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06.05.2022

Kapitalismus stößt an seine Wachstumsgrenzen

Ulrike Herrmann bei ihrer Trierer Rede in der Promotionsaula.
Ulrike Herrmann bei ihrer Trierer Rede in der Promotionsaula.

„Karl Marx und das Ende des Kapitalismus“ lautete der Titel der diesjährigen „Trierer Rede“, die von der renommierten Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann gehalten wurde. Was Marx bereits zu Lebzeiten korrekt vorausgesagt habe und inwiefern die britische Kriegswirtschaft ab 1939 ein Vorbild für ein Aussteigen aus dem gegenwärtigen Kapitalismus sein könne – das und vieles mehr erläuterte Herrmann.

Spätestens seit die Statue des großen Philosophen – ein Geschenk aus China – seit seinem 200. Geburtstag im Jahr 2018 auf dem Simeonstiftplatz steht, ist jedem Gast der Stadt klar, was die Einheimischen längst wissen: Karl Marx ist in Trier geboren. Doch wie steht es um die Kenntnis seiner Schriften? Ulrike Herrmann fragte das 140-köpfige Publikum, wer alles schon einmal in Marx‘ berühmtestem Werk „Das Kapital“ zumindest geblättert habe, woraufhin zahlreiche Hände nach oben schnellten. Auf die Frage, wer es denn komplett gelesen habe, ging dann nur noch eine Hand nach oben – die von Historiker Professor Lutz Raphael, im Übrigen derjenige, der die erste „Trierer Rede“ 2018 gehalten hatte. Für alle „Nicht-Leser“, bot Herrmann an, zentrale Gedanken von Marx zum Kapitalismus in ihrem Vortrag möglichst einfach und komprimiert zusammenzufassen – was ihr auch gelang.

Großkonzerne haben die Macht

Wie Herrmann erläuterte, war Marx der Erste, der die zentrale Rolle der Technik als Element, das den Kapitalismus vorantreibt, erkannte. Und die technische Entwicklung im 19. Jahrhundert war enorm: Eisenbahn, Fotografie, Schiffsschraube, Telefon und das Fahrrad sind nur einige der Dinge, die in diesem Jahrhundert erfunden wurden. Was der Philosoph geradezu visionär vorausgesagt habe, sei die Macht der Großkonzerne, die es zu seiner Zeit überhaupt noch nicht gab. In seiner Vorstellung würden diese die gesamte Wertschöpfungskette kontrollieren – und genauso sei es gekommen, wie Herrmann erklärte: „Weniger als ein Prozent der Firmen in Deutschland kontrollieren 68 Prozent des Umsatzes. Es gibt also eine enorme Konzentration.“ Natürlich gebe es viele kleine Firmen, doch deren Wertschöpfung sei nur gering.

Die Konzentration auf wenige „Big Player“ war in Marx‘ Vorstellung ein Vorteil, denn dann müsse man auch nur diese Wenigen entmachten, der Kapitalismus wäre beendet und der Weg in den Sozialismus frei. Bekanntlich kam es nicht so und der Kapitalismus ist uns bis heute erhalten geblieben. Aber: Ein Ende werde – so wie Marx es prophezeite – kommen, ist sich Herrmann sicher, aber eben anders als der gebürtige Trierer dachte. So übernimmt nicht eine proletarische Klasse die Macht, sondern dem Kapitalismus werde sein dringend benötigtes Wachtstum zum Verhängnis. Denn unendliches Wachstum sei in einer endlichen Welt nicht möglich. Wenn Rohstoffe und Natur knapp würden, stoße man an Grenzen. Bereits jetzt lebten die Deutschen so, als stünden ihnen drei Planeten zur Verfügung.

Wie geht es weiter?

Was also tun? Ein Konzept, das Herrmann vorstellte, ist das grüne Wachstum. Vereinfacht gesagt bleibt alles wie bisher, aber die Technik wird geändert. Stichwort: E-Autos, Sonnen- und Windenergie. Problem hierbei ist, dass die Öko-Energie nicht ausreicht,um die gegenwärtige Wirtschaft in ihrem Ausmaß am Laufen zu halten. Daher plädierte Herrmanns für ein Schrumpfen der Wirtschaft. Sie machte deutlich, dass in einer solchen Welt das Fliegen und private Autos nicht mehr möglich seien. Damit das Schrumpfen der Wirtschaft geordnet ablaufe, solle man sich an der britischen Kriegswirtschaft ab 1939 orientieren: Weil die Briten nicht auf den Krieg vorbereitet waren, mussten sie in kurzer Zeit sehr schnell aufrüsten. Die Wirtschaft wurde zugunsten des Militärs beschnitten. Laut Herrmann entwickelten die Briten eine Art „private Planwirtschaft“: Die Firmen waren privat, aber der Staat gab vor, was produziert wird und welches Unternehmen Arbeitskräfte bekommt. Zudem wurde alles rationiert. In der Folge führte dies zu weniger Ungleichheit im Land. „Das Ziel ist eine Kreislaufwirtschaft, in der wir nur soviel brauchen, wie wir produzieren können“, sagte Herrmann. Schaffe man den Ausstieg nicht auf einem geordneten Weg, übernehme dies der Klimawandel – mit katastrophalen Folgen. Klar für Herrmann ist: „In dem Moment, wo es kein Wachstum mehr gibt, haben wir den Kapitalismus verlassen.“ Marx habe also Recht damit gehabt, dass der Kapitalismus an sein Ende komme.

Björn Gutheil

Eine Aufzeichnung der Veranstaltung können Sie über YouTube anschauen.

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