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27.06.2017

Herausforderungen angepackt

Frauenbeauftragte Angelika Winter
Frauenbeauftragte Angelika Winter.
Der Steuerungsausschuss hat am Donnerstag den Jahresbericht 2016 der städtischen Frauenbeauftragten Angelika Winter mit Dank und Anerkennung zur Kenntnis genommen. Im Gespräch mit der Rathaus Zeitung (RaZ) geht sie auf einige Schwerpunkte ein.

RaZ: 2016 fand angesichts der deutlich gestiegenen Flüchtlingszahlen erstmals ein mehrtägiges Gendertraining für Akteure der Flüchtlingsarbeit statt. Was waren die wichtigsten Ziele und hat sich dieses Angebot bewährt?

Winter: Im Vordergrund stand die Vermittlung kultureller Unterschiede zwischen islamisch geprägten Ländern und Deutschland, insbesondere was die Rollenbilder von Männer und Frauen anbelangt. Damit verbunden war die Sensibilisierung zu unterschiedlichen Auffassungen zu Themen wie Familie, Ehre und Berufstätigkeit. Das Training führte zu einem sicheren Umgang in der Kommunikation mit Geflüchteten. Das Wissen um verschiedene Kulturstandards brachte ein größeres Verständnis und Erklärungen für Verhaltensweisen von Flüchtlingen mit sich. Die Akteure konnten anhand eigener Fallbeispiele ihre interkulturelle Kompetenz verbessern. Das Angebot hat sich auf jeden Fall bewährt.

Ihr Bericht endet mit der Einschätzung, dass trotz erheblicher Fortschritte die Chancen für Frauen und Männer in vielen Bereichen immer noch sehr unterschiedlich sind. Warum ist es für eine langfristige Verbesserung erforderlich, auch die Bedürfnisse und geschlechtsspezifischen Benachteiligungen von Männern und Jungen zu identifizieren und Defizite zu beseitigen?

Ich betrachte Jungen, Männer und Väter in Geschlechterfragen nicht als Teil des Problems, sondern vielmehr wirklich als Teil der Lösung. Männer und Frauen bilden ein System. Veränderungen des einen Geschlechts haben einen Einfluss auf das andere. Zu den Bemühungen, die Benachteiligungen von Frauen und Mädchen abzubauen, gehört es auch dazu, die Benachteiligungen für Männer und Jungen gleichwertig zu identifizieren. Wollen wir die Lebensgestaltungschancen beider Geschlechter fördern, müssen ihre wechselseitigen Abhängigkeiten gleichwertig betrachtet werden. Gleichstellung erreichen wir nur mit den Männern und nicht gegen sie.

Zu Ihren Aufgaben gehört die Koordinierung des Lokalen Bündnisses für Familie. Wie fällt ihre Bilanz 2016 in diesem Bereich aus?

Das Netzwerk, aus Akteuren der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft besteht seit sieben Jahren und setzt sich seitdem für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Die verschiedenen Interessen der Bündnispartnerinnen und Bündnispartner unter einen Hut zu bekommen, abzuwägen und gemeinsam gute Lösungen sowohl für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit familiären Verpflichtungen, für Unternehmen, als auch für die Kommune zu entwickeln, ist weiterhin Basis der Bündnisarbeit.

Welche Beispiele gibt es? 

Nennen möchte ich den Prozess um die Flexibilisierung der Öffnungszeiten in den Kindertageseinrichtungen in Trier. Im Bündnis bereits seit über zwei Jahren ein Schwerpunktthema, wurde 2016 durch die Initiierung einer Arbeitsgruppe des Jugendhilfeausschusses die fachliche Beratung und Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken einer Flexibilisierung unter Federführung des Jugendamtes gestartet. Bereits im Vorfeld hat sich das Bündnis für eine Beteiligung am Bundesprogramm KitaPlus stark gemacht. Somit ist Trier bereits für eine Förderung durch Bundesmittel vorgesehen. Durch die Vielfalt der Bündnispartner und die verschiedenen Perspektiven werden früh gesellschaftliche Entwicklungen erkannt und neue Herausforderungen angepackt. Dafür lohnt sich das Engagement.

2016 beteiligten Sie sich erstmals an dem Trierer Programm zu dem weltweiten Aktionstag „One Billion Rising“ für eine gewaltfreie und gerechte Welt für Frauen. War das eine erfolgreiche Premiere?

Ja, auf jeden Fall. Das schwere Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen wurde durch diesen Tanz-Flashmob vielen Menschen nahe gebracht. Dieser Tanz, der weltweit am 14. Februar aufgeführt wird, erzielt die Wirkung von Aufbruch, Kraft und Solidarität und motiviert dazu, sich gemeinsam gegen Gewalt zu engagieren. 

Konnten 2016 auf kommunaler Ebene Fortschritte erreicht werden im Kampf gegen Altersarmut bei Frauen?

Ein Fortschritt ist immer schon, wenn ein gesellschaftspolitisch wichtiges Thema in die Öffentlichkeit getragen und eine breite Diskussion losgetreten wird. Bundesgesetze werden in Berlin gemacht. Hier in Trier ist es mir wichtig, Frauen und vor allem junge Frauen, die ihre Familiengründung noch vor sich haben, für wirtschaftliche Risiken der „unbezahlten Familienarbeit“ zu sensibilisieren – über Beratungstermine oder öffentliche Veranstaltungen, wie eine vom Volksfreund initiierte Diskussion, die ich mit dem Referat „Das weibliche Gesicht der Armut“ eröffnet habe. Mit der Broschüre „Mini Job – eine kritische Auseinandersetzung mit Fakten, Risiken, Chancen – rechtlichen Hinweisen“ will ich auch Frauen über ihre Rechte aufklären. Der Kampf gegen Altersarmut setzt früh in der Erwerbsbiografie an. Elternzeit, Teilzeitbeschäftigung, geringfügige Beschäftigung führen zwangsläufig zu einer geringeren Rente. Väter oder Mütter, die wegen der Familienarbeit beruflich zurückstecken (meist die Mütter), sollten das Risiko kennen und Vereinbarungen treffen, um die Nachteile des Elternteils, das die Familienrolle ausübt, früh auszugleichen.

Das Gespräch führte Petra Lohse