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25.05.2010

Schulentwicklung ganz oben auf der Agenda

Schuldezernentin Angelika Birk.
Schuldezernentin Angelika Birk.
Seit drei Monaten ist die 55-jährige Angelika Birk (Bündnis 90/Grüne) neue Bürgermeisterin der Stadt Trier und Dezernentin für Soziales, Jugend, Schule und Sport. Im Gespräch mit der Rathaus Zeitung (RaZ) zieht sie eine erste Zwischenbilanz.

RaZ: Erstmals seit langem sind die städtische Schul-, Jugend-, Sport- und Sozialpolitik wieder in einem Dezernat angesiedelt. Was sind
nach ihren ersten Erfahrungen die größten Vorteile?  

Birk: Es muss mehr Bildungsgerechtigkeit geschaffen werden. All das lässt sich unter einem Dach besser realisieren, als wenn man in getrennten Ressorts handelt. Die Kinder teilen sich ihr Leben ja auch nicht nach Institutionen auf: Schule, Jugendzentrum, Freizeit, zu Hause, sondern sie wollen den ganzen Tag etwas Interessantes erleben. Und Eltern wollen öffentlich geförderte Ganztagsbetreuung aus einem Guss, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu gewährleisten.

Wie ist Trier in der Sozialpolitik im Vergleich zu ihrer früherenHeimatstadt Lübeck aufgestellt?  

Der riesige Unterschied ist: In Lübeck lebt jedes dritte Kind von einem ALG II-Einkommen. In Trier haben wir glücklicherweise eine im Bundesdurchschnitt vergleichbar niedrige Erwerbslosigkeit, auch dank unserer Nachbarschaft zu Luxemburg. Die Träger von sozialen, kulturellen Angeboten sind in Trier gut vernetzt. Trotzdem gibt es in der Gemeinwesenarbeit noch viel zu verbessern, um allen Jugendlichen die Chance zu geben, einen guten Schulabschluss zu erreichen. Trier geht jetzt mit der Gesamtschulgründung den Weg, den viele Städte schon lange erfolgreich gegangen sind. Da sehe ich große Chancen. Die Stadt will außerdem mit dem Modellprojekt „Lernen vor Ort“ aufspüren, an welchen Schnittstellen Bildungsübergänge optimiert werden müssen. Ganz oben auf der Agenda steht für mich die Schulentwicklung. In den nächsten Monaten will ich mit breiter fachlicher und politischer Beteiligung Beschlüsse für den Haushalt 2011 und die kommenden Jahre vorbereiten. Im Vergleich zu Lübeck ist in Trier die Kita-Landschaft sehr viel weiter entwickelt. Ein großer Fortschritt für Kinder und Eltern ist der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Zweijährige ab kommendem August. Er stellt allerdings den Haushalt der Stadt vor große Herausforderungen. Trier ist außerdem bundesweit modellhaft in der Einführung des persönlichen Budgets für Menschen mit Behinderung, einer flexiblen Finanzierung für Alltagshilfen, die mehr Freiheit als herkömmliche Regelungen ermöglicht. Zudem hat Trier als attraktiver Hochschulstandort deutlich mehr Studierende als Lübeck. Das ist ein gro-ßer Pluspunkt für die Stadt.  

Welche besonderen Chancen bietet die kommunalpolitische Tätigkeit im Vergleich zur Landespolitik?

Mich reizt die Situation, etwas konkret umsetzen zu können, in engem Kontakt mit engagierten BürgerInnen und Bürgern aus Institutionen und Initiativen. Ich erfahre Trier täglich sehr wohltuend als Stadt der kurzen Wege.

Was waren die größten Herausforderungen in den ersten drei Monaten Ihrer Amtszeit?  

Zum einen: Wir haben ein Jahr Rückstand bei der Schulentwicklung im Vergleich mit dem Landkreis. Zum anderen: Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist angespannt und der Zustand vieler städtischer Wohnungen ist schlecht.

Welche konkreten Möglichkeiten hat das Rathaus, in Zeiten leerer Kassen die Situation der städtischen Wohnungen zu verbessern?

Es ist völlig klar, dass bei gesundheitsgefährdenden Zuständen in städtischen Wohnungen die Kommune verpflichtet ist, kurzfristig Ersatz bereitzustellen. Zum anderen brauchen wir ein strategisches Konzept, um aus der Wohnungsnotlage herauszukommen. Damit haben wir jetzt begonnen.  Gute, leicht zugängliche Bildungs-chancen und genügend Wohnungen in allen Preislagen sind entscheidend für die Zukunft der Stadt.

Welche konkreten Weichenstellungen stehen in der Schulpolitik neben der Weiterentwicklung des Konzepts bis zum Jahresende an?  

Im Juni laufen Gespräche in verschiedenen schulartspezifischen Fachrunden, um Entscheidungen für den Haushalt 2011 vorzubereiten. Ich bin sehr dankbar, dass der Stadtrat bis auf eine Stimme die Vorschläge des Stadtvorstands akzeptiert hat, die Kurfürst-Balduin-Hauptschule in Trier-West in eine integrative Realschule plus umzuwandeln und den Hauptschulen in Ehrang und Trier-Nord diese Option zu bieten. Integrativ heißt vor allem, dass Haupt- und Realschülerinnen und -schüler gemeinsam lernen. Ich hoffe, dass unsere Entscheidung beim Land Unterstützung findet, auch wenn diese Schulen aufgrund der demographischen Voraussetzungen nicht alle die Dreizügigkeit erreichen können.
 
Wie bewerten Sie die Arbeit der freien Träger in der Jugendhilfe im Vergleich mit anderen Kommunen?
 
Ich bin beeindruckt, dass es in einigen Bereichen, darunter der vorbildlichen Spielraumplanung, ein hohes Maß an Beteiligung der Kinder und Jugendlichen gibt. Das ist bedeutsam mit Blick auf das künftige Jugendparlament. Dafür habe ich mit den Vorgesprächen begonnen. Es ist mir wichtig, dass die Spielraumplanung schon beim Bauen tatsächlich beachtet wird.

Wie schätzen sie die Situation der wichtigsten Trierer Sportstätten ein?

Mit der Arena, die im Unterschied zu ähnlichen Anlagen in vielen anderen Städten schwarze Zahlen schreibt, dem Nordbad und dem grundsanierten Südbad gibt es Leuchttürme für den Sport. Dem gegenüber stehen sanierungsbedürftige Turnhallen und die zerstörte Eissporthalle, deren Sanierung und Unterhalt zu teuer für die Stadt sind. Ich will mit den Vereinen und Fraktionen klären, ob es für den Eissport in Trier Alternativen ohne einen großen städtischen Zuschussbedarf gibt. Sobald es bei der Schulentwicklungsplanung mehr Klarheit gibt, würde ich gern darauf aufbauend ein Sportentwicklungskonzept auf den Weg bringen.  

Wie fällt ansonsten ihr erstes Zwischenfazit nach drei Monaten aus?

Ich bin sehr dankbar, dass dringende Entscheidungen schnell getroffen werden konnten, so zum Beispiel die verschiedenen Sofortmaßnahmen angesichts der erneuten gesundheitsbelastenden Bauschäden in der Kita Trimmelter Hof. Die Hilfen waren nur möglich, dank des engagierten und unbürokratischen Handelns seitens der Stadt- und der Kreisverwaltung, der Erzieherinnen, der Eltern und der Lehrkräfte an der Grundschule Tarforst sowie der prompten Unterstützung der Handwerksbetriebe und aus den Universitäten in Trier und Mainz. Ich bin guten Mutes, dass wir auf diese Weise die Kita bald saniert haben.

Das Gespräch führte Petra Lohse