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17.01.2017

Aus Nachbarn wurden Unterdrücker

Propagandaplakat der deutschen Besatzer zur unterdrückung der luxemburgischen Sprache
Auch mit brachialer Propaganda versuchten die deutschen Besatzer, das Großherzogtum zu germanisieren und die luxemburgische Sprache zu unterdrücken. Abbildung: Musée Nationale de la Résistance
Der 10. Mai 1940 war ein schwarzer Tag für Luxemburg: Dem Überfall der deutschen Wehrmacht hatte der Kleinstaat nichts entgegenzusetzen. In den nächsten viereinhalb Jahren stand Luxemburg unter deutscher Besatzung. Ziel der Nationalsozialisten war es, das Nachbarland notfalls unter Zwang zu „germanisieren“. Widerstandsgruppen wurden rücksichtslos verfolgt.

Ein wichtiger Teil dieses Unterdrückungsapparats war das Einsatzkommando der Gestapo. Dessen Geschichte dokumentiert die Ausstellung „Gestapo-Terror in Luxemburg – Verwaltung, Überwachung, Unterdrückung“, im Foyer des Palais Walderdorff, ein Gemeinschaftsprojekt des Musée national de la Résistance in Esch, der Universität Trier und des Vereins NS- Familien-Geschichte. In Trier wird damit die von der Volkshochschule, der Katholischen Hochschul- und der Evangelischen Studierendengemeinde jährlich organisierte Ausstellungsreihe zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar fortgesetzt.

Zwangsrekrutierung und Streik

Neben den Organisationsstrukturen des Gestapo-Einsatzkommandos in Luxemburg, das eng mit der Staatspolizeistelle in Trier verflochten war, und den Biographien einzelner Protagonisten vermittelt die Ausstellung auf Schautafeln mit informativen Texten und zahlreichen Bilddokumenten auch eine Geschichte des luxemburgischen Widerstands. Ein wichtiges Datum ist der 30. August 1942: An diesem Tag verkündete Gauleiter Gustav Simon die Zwangsrekrutierung aller 18- bis 22-jährigen Luxemburger zur Wehrmacht. Widerstandsgruppen riefen daraufhin zum Streik auf, dem sich unter anderem 2000 Arbeiter im Stahlwerk Schifflingen anschlossen. Die Gestapo reagierte mit brutaler Härte: 20 willkürlich festgenommene Personen wurden Anfang September in der Nähe des KZ Hinzert, in dem zahlreiche luxemburgische NS-Gegner inhaftiert waren, erschossen. Insgesamt fielen 5700 Luxemburger dem Krieg und dem NS-Regime zum Opfer, darunter 2500 Juden. 1945 begann die Aufarbeitung der Besatzungszeit mit Prozessen gegen Gestapobeamte und Kollaborateure, die ebenfalls in der Ausstellung dargestellt werden.

In ihren Grußworten zur Ausstellungseröffnung betonten OB Wolfram Leibe und sein Vorgänger, der jetzige luxemburgische Honorarkonsul Klaus Jensen, die Unverzichtbarkeit einer auf gründlich recherchierten Fakten basierenden Erinnerungskultur. „Es besteht sonst immer die Gefahr, in alte Muster zurückzufallen, wie man leider aktuell in Europa sieht“, sagte Leibe. Jensen hob hervor, wie schnell Luxemburg nach dem Krieg den früheren Besatzern die Hand zur Versöhnung reichte, während man sich auf deutscher Seite mit dem Bekenntnis zur eigenen Vergangenheit zunächst schwer tat. Als Beispiel verwies Jensen auf den langwierigen Kampf um eine Gedenkstätte im KZ Hinzert. Heute verbinde beide Länder eine „selbstverständliche Freundschaft“. „Angesichts dessen müssen wir uns darauf besinnen, gemeinsame Werte wie Freiheit und Toleranz, die heute wieder auf dem Spiel stehen, zu verteidigen“, appellierte Jensen.

Private Recherche als Basis

Einblicke in die Entstehung der Ausstellung gab der Historiker Dr. Thomas Grotum von der Universität Trier in seinem Einführungsvortrag: Ideengeberin war Katrin Raabe, die aus einem privaten Interesse über die Tätigkeit ihres Großonkels Friedrich Schmidt bei der Gestapo recherchierte. Wie sich herausstellte, war Schmidt einer der höchsten Gestapobeamten in Luxemburg und gehörte zum berüchtigten „Verhörkommando“ in Hinzert. Das von Raabe zusammengetragene Archivmaterial bildete die Grundlage für die Ausstellung. Am Donnerstag, 19. Januar, 18 Uhr, VHS, präsentiert sie ihre Forschungsergebnisse in dem Vortrag „Der Wahrheit auf der Spur – mein Großonkel war bei der Gestapo“.