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13.05.2008

Klimawandel am eigenen Leib erfahren

Oliver Lechtenfeld am Start der Expedition. Im Hintergrund liegt der Ort Isertoq.
Oliver Lechtenfeld am Start der Expedition. Im Hintergrund liegt der Ort Isertoq.
Von Ost nach West wollten sie das Inlandeis Grönlands durchqueren. 1100 Kilometer über ein nicht kartiertes Gebiet, außerhalb jeglicher Zivilisation. Herbert Seimetz und Oliver Lechtenfeld waren Anfang April zu ihrer Expedition „Artic Move“ aufgebrochen, nun sind sie wieder zurück in Trier. Nach einer dramatischen Reise, die auch anders hätte ausgehen können.    Am 3. April waren Seimetz und Lechtenfeld gestartet. Von Isertoq aus, dem letzten Stückchen Zivilisation vor dem Eis, zogen sie los. Die Temperaturen waren ungewöhnlich. „Es war viel zu warm, daher war der Schnee pappig und wir mussten richtig ackern, um voran zu kommen.“ Nach wenigen Tagen weckte sie nachts der „Eisbärenalarm“. Etwas zog am Zelt. Allerdings stellte sich der Lärm als aufziehender Sturm heraus. Zunächst kein Grund zur Besorgnis. Der Sturm, ein so genannter Pitoraq, wurde jedoch immer stärker, der Wind blies mehr als 200 Stundenkilometer schnell. 16 Stunden lang, ohne nachzulassen.

Brenzlige Situation

Am nächsten Morgen schien alles ruhig, doch kaum war das Zelt neu gesichert, zog ein weiterer Pitoraq auf. Der zweite Sturm war noch wesentlich heftiger, hielt das Team 24 Stunden im Zelt gefangen, zog mit immer mehr Kraft an den Zeltstangen. „Langsam wurde mir klar, die Sache wird brenzlig“, berichtet Seimetz. „Schließlich passierte der Super-Gau.“ Die Zeltstange brach, durch ein Loch in der Wand drang Schnee ein. Einer der Männer musste mit seinem Körper das Zelt stabilisieren, der andere den Schnee rausschippen. Sie konnten nichts essen, nichts trinken. Wegen des lärmenden Sturms war eine Verständigung kaum möglich. Bei dem heftigen Wind und der eisigen Kälte gab es draußen keine Überlebenschance. Doch sie hatten Glück: Das Zelt hielt und der Sturm legte sich. „Die Ruhe ist der Schlüssel zum Überleben“, sagt Seimetz im Nachhinein, der als erfahrener Extremsportler bereits mehrere brenzlige Situationen überstanden hat. „Da haben wir den Klimawandel wirklich am eigenen Leib erfahren.“  Zurück in Isertoq waren beide Männer  trotz der Geschehnisse entschlossen, sich ein neues Zelt zu besorgen, um bei guten Wetterbedingungen einen weiteren Versuch zu starten. Allerdings saßen sie zehn Tage lang in dem Örtchen fest. „Diese komplette Untätigkeit – das war der bitterste Moment. Es war ein Schock und eine große Enttäuschung“, berichtet Seimetz. Auch das Wetter wurde nicht besser, es blieb viel zu warm für die Jahreszeit. Doch „nach der Tour ist vor der Tour“, sagt Seimetz und hofft, bereits 2009 einen neuen Versuch zu starten. „Wir werden mit Ehrgeiz dranbleiben.“   Trotz der dramatischen Ereignisse sammelten die beiden Extremsportler während der Expedition Daten und sendeten diese nach Trier. Dreimal täglich nahmen sie Messungen vor und dokumentierten Temperaturen, Windgeschwindigkeiten und Luftdruck. An den beteiligten Schulen werden die Daten nun ausgewertet. „Das Schulprojekt ist auch für uns in den Vordergrund gerückt. Deswegen wir werden es weiter vorantreiben.“  Seit zwei Wochen sind die beiden Männer nun zurück in Deutschland. Hier hat sie der Alltag schon wieder ein wenig eingeholt, auch wenn die Erlebnisse und nicht zuletzt die Enttäuschung noch in Seimetz Gesicht zu lesen sind.  Oberbürgermeister Klaus Jensen, der die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen hatte, begrüßte Seimetz im Rathaus und bezeichnete „Arctic Move“ als faszinierendes Projekt. „Natürlich ist der Ausgang bedauerlich, aber ich freue mich sehr, dass Sie gesund wieder zurück gekommen sind“, so Jensen.