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14.01.2025

Die Träume der Kinder

Ein Streichquartett spielt auf einer Bühne, umringt von liegenden Zuhörern
Beim Kinderkonzert „So klingen meine Träume“ gehen die Kinder mit Musikpädagogin Lucia Pedretti (rechts, liegend) auf eine Reise ins Wunderland der Klänge. Foto: Theater Trier

Plötzlich wird es laut im Himmel. Hingen kurz zuvor noch kräftige Wolken still vor einer strahlendblauen Stratosphäre, erhebt sich nun wildes Fußgetrampel samt aufgeregtem Reden. Kinderlärm erfüllt das Kasino am Kornmarkt. Dort, wo am Abend gefeiert oder getanzt wird, stürmen Kindergartenkinder den Saal vor der großen Leinwand, auf der besagter Himmel zu sehen ist. „So klingen meine Träume“ heißt das erste Kinderkonzert des Theaters Trier, mit dem die Kleinen zwischen drei und fünf Jahren auf eine Reise ins Wunderland der Klänge eingeladen sind. Kommen können Kita-Gruppen genauso wie Familien privat.

Sozusagen als Reiseleiterin mit dabei ist Lucia Pedretti, die als Musikpädagogin seit dieser Spielzeit neu am Theater Trier auf vielfältigste Weise Kindern und Jugendlichen Zugang zu Musik ermöglicht. Mit Vorprogrammen der Familienkonzerte, Kofferkonzerten in Kitas und Schulen, Workshops und Fortbildungen für Pädagogen und eben Kinderkonzerten hat Pedretti ihre Berufung zum Beruf gemacht. Denn nachdem sie Musikwissenschaft und Klavier in Rom studiert und als Diplompianistin Konzerte und Klavierunterricht gegeben hat, lebte Pedretti lange Zeit in Spanien, wo sie noch Musikpädagogik und -therapie studierte. Den Fokus legte sie dabei ganz bewusst auf Musik als Mittel zur Entwicklung und Entfaltung. Seit 16 Jahren lebt sie bereits in Trier und ist neben ihrer Tätigkeit als Klavierlehrerin und freier Musikpädagogin für Eltern-Kind-Gruppen nun auch am Theater. „Der Kontakt mit den Kindern ist wohl meine Inspirationsquelle“, schmunzelt sie und meint das durchaus wörtlich, denn ohne Bühne sind die Kleinen ganz nah dran an den Musizierenden und Pedretti. Manchmal auch zum Greifen nah, wenn wie beim Kinderkonzert ein Mädchen aufsteht und Pedretti spontan umarmt.

„Wovon träumen heute Kinder?“ Mit dieser Frage im Kopf ist Lucia Pedretti an die Konzeption der Kinderkonzerte herangegangen. Zur Vorbereitung hat sie verschiedene Kita-Gruppen besucht und die Kinder Wolken mit ihren Träumen ausmalen lassen. „Als ein paar Kinder Szenen aus dem Videospiel Minecraft gemalt haben, war das für mich ein Zeichen, dass schon in diesem Alter die Fantasiewelt geprägt ist von äußeren Einflüssen“, sagt Pedretti. „Einige Kinder hatten echt Schwierigkeiten, ihre Träume auszudrücken und sie in Bilder umzusetzen. Das ist schade, finde ich.“ Mit dem Konzert will sie die Kinder beim Ausmalen ihrer eigenen Fantasien unterstützen. Die Wolken, die jede Gruppe in der Vorbereitung oder nach dem Konzert ganz konkret ausmalt, stapeln sich schon auf ihrem Schreibtisch im Theater. So ist das Konzert ganz interaktiv gestaltet und nicht bloß ein Abspielen eines kindgerechten Klassikkanons, auch wenn natürlich Mozart, Debussy, Saint-Saëns oder Grieg gegeben werden.

Luca Kirschweng, der gerade sein Freiwilliges Soziales Jahr in der Kita Wichernhaus absolviert, ist auch als Erwachsener begeistert von der Musikauswahl: „Die Lieder, die gewählt worden sind, haben immer zum Thema gepasst. Ich denke, die Kinder haben da sehr viel mitgenommen“, sagt er und fügt hinzu: „Für die Kinder fand ich das Konzert sehr gut. Vor allem, wie sie das mit den Lichtern, den Wolken oder dem Sternenhimmel gemacht hat.“ 

Sich selbst sieht Pedretti auf dem Weg durch die musikalischen Welten als Begleiterin, die mit der Musik Synergien schaffen will. Mal erzählt sie eine Geschichte, mal wird gemeinsam gesungen oder getanzt. Dann wird es wiederum ruhig und alle legen sich langsam schlafen – auf der Leinwand funkelt nun ein Sternenhimmel –, während die zwei Geigen, eine Bratsche und ein Cello Träume erklingen lassen. Immer sind die Kinder miteinbezogen, wodurch mit dem gemeinsamen Mitmachen und Staunen vor den Musizierenden soziale Kompetenzen wie Zuhören und Empathie, aber auch das Gemeinschaftsgefühl gefördert werden.

Einmal, erzählt Pedretti begeistert, hat sie zwei Mädels nebeneinandersitzen sehen. „Die beiden kannten sich nicht. Sie saßen nebeneinander, haben das Konzert zusammen erlebt, zusammen gesungen und getanzt und sogar ihr Essen geteilt. Am Ende des Konzertes waren sie Freunde und sind Hand in Hand rausgegangen.“ Wie auch im Konzert, sind es vor allem die Geschichten, die ein Gefühl oder eine Atmosphäre am besten beschreiben können. Danach, wieder im Kindergarten, sagt Pedretti, wenn sich die Aufregung der großen Reise ins Kasino am Kornmarkt langsam wieder gelegt hat, „machen die Kinder sich Gedanken. Es wirkt nach“ – nicht nur bei den Kindern. Denn die zugesandten Traumwolken erzählen der Musikpädagogin noch nach den Konzerten von den Träumen der Kinder.

Niklas Schmitt