durch meine sehr spannende Ämterauswahl in Fort Worth hatte ich die Chance, eine 24-Stunden-Schicht auf der Feuerwache zu erleben. Der Zusammenhalt unter den Feuerwehrleuten war besonders beeindruckend. Man hat zusammen gegessen, Sport gemacht, Ferngesehen oder einfach nur Kaffee getrunken und sobald es zu einem Einsatz kam, waren alle voll bei der Sache und hellwach.

René Bodemann: Bei der Arbeit im Weimarer Standesamt waren es die vielen kleinen und großen Aha-Momente, was den Aufgabenbereich betraf. So besteht zum Beispiel der Arbeitsalltag dort nicht nur aus dem Erstellen von Urkunden oder der Vollziehung von Eheschließungen. Gerade das internationale Privatrecht spielt eine große Rolle und die damit verbundene Überprüfung der Dokumente nimmt sehr viel Zeit in Anspruch.

Welche besonderen Eindrücke aus der Freizeit nehmen Sie mit?

Nils Hecker Ich konnte in meiner Freizeit sehr viel unternehmen, neben Topgolf und Tontaubenschießen die Stockyards besichtigen. Durch die Nähe zu Dallas war ich nicht nur an Fort Worth gebunden.

René Bodemann: Weimar ist sehr historisch geprägt und von Denkmälern oder alten Bauten durchzogen. Trotzdem lässt sich alles finden, was man für seine Freizeitgestaltung benötigt. Dabei merkt man, dass die Studentenszene das Flair dieser Stadt mitgestaltet.

Hatten Sie ein Erlebnis, das Sie vielleicht als besonders kurios bezeichnen würden?

Nils Hecker: Während meiner Zeit im Public Event-Management von Fort Worth war ich beim Aufbau der monatlichen Waffenmesse dabei. Neben Pistolen, Gewehren, Schrotflinten, Messern und auch historischen Waffen konnte man die Begeisterung in den Augen der Menschen sehen. Ein komisches Gefühl, in einem Raum zu stehen, wo wie auf einem Basar die Waffen gekauft werden können.

René Bodemann: Da fällt mir spontan nichts ein.

Haben Sie besondere Menschen kennengelernt?

Nils Hecker: Meine Gastfamilie in Fort Worth zählt definitiv zu den sehr besonderen Menschen, ich wurde sehr gut aufgenommen und war in die Familienaktivitäten durchgehend eingebunden. Aber auch in den einzelnen Ämtern habe ich gemerkt, wie herzlich die Menschen sind, mit denen ich zu tun hatte. Ich habe viele nette Gespräche geführt und mich in jedem Amt sehr wohl gefühlt.

René Bodemann: In meiner Zeit in Weimar habe ich Dieter Kammler kennengelernt. Man würde ihn als Urgestein der Stadt bezeichnen. Er ist früherer Standesbeamter und betreut nun das Meißener Porzellan- glockenspiel im Glockenturm des Rathauses. Bei der Restauration des Glockenspiels und dem späteren Einbau über dem Rathaus spielte er eine besondere Rolle.

Haben Sie in der Zeit neue Freunde gewonnen?

Nils Hecker: Freunde habe ich mit den Leuten vom Ordnungsamt gewonnen. Mein Kollege Vincent und ich haben viele verschiedene Aktivitäten mit der Gruppe dort unternommen.

René Bodemann: Neue Freunde vielleicht nicht, dafür war die Zeit einfach zu kurz und zu sehr von der Arbeit geprägt. Aber viele neue Bekannte die ich bei einem Städtetrip nach Weimar sicher besuchen werde.

Was hat Ihnen an der Partnerstadt besonders gut gefallen, was war überraschend?

Nils Hecker: Mir hat die Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit der Menschen sehr gut gefallen. Das hat mir auch bei der Entwicklung meiner Sprachkenntnisse zu Beginn dieser Gastausbildung geholfen.

René Bodemann: Der besonders schöne und für deutsche Verhältnisse große Park an der Ilm, der sich in unmittelbarer Nähe zum Marktplatz befindet. Gerade an schönen Sommertagen lädt dieser Park förmlich dazu ein, dort die eine oder andere Stunde zu verbringen.

War die Zeit in Fort Worth Ihr erster längerer Aufenthalt im Ausland?

Nils Hecker: Ich war vorher noch nie so lange im Ausland und zudem war es auch mein erster Aufenthalt in den USA.

Wie haben sich Ihre Sprachkenntnisse durch die Zeit in den USA entwickelt?

Nils Hecker: Die Unterhaltungen waren in den ersten drei Tagen noch eher schwieriger zu führen und auch zu verstehen, danach ging es aber von Tag zu Tag besser. Auch die Arbeitskollegen, mit denen ich zu tun hatte, haben anfangs noch sehr auf ihr Sprech-
tempo geachtet und Fachwörter erklärt. Nach der zweiten Woche hatte ich keine Probleme mehr, die Leute zu verstehen und Gespräche zu führen, es musste auch nicht mehr langsam und deutlich gesprochen werden. Also haben sich die Sprachkenntnisse relativ schnell sehr gut entwickelt.

War der Einstieg in die andere Verwaltung schwer?

Nils Hecker: Nein, überhaupt nicht. Ich wurde in Fort Worth sofort herzlich begrüßt und aufgenommen. Durch das Meet and Greet am ersten Tag hatte ich die Chance, mit den Mentoren zu reden und erste Dinge abzuklären.

René Bodemann: Zwar gelten in Thüringen andere Landesgesetze als in Rheinland-Pfalz. Trotz allem war der Einstieg nicht sonderlich schwer oder langwierig. Was das Ganze natürlich ebenfalls ziemlich erleichtert hat, waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Standesamts, die mir mit Rat jederzeit zur Verfügung standen.

Welche Gemeinsamkeiten zur Verwaltung in Trier gibt es, was ist komplett anders?

Nils Hecker: An sich haben die Verwaltungen sehr viele Gemeinsamkeiten, die Ämter sind in ihren Hauptbestandteilen nahezu identisch. Es gibt nur wenige Ausnahmen, wo die Stadtverwaltung Fort Worth, auch wegen ihrer Größe, andere Ämter hat. Beispielhaft dafür ist das Aviation Department, das sich mit den städtischen Flughäfen beschäftigt. Ansonsten hat Fort Worth in den einzelnen Ämtern mit anderen Problemen zu kämpfen als Trier. Im Ordnungsamt gibt es neben dem Thema Umwelt nämlich auch Bereiche wie Obdachlose und Straßenhunde.

René Bodemann: Ich würde sagen, dass die beiden Verwaltungen grundsätzlich sehr viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Mir sind keine Besonderheiten bei der Stadtverwaltung Weimar aufgefallen.

Was haben Sie in Ihrer Freizeit unternommen?

Nils Hecker: Ich habe mir die Stadt angeguckt, die Stockyards besichtigt und Baseball- sowie Fußballspiele rund um Dallas herum angeguckt. Mit meiner Gastfamilie war ich in Dallas und einen Tag sind wir nach Oklahoma in ein Kulturzentrum gefahren. Abends sind wir dann auch mal mit einer größeren Gruppe durch die Bars gezogen.

René Bodemann: Zum größten Teil habe ich mich in Weimar in meiner Freizeit um die Dinge gekümmert, die anfallen, wenn man eine Ferienwohnung in einer fremden Stadt hat. Einkaufen, kochen, daneben war auch noch etwas Zeit für Sport oder, wenn das Wetter es zuließ, ein paar Stunden im Park. Die Wochenenden war ich größtenteils zu Hause. Dies war dem Umstand geschuldet, dass das eine oder andere wichtige Ereignis im Freundeskreis anstand.

Würden Sie so einen Austausch noch einmal machen?

Nils Hecker: Ich würde so einen Austausch definitiv nochmal machen. Es hat mich nicht nur sprachlich weitergebracht, sondern auch in meinem Selbstbewusstsein gestärkt.

René Bodemann: Ich kann jedem Anwärter für den Gehobenen Dienst bei der Stadtverwaltung oder zukünftigen Anwärtern ans Herz legen, von dieser besonderen Möglichkeit Gebrauch zu machen, im Rahmen der im Studienplan vorgesehenen Gastausbildung eine Partnerstadt zu besuchen und zu erleben.

Das Gespräch führten Petra Lohse und Michael Schmitz