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21.05.2019

„Niemand weiß, wohin sie kommen“

Ausstellung über die Tagebücher von Anne Frank und Marianne Elikan eröffnet

Im Foyer der Stadtbibliothek sind unter anderem diese Originalaufzeichnungen von Marianne Elikan aus den 1940er Jahren zu besichtigen.
Im Foyer der Stadtbibliothek sind unter anderem diese Originalaufzeichnungen von Marianne Elikan aus den 1940er Jahren zu besichtigen.
„Seit Wochen hindurch spricht man schon wieder von einem neuen Transport und wirklich, es ist wahr geworden. Es ist grauenhaft. Es sind so viele Burschen, die ich kenne, die mitfahren. Kein Mensch weiß, wohin sie kommen, man spricht so viel." Mit diesen eindringlichen Worten beschreibt Marianne Elikan in einem Tagebucheintrag vom 21. September 1944 die Deportation von jüdischen Bewohnern des Ghettos Theresienstadt, die vermutlich nach Auschwitz führte. Die damals 16-Jährige lebte zu diesem Zeitpunkt schon über zwei Jahre ohne ihre Familie in Theresienstadt. Im Februar 1942 war das Mädchen festgenommen, von der Gestapo verhört und schließlich deportiert worden, nachdem sie mit der Straßenbahn von Medard in die Trierer Innenstadt gefahren war, was für Juden verboten war.

Marianne Elikan stammte aus Wawern und lebte mit ihren Pflegeeltern seit 1939 in einem „Judenhaus" in Trier. Sie war nur elf Monate älter als Anne Frank und führte wie ihre bekanntere Zeitgenossin während des Zweiten Weltkriegs ein Tagebuch, das 2008 veröffentlicht wurde. Aus Anlass des 90. Geburtstags von Anne Frank am 12. Juni widmet die Stadtbibliothek Weberbach den beiden Autorinnen derzeit eine Ausstellung in ihrem Foyer. Zu sehen sind verschiedene Ausgaben des berühmten Tagebuchs von Anne Frank sowie Darstellungen ihres Lebens, die es jetzt auch in der neuen Kunstform der Graphic Novel gibt.

Zur Eröffnung der Ausstellung sagte Kulturdezernent Thomas Schmitt: „Anne Frank könnte heute noch leben und das zeigt, dass diese Geschehnisse doch noch nicht so lange her sind. Ihr Tagebuch macht uns auf besonders unmittelbare Weise ein Einzelschicksal bewusst. Solche Zeugnisse haben dazu beigetragen, dass der Rechtsextremismus bei uns in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht nennenswert wieder Fuß fassen konnte."

Marianne Elikan überlebte als „Halbjüdin" den Holocaust. Erschütternd sind auch ihre Tagebucheinträge nach ihrer Rückkehr nach Trier: Denn sie musste feststellen, dass keiner ihrer Verwandten mehr am Leben war und dass sie sich weiterhin wie eine Fremde fühlte. (kig)