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16.01.2024

Der Herr über die Buchstaben

Der 80-jährige Horst Schlösser kalligrafiert einen Eintrag im Gästebuch der Stadt Trier.
Der 80-jährige Horst Schlösser kalligrafiert die Einträge im Goldenen und Gästebuch der Stadt Trier. Wichtig ist hierbei der Winkel, mit dem der Füller zum Papier steht.

Was haben der frühere Reichspräsident Paul von Hindenburg, Boxweltmeister Henry Maske, König Willem-Alexander und Königin Máxima der Niederlande, Moderatorin Verona Pooth sowie das Trierer Original Guildo Horn gemeinsam? Sie alle haben sich entweder in das Gästebuch oder das Goldene Buch der Stadt eingetragen. Zwei besondere Bücher, bei denen es sich lohnt, einen genauen Blick draufzuwerfen.

Besuchen Staatsgäste, Sportlerinnen, Sänger oder auch Könige Trier, werden sie vom OB und dem Stadtvorstand offiziell empfangen – im Rathaussaal oder auch in der Beletage im Palais Walderdorff mit unvergleichlichem Blick auf den Dom. Hierbei tragen sich die Gäste entweder in das Goldene Buch der Stadt oder in das Gästebuch ein. Das Gästebuch, das seit 1980 geführt wird, ist für berühmte Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen und Staatsvertreter vorgesehen. In das Goldene Buch tragen sich die obersten Repräsentanten eines Staates, offizielle Besucher bei hohen Anlässen, Ehrenbürgerinnen und -bürger und Trägerinnen und Träger des Ehrensiegels der Stadt ein. 

Das Goldene Buch wird seit 1930 geführt. Der erste Eintrag stammt vom damaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, der Trier am 11. Oktober 1930 besuchte. Auf die erste Seite im Gästebuch trug sich am 12. Oktober 1980 Ephraim Kishon, ein israelischer Satiriker, Journalist und Regisseur, ein. Im Lauf der Jahrzehnte verewigten sich zahlreiche Personen in den beiden Büchern.

Blättert man durch die beiden Bücher, und liest die Namen der Besucherinnen und Besucher, fallen die kunstvoll geschwungenen Buchstaben auf, aus denen diese gestaltet sind. Verantwortlich hierfür ist seit über 14 Jahren der Kalligraf Horst Schlösser. Seit 2009 kalligrafiert er ehrenamtlich die Einträge – bislang sind dies 43 im Goldenen und 87 im Gästebuch. Wichtig ist hierbei besonders eins, wie der 80-Jährige erklärt: „Der mit Tusche gefüllte Füller muss beim Schreiben in einem ganz bestimmten Winkel zum Papier stehen.“ Nachdem er die Einteilung der Buchstaben vorgenommen und sich den Text vorgeschrieben hat, geht es ans Schreiben. Im Schnitt brauche er rund eine halbe Stunde, je nach Menge kann es aber auch schon mal länger dauern, erläutert der gelernte Werbetechniker, dessen schöne Handschrift bereits während seiner Schulzeit auffiel. Doch was tut er, wenn er sich einmal verschreibt? Löschen oder ausradieren auf dem hochwertigen Büttenpapier funktioniert nicht. „Dass ich mich verschreibe, kommt sehr selten vor. Wenn es passiert, kratze ich den falschen Buchstaben mit einer Art Skalpell weg“, erklärt er. 

Schlösser schätzt seine Tätigkeit für die Stadt: „Die Bücher sind eine Art Geschichte der Stadt. Es ist schön, daran mitarbeiten zu können.“ Seine Heimatliebe zu Trier spürte der 80- Jährige sein ganzes Leben. Auch nach vielen Aufenthalten während seiner Bundeswehrzeit in anderen Städten und sogar in den USA in den 1960er- Jahren, war für ihn immer klar, nach Trier zurückzukehren. „Ich würde Trier nie verlassen“, sagt Schlösser, der in der Neustraße lebt. Auf die Frage, ob er denn gerne jemanden kennengelernt hätte, der oder die sich in eins der Bücher eingetragen hat, antwortet Schlösser direkt: „Ephraim Kishon. Das war ein interessanter Mann.“

Björn Gutheil