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04.04.2006

"Wir sind nicht dazu da, bequem zu sein!"

Rechenschaftsbericht Lokale Agenda 21

Ein Projekt der LA 21: „Stadtkinder“ erleben den Begriff nachhaltiges Wirtschaften bei der Kartoffelernte. Foto: Lokale Agenda
Ein Projekt der LA 21: „Stadtkinder“ erleben den Begriff nachhaltiges Wirtschaften bei der Kartoffelernte. Foto: Lokale Agenda
Seit 1999 engagiert sich der Verein Lokale Agenda 21 Trier mit finanzieller Unterstützung des Rathauses unter dem Motto „Global denken – lokal handeln“ für eine auf die Zukunft ausgerichtete, nachhaltige Entwicklung der Stadt und der Region in allen Lebens-, Politik-, Verwaltungs- und Wirtschaftsbereichen. Er führt die schon Anfang der 90er Jahre im Rahmen der Stadtmarketingdiskussion „Zukunft Trier 2020“ begonnenen zukunfts- und bürgerorientierten Ansätze gemeinsam mit anderen Akteuren weiter. Anlässlich der Behandlung der Rechenschaftsberichte für die Jahre 2003 und 2004 im Steuerungsausschuss sprach die RaZ mit Hans Harwardt, Vorsitzender des Vereins Lokale Agenda 21 Trier.

RaZ: Der Verein engagiert sich in den Bereichen Ökonomie, Ökologie und auch im sozialen Bereich. Haben Sie keine Angst, sich zu verzetteln?

Harwardt: Grundsätzlich nein, denn bei diesen drei Bereichen handelt es sich um das sogenannte „magische Dreieck“ der nachhaltigen Entwicklung – dem zentralen Leitbild der Lokalen Agenda 21. Es ist unser Ziel, Projekte zu kreieren oder zu unterstützen, in denen die sinnvolle Verknüpfung von ökologischen und sozialen Notwendigkeiten verfolgt wird und gleichzeitig Wege zur wirtschaftlichen Machbarkeit beziehungsweise zur Stärkung der regionalen Ökonomie entwickelt werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist unsere Unterstützung der Schulhofgruppe in Zewen, die sich im Anschluss an die von uns moderierte Bürgerbeteiligung in Zewen gebildet hat. Die Umgestaltung des Schulhofes soll der Vorbeugung von Unfallgefahren und der Förderung des sozialen Klimas an der Schule dienen. Es ist jedoch festzustellen, dass nach der Aufbauphase des Vereins verschiedene Aktivitäten einer kritischen Überprüfung (Aufgabenkritik) unterzogen werden müssen. Durch die Begrenzung der personellen Kapazität und der zur Verfügung stehenden Mittel müssen betriebswirtschaftliche Überlegungen stärker in den Vordergrund treten.

In allen Themenfeldern gibt es bereits andere Initiativen, die ähnliche Ziele verfolgen. Nicht jedes Rad muss neu erfunden werden. Nutzen Sie die hier in der Region vorhandenen Potenziale?

Unbedingt, denn jeder Agenda-Prozess lebt von der Vernetzung und deshalb zählt dies auch zu den Kernaufgaben unseres Vereins. Direkt nach Einrichtung unserer hauptamtlich besetzten Geschäftsstelle im Jahr 2000 haben wir mit dem Aufbau unseres „LAUNE“-Netzwerkes (Lokale Agenda 21-Unternehmung-Netzwerk) begonnen, das an die 90 Organisationen aus den unterschiedlichsten Bereichen umfasst. Wir verstehen die Netzwerkarbeit als Geben und Nehmen. Uns verbundene Einrichtungen profitieren oft auch von unserer Öffentlichkeitsarbeit, zum Beispiel unserem ganz neuen Internetratgeber für zukunftsfähige Lebensstile, dem „Lifeguide-Trier“. Die Durchführung des Zukunfts-Diploms für Kinder, unserem Vorzeigeprojekt der letzten Jahre, wäre undenkbar ohne die Mitwirkung vieler Beteiligter. In diesem Jahr sind es allein 57 Organisationen. Wünschenswert wäre eine engere Zusammenarbeit etwa mit der City-Initiative, der Initiative Region Trier e.V. und den kommunalen Gebietskörperschaften der Region.

Wo sehen Sie die Schwerpunkte ihrer Arbeit, haben die sich im Laufe der Zeit verändert und was streben Sie für die zukünftige Arbeit an?

Im Bereich Soziales gibt es ein sehr wichtiges Element nachhaltiger Entwicklung: die Partizipation der Bevölkerung an der Entwicklung ihres Lebensumfeldes. Deshalb legte unser Verein von Anfang an einen Schwerpunkt auf die Organisation und Moderation von Bürgerbeteiligung. Frühestes Beispiel ist unsere Befragungsaktion zur Kornmarktumgestaltung aus dem Jahr 2000, jüngster Beleg für unser Engagement in diesem Bereich ist die Bürgerbeteiligung „Grün in der Stadt“, die wir im letzten Jahr zusammen mit dem Grünflächenamt durchgeführt haben. Gleichbleibend stark ist unser Verein auch im Feld der Öffentlichkeitsarbeit, die wichtig für die Bewusstseinsbildung ist: Jeder von uns kann und soll schließlich seinen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Region Trier leisten. Im Laufe der Jahre ist eine gewisse Konsolidierung eingetreten. Wir richten unsere Arbeit zunehmend projektorientiert aus, um durch Werkverträge, öffentliche Zuschüsse, Spenden usw. die notwendige Finanzierung unserer Geschäftsstelle zu ermöglichen.

Unisono haben alle Fraktionen die Arbeit des Vereins sehr gelobt. Bekommen Sie auch bei der alltäglichen Arbeit so viel (politische) Unterstützung oder könnte es da doch noch ein bisschen besser laufen?

Diese Frage ist so einfach nicht zu beantworten. Generell sind wir sehr dankbar für das politische Wohlwollen über alle Fraktionen hinweg, das unserem Verein spürbar entgegen gebracht wird. Andererseits haben wir oft das Gefühl, trotz vieler Erfolge unserer Arbeit die nachhaltige Entwicklung der Region noch nicht entscheidend voran gebracht zu haben. Noch immer werden die Potenziale bei der Nutzung erneuerbarer Energien bei weitem nicht ausgeschöpft, noch immer ist der Verkehr in Trier nicht optimal im Sinne vom Klimaschutz geregelt usw. Unsere Aufgabe ist es, solche und andere Themen immer wieder anzumahnen. Der Trierer Agenda-Verein ist nicht dazu da, bequem zu sein.

Die gute „Nachhaltigkeitsfee“ will dem Verein einen Wunsch erfüllen. Wie sähe der aus?

Der Verein wünschte sich eine nachhaltige Region Trier mit all den eben genannten Aspekten. Dann wäre unser Verein wahrscheinlich überflüssig, denn Verwaltung, Politik und Bevölkerung hätten die „Nachhaltigkeit im Blut“ und würden automatisch entsprechend handeln. Weil dieser Wunsch zugegebenermaßen aber sehr groß und visionär ist, wünscht sich der Verein finanzielle Sicherheit für die kommenden Jahre, eine stärkere Einbindung von Bürgern und Bürgerinnen sowie Institutionen als Mitglieder in den Verein, um auf einem breiten Fundament die nachhaltige Entwicklung der Region Trier weiter voran zu bringen.

Das Gespräch führte Ralf Frühauf

 
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