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13.08.2019

Zu Besuch in Napoleons Trier

Besuch in der Bäckerei der Historischen Spielstadt.
Oberbürgermeister Wolfram Leibe langt beim französischen Kleingebäck in der Spielstadt an den Kaiserthermen gerne zu.
Die mobile Spielaktion baut seit über 25 Jahren eine Stadt an den Kaiserthermen auf, die von Kindern regiert wird. In diesem Jahr konnten die Kleinen unter dem Titel „Als Trier französisch war…" das Leben im napoleonischen Zeitalter entdecken.

Mit einem herzlichen „Bonjour" begrüßt Madame Recking, Gattin des um 1800 lebenden Trierer Bürgermeisters, den 2019 amtierenden Oberbürgermeister Wolfram Leibe an der Pforte zur historischen Stadt an den Kaiserthermen. Madame Recking nennt sich außerhalb der Spielstadt Sandra Rouhi und schlüpft als Mitarbeiterin der mobilen Spielaktion seit Jahren in unterschiedliche Rollen, um die Kinder in den Alltag vergangener Jahrhunderte zu entführen. Dabei steckt sie in einem Dilemma: „Man möchte ja gerne zeigen, was man so macht. Aber unsere Plätze sind begrenzt und deshalb behandeln wir die Stadt eher als Geheimtipp." 130 Kindern wird täglich Eintritt gewährt. Eine Anmeldung ist nicht möglich, weshalb sich seit dem 21. Juli immer gegen 10 Uhr eine Schlange vor den Toren bildet. Wer zu spät kommt, kann nicht mehr teilnehmen.

Der Geheimtipp bietet eine Stätte zum Spielen und Eintauchen, vor allem aber zum Erlernen gemeinschaftlicher Verpflichtungen. Bereits in der ersten Station, die Madame Recking dem OB zeigt, geht es ans Eingemachte: In der Mairie finden sich alle zentralen Dienste der kommunalen Verwaltung unter französischer Herrschaft wieder – auch die Erhebung der Steuern, wie Finanzdezernent Leibe schmunzelnd betont.

Spiel und Verantwortung

In den meisten anderen Häusern des französischen Triers geht es hingegen praktischer zu. Körbe werden geflochten und Zylinder gemacht. Es gibt einen Lederer, eine Schneiderei und sogar eine Buchbinderei. Auch die Presse ist vor Ort vertreten und erarbeitet die nächste Ausgabe ihrer deutsch- und französischsprachigen Publikation, die an diesem Mittwoch mit einem Exklusivinterview mitNapoleon Bonaparte aufmacht. Sandra Rouhi betont: „Zeitungen wurden früher grottenschlecht übersetzt und wenn das bei uns auch so ist, bleiben wir authentisch."

Als zwei Kinder um Punkt 12 Uhr mit einer Glocke durch die Straßen ziehen und die Uhrzeit verkünden, wird deutlich, wie gut ihnen die Mischung aus historischem Spiel und Verantwortung gefällt. Einige scheinen gar nicht genug zu bekommen, wie der aus Trier stammende Kaffeehausleiter, der bereits seit über zehn Jahren teilnimmt und zwischenzeitlich eine Meisterausbildung absolviert hat, was ihn dazu berechtigt, die anderen Kinder anzuleiten. Umso bedeutender wiegt das Abschiedsgeschenk, das sich die Kinder für den OB überlegt haben: eine notarielle Beurkundung seiner Einwohnerschaft mit dem Recht, jederzeit in die historische Stadt zurückzukehren.

Matthias Anders