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13.12.2016

Ein Insider blickt zurück

Im Oktober 1986 ging es Helmut Schröer und Georg Bernarding beinahe an den Kragen: Mit einem Mietwagen auf dem Highway zwischen der künftigen Partnerstadt Fort Worth und Dallas unterwegs, wurden sie von einer Polizeistreife wegen überhöhter Geschwindigkeit gestoppt. US-Cops verstehen bei derlei Vergehen bekanntermaßen wenig Spaß. Dem damaligen Trierer Wirtschaftsdezernenten Schröer und dem OB-Referenten Bernarding gelang es jedoch, die Gesetzeshüter zu besänftigen, indem sie sich als Repräsentanten der ältesten Stadt Deutschlands zu erkennen gaben. „So erklärten wir bewaffneten US-Polizisten die urbs opulentissima mit Porta Nigra, den Kaiserthermen und dem Amphitheater. Der Erfolg war eindeutig: Man ließ uns ohne beachtliche Geldstrafe weiterfahren, wir bedankten uns mit kleinen Bildbänden über Trier“, erinnert sich Helmut Schröer in seinem neuen Buch „Trierer Geschichten“, das vor kurzem im Paulinus Verlag erschienen ist.

In dem Band hat der frühere Trierer Oberbürgermeister in zwölf Kapiteln Ereignisse und Entwicklungen aus den letzten 35 Jahren zusammengetragen, die er selbst mitgestaltete und die Stadt geprägt haben. Die Themenpalette ist bunt und zeigt damit ganz nebenbei, wie vielfältig und überraschend das Aufgabengebiet eines Kommunalpolitikers sein kann. Ob Verehrer von Helmut Schmidt, Fans von Guildo Horn, Liebhaber des Weihnachtsmarkts oder treue Anhänger der Eintracht – es ist für (fast) jeden Trierer etwas dabei.

Anhand der Erweiterung des Hallenbads und des wegen des unerwarteten Abstiegs der Eintracht letztlich gescheiterten Neubaus des Moselstadions zeichnet Schröer nach, wie kommunalpolitische Entscheidungen begründet, vorbereitet, getroffen und umgesetzt werden. Die Perspektive eines Insiders und die zahlreichen Zitate aus Reden, Zeitungsartikeln, Briefen und Dokumenten verleihen den Geschichten ein hohes Maß an Authentizität. Der Gefahr, dass die Schilderung zu trocken wird, entgeht der Autor, indem er vielfach bisher unbekannte Episoden einstreut. So erfährt der geneigte Leser, wer die ersten „offiziellen“ Nussecken für Guildo Horn gebacken hat. Oder auch, dass der erste Weihnachtsmarkt 1980 beinahe auf dem Viehmarkt statt auf dem Hauptmarkt stattgefunden hätte.

Die Vorgeschichten des Weihnachtsmarkts und des Silvesterlaufs zeigen, wie aus einer Idee weniger Bürger beliebte Events entstanden sind, die aus dem Trierer Veranstaltungskalender heute nicht mehr wegzudenken sind. „Engagierte Bürger begründen die Qualität dieser Stadt“, schreibt Schröer.

Nell-Breunings Bescheidenheit

Ein berührendes Kapitel widmet Schröer seinen Begegnungen mit Oswald von Nell-Breuning und hebt dabei die charakteristische Bescheidenheit des bedeutenden Sozialethikers und Jesuitenpaters hervor. Als Nell-Breuning 1981 die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt verliehen werden sollte, habe der damals 91-Jährige das Angebot, ihn mit einem Dienstwagen der Stadtverwaltung von seinem Konvent in Frankfurt nach Trier zu chauffieren, strikt abgelehnt. Stattdessen habe der Gelehrte auf einer Anreise mit dem Zug bestanden, erinnert sich Schröer. Als ein ergreifendes Erlebnis schildert der Autor schließlich die Feier des 100. Geburtstags Nell-Breunings im März 1990, bei der der hochbetagte Jubilar seine Gäste mit einer freien Rede begeisterte.kig

  • Helmut Schröer, Trierer Geschichten, 168 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, Paulinus Verlag, ISBN 978-3-7902-1845-9.