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10.11.2009

Wo die Drehleiter nicht hinkommt

Volle Konzentration: Den Blick über Trier können Sascha Feltes (links) und Christoph Webel bei ihrer Rettungsübung nicht genießen.
Volle Konzentration: Den Blick über Trier können Sascha Feltes (links) und Christoph Webel bei ihrer Rettungsübung nicht genießen.
Mit 45 Metern ist das Hotel am Verteilerkreis eines der höchsten Gebäude in Trier und somit ideales Übungsobjekt für die Höhenretter der Berufsfeuerwehr. Mike Leinen, Sascha Feltes, Christoph Webel und Marc Raßkopf haben auf dem Flachdach des Gebäudes ihren Stützpunkt eingerichtet. Mehrere Stunden lang üben sie das Abseilen aus großer Höhe. Mal allein, mal zu zweit, um die Personenrettung zu simulieren. Mit den Füßen stoßen sie sich an der senkrechten Hauswand ab und lassen das Lastseil langsam durch die an ihrem Gürtel befestigten Karabiner laufen.

„Dieser kurze Moment, in dem man sich ohne Sicht nach hinten fallen lässt und das Seil noch nicht voll gespannt ist, kostet immer wieder Überwindung“, sagt Mike Leinen. Das ist auch gut so, denn zu viel Routine wäre gefährlich. „Man muss alle Sicherungen mindestens zweimal checken“, betont Christoph Webel.

Bevor die Abseilübung beginnt, befestigen die Männer eine Bandschlinge, die auf ein Gewicht von bis zu fünf Tonnen ausgerichtet ist, an einem Stahlträger. Dieser „Anschlagpunkt“ bietet sicher genug Stabilität. Operiert wird immer mit zwei Seilen: einem statischen Lastseil und einem elastischeren Sicherungsseil für den Notfall. Während des Abseilens muss stets Blick- oder zumindest Funkkontakt mit den Kameraden auf dem Dach bestehen.

72 Übungsstunden pro Jahr sind für die Höhenretter vorgeschrieben. Zum Einsatz kommen sie immer dann, wenn die Reichweite der Drehleiter nicht mehr ausreicht oder die Unglücksstelle schwer zugänglich ist. Neben hohen Gebäuden kommen Kräne, Felsen oder Bäume als Einsatzort in Frage. Sascha Feltes erinnert sich an einen Einsatz in der Paulinkirche: „Der Organist hatte im Glockenturm einen Herzinfarkt erlitten. Wir konnten ihn schließlich durch einen Schacht abseilen.“

Einmal im Jahr üben die Trierer Höhenretter zusammen mit Kollegen aus anderen Städten auch an dem 200 Meter hohen Sendemast bei Schoden. In einem Mini-Fahrstuhl geht es über die Wipfel der Bäume hinaus auf die Plattformen in 60 und 100 Meter Höhe. Die Stahlträger des Gittermasts bieten gute Anschlagpunkte für die Seile. Dennoch bedeutet das Abseilen an diesem höchsten Übungsobjekt der Region eine besondere Mutprobe. „Wenn dann noch dichter Nebel herrscht, wie ich es erlebt habe, sieht man unter sich gar nichts mehr“, beschreibt Christoph Webel die klaustrophobische Situation.

„Alle Höhenretter haben die Ausbildung zum Rettungsassistenten absolviert und können verunglückten Personen fachmännisch Erste Hilfe leisten“, betont Sascha Feltes. Schwer Verletzte werden in einer so genannten Schleifkorbtrage befestigt und mit dem Retter zusammen abgeseilt. So ein Einsatz ist körperlich sehr anstrengend, zumal die Ausrüstung mit Helm, Stiefeln, Overall und diversen Klettergeräten um die 15 Kilo schwer ist.

Der Nachwuchs für die Trierer Höhenretter ist vorerst gesichert. Zur Zeit werden sechs „Neue“ ausgebildet. Sie müssen zunächst Vertrauen zum Material – neben den Seilen zählen dazu auch viele verschiedene Karabiner – aufbauen und werden Schritt für Schritt an immer größere Höhen gewöhnt.