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02.04.2024

Stimme deutscher Großstädte bei der EU

Porträbild von Michael Sohn
Michael Sohn, OB-Beauftragter für Umwelt und Mobilität.

Oberbürgermeister Wolfram Leibe hat sich Ende Januar als Vertreter des Deutschen Städtetags bei einer Konferenz in Brüssel für die stärkere Berücksichtigung kommunaler Interessen eingesetzt. Dabei spielen nicht zuletzt die Themen Umwelt und Mobilität eine zentrale Rolle. Michael Sohn ist in der Stadtverwaltung Beauftragter des OB für diesen Bereich und erläutert Hintergründe im Gespräch mit der Rathaus Zeitung (RaZ). 

RaZ: Können Sie in wenigen Sätzen Ihren Aufgabenbereich als Beauftragter für Umwelt und Mobilität skizzieren? 

Michael Sohn: In meiner Funktion bin ich direkt dem Oberbürgermeister zugeordnet, um die beiden Themenbereiche Umwelt und Mobilität strategisch im Blick zu halten. Hier bedarf es in bestimmten Fällen einer dezernatsübergreifenden Koordinierung und einer möglichst engen Verzahnung von Verwaltung und den politischen Gremien Stadtvorstand und Stadtrat. Als Beispiel ist hier die Erstellung eines kommunalen Wärmeplans zu nennen, die wir kürzlich in Zusammenarbeit mit unseren Stadtwerken in Angriff genommen haben. Die Städte stehen vor großen und teilweise neuartigen Herausforderungen. Den gesetzlichen Rahmen, in dem sie agieren, setzt nicht zuletzt die Europäische Union.  

Die EU macht mit ihrer Kommission und dem Parlament immer wieder international wirksame Vorgaben, die auch die Städte direkt betreffen, etwa beim Schutz des Grundwassers. Wie können die Kommunen hier ihre Interessen wirkungsvoll vertreten?

Im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit geht es in erster Linie um den European Green Deal, der das Ziel hat, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Die Beschlüsse müssen umgesetzt werden, viele auf kommunaler Ebene. Es ist natürlich im Sinne der Kommunen, sich möglichst frühzeitig darüber zu informieren, was in der EU-Hauptstadt besprochen und beschlossen wird. Somit kann man sich darauf einstellen und sich im Vorfeld konstruktiv einbringen, um die eigenen Interessen zu vertreten. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Kommunen gemeinsam auftreten und sich in Brüssel zu Wort melden, in unserem Fall durch den Städtetag als Spitzenverband. 

Gibt es noch eine weitere Stimme der Kommunen in Brüssel?

Da ist der Ausschuss der Regionen (AdR) zu nennen. Ein Gremium, dem mehr als 300 Mandatsträgerinnen und Mandatsträger der regionalen und kommunalen Ebene aus ganz Europa angehören. Er muss vom Europäischen Parlament zu bestimmten Themen gehört werden und er hat das Recht, entsprechende Stellungnahmen abzugeben. Hier ist OB Leibe seit Oktober 2023 aktiv und bringt sich insbesondere in der Fachkommission für Umwelt, Klimawandel und Energie ein. Er agiert in enger Abstimmung mit seinem Saarbrücker Amtskollegen Uwe Conradt. Die beiden wurden vom Deutschen Städtetag in den AdR gewählt und sind nun in gewisser Hinsicht die „Außenminister“ der deutschen Großstädte bei der Europäischen Union. Das verdeutlicht, welche Bedeutung Trier durch sein Engagement mittlerweile gewonnen hat.

In welchen Bereichen sind schon konkrete Folgen für die EU absehbar?

Zahlreiche private und öffentliche Gebäude in Europa müssen in den kommenden Jahren saniert werden, um bestimmte Vorgaben, vor allem bei der Dämmung und der Energieeffizienz, einzuhalten. Davon sind wir bei unserem kommunalen Bestand direkt betroffen. Zudem hat die EU- Kommission kürzlich den Umgang mit dem Thema Luftqualität in die Diskussion gebracht. Da werden derzeit neue Grenzwerte verhandelt. 

Warum ist es OB Leibe wichtig, sich über den Deutschen Städtetag auf der europäischen Ebene stärker für die Wahrnehmung kommunaler Interessen einzusetzen? 

Es geht zunächst darum, den deutschen Städten bei so weitreichenden und wichtigen Entscheidungsprozessen Gehör zu verschaffen. Trier lebt durch seine Lage in der grenznahen Großregion von und mit Europa. Daher ist es OB Leibe ein besonderes Anliegen, eine federführende Rolle bei der kommunalen Europapolitik einzunehmen. 

Im Vorfeld der Wahl des EU-Parlaments am 9. Juni ist der European Green Deal ein großes Thema in der politischen Debatte.

Klimaschutz und Klimafolgenanpassung sind prägende Themen unserer Zeit. Dementsprechend wird aktuell viel darüber diskutiert, auch im Hinblick auf die anstehenden Wahlen. Nach meiner Überzeugung ist es allerdings wichtig, die positiven Aspekte und die Chancen der Entwicklungen nicht aus den Augen zu verlieren. Die Städte sind mit ihren kommunalen Unternehmen Treiber der Energiewende und des Klimaschutzes vor Ort. Paradebeispiele gibt es genügend. Ich denke zurück an eine Konferenz im vergangenen Jahr in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Brüssel. OB Leibe und SWT- Vorstand Arndt Müller präsentierten dort laufende Aktivitäten der Stadtwerke im Bereich der Nachhaltigkeit: die Umstellung der Versorgung auf Strom aus regionalen und erneuerbaren Erzeugungsanlagen, die Nutzung der Trinkwasserhochbehälter als dezentrale Speicherkraftwerke. Diese konkreten Erfolgsgeschichten made in Trier kommen an. Wir nutzen die kommunale Europa-Arbeit auch dazu, unsere Vorzeigeprojekte bekannter zu machen, um die gesellschaftliche Akzeptanz der Themen weiter zu stärken.

Hat Trier einen anderen Interessenschwerpunkt als ländliche Regionen, wo die Landwirtschaft eine zentrale Rolle spielt? Was ist unser spezifisch städtischer Schwerpunkt?

Die Europapolitik des Deutschen Städtetages befasst sich nachvollziehbarerweise mit betont urbanen Themen: Stadtentwicklung, Verkehr, Energieversorgung von Ballungsräumen oder der Frage, wie Städte lebenswert bleiben, auch unter dem Einfluss sich ändernder klimatischer Rahmenbedingungen. Für Trier ist uns allerdings wichtig, über die Stadtgrenze hinaus zu schauen, um einen Mehrwert von Stadt-Umland- Kooperationen erzielen zu können. Die Zusammenarbeit der Stadtwerke mit Landwirten aus der Region beim Betrieb der Biogasanlagen ist ein gutes Beispiel dafür. Das bringt OB Leibe auch in Brüssel zur Sprache.

Bei dem Treffen im Januar wurde die „Brüsseler Erklärung“ verabschiedet, die sich vor allem dafür einsetzt, dass Parlament und Kommission auf EU-Ebene die Sichtweise der Metropolen berücksichtigen. Was sind die nächsten Schritte?

Mit der gemeinsamen Erklärung nehmen die Städte für sich in Anspruch, als wichtige Partner der EU- Politik anerkannt und gehört zu werden. Dieser Pflock ist eingeschlagen. Die Städte werden weiter aktiv sein, auch im Rahmen von Veranstaltungen wie kürzlich erst beim Gipfel der Regionen und Städte, als Mitte März im belgischen Mons 3500 Teilnehmende aus ganz Europa zusammenkamen.