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16.06.2015

Der stille Star

In gut vier Wochen schuf Nicklas Ulmar das 20 Quadratmeter große Bühnengemälde zur Oper "La clemenza di Tito". Verwendet wurden spezielle Farben, die sehr wenig glänzen, so dass es keine Reflexionen im grellen Bühnenlicht gibt. Foto: Theater
In gut vier Wochen schuf Nicklas Ulmar das 20 Quadratmeter große Bühnengemälde zur Oper "La clemenza di Tito". Verwendet wurden spezielle Farben, die sehr wenig glänzen, so dass es keine Reflexionen im grellen Bühnenlicht gibt. Foto: Theater
Die Musik von Wolfgang Amadeus Mozart, die Vorlage von Pietro Metastasio, die Inszenierung von Nina Kühner, die musikalische Leitung unter Joongbae Jee, die Dramaturgie von Dr. Peter Larsen, die Kostüme von Claudia Caséra, das Bühnenbild von Hanna Zimmermann und im Hintergrund – das Bild als stiller Star. Entstanden ist das Bühnengemälde zur Oper „La Clemenza di Tito“ im Malsaal des Theaters – 20 Quadratmeter groß, ein echter Hingucker, ein Gigant in Farben.

Immer wieder kletterten Thomas Büning und Nicklas Ulmar im März und April die steile Stiege zur kleinen Empore oberhalb des großen Malsaals hinauf. Dort steht der quadratische Tisch mit zwei Stühlen, nebenan die Kaffeemaschine. Doch das Getränk aus braunen Bohnen interessierte Büning und Ulmar höchstens in den ohnehin seltenen Pausen. Sie mussten Abstand gewinnen. Schauen, prüfen, korrigieren. Meter unter ihnen auf dem Boden lag ihr Werk, das große Bühnenbild für die Mozart-Oper „La Clemenza di Tito“. Über mehr als vier Wochen hinweg wuchs es auf der riesigen Leinwand aus leichtem Baumwollstoff. Solange war Ulmar mit dem Malen beschäftigt: Aus den ersten Skizzen in schwarzen Strichen wurden voluminöse Renaissance-Figuren, die weißen Flächen der Leinwand füllten sich peu à peu mit leuchtenden Farben.

Das Vorbild lieferte Raffaels Fresko von der „Schlacht an der Milvischen Brücke“ aus den Stanzen im Apostolischen Palast des Vatikans. Die Schüler des Renaissance-Genies, darunter Giulio Romano, schufen das Werk, das den Sieg des römischen Kaisers Konstantin über dessen Widersacher Maxentius im Jahre 312 verherrlicht. „In hoc signo vinces“ soll ein leuchtendes Kreuz über dem römischen Himmel Konstantin vor der Schlacht signalisiert haben – „In diesem Zeichen wirst Du siegen!“ Die Verbindung zu Trier liegt auf der Hand: Konstantin erwählte das „Rom des Nordens“ als Residenz. Konstantins Mutter Helena ist die Schutzpatronin der Stadt. Anders als in Raffaels Original fehlen jedoch die christlichen Symbole im großen Bühnenbild des Trierer Malsaals. Schließlich lebte Kaiser Titus, der Held aus Mozarts Oper, rund 200 Jahre vor Konstantin. Das Kreuz sparten sich Ulmar und Büning also. Ansonsten gleicht ihr Werk dem historischen römischen Vorbild aber wie ein Ei dem anderen.

Die Leinwand, die aus Brandschutzgründen imprägniert wurde, besteht aus Baumwollstoff. Der ist leichter als Leinen. Gemalt wurde mit Dispersionsfarben auf Basis von Kunstharz. Die speziellen Farben besitzen den Vorteil, dass sie sehr wenig glänzen. Das verhindert ungewollte Reflexionen im grellen Bühnenlicht. „Die Zuschauer werden so eben nicht gestört“, sagt Ulmar.

Über vier Wochen malte er am Titus-Bild. Alle anderen Arbeiten – etwa die Vorbereitungen für die Premiere von „Othello Reloaded“ in der Bobinet-Halle – liefen parallel. Improvisation und Flexibilität sind im Malsaal tagtäglich gefragt. Denn die insgesamt drei Mitarbeiter teilen sich nur zweieinhalb Planstellen. So ist auch Büning mehr Mädchen für alles denn Chef der kleinen Gruppe. Der 48-jährige Leiter des Malsaals stammt aus Osnabrück. Im September sucht er beim Staatstheater in Nürnberg eine neue Herausforderung. Fünf Jahre war Büning dann in Trier. „Künstler brauchen hin und wieder Veränderungen“, sagt er. Was dann mit dem Titus-Bild geschieht, wird Büning nur noch aus der Ferne mitbekommen. „Vielleicht verschwindet es im Prospektlager“, sagt Ulmar, der aus der Nähe von Kassel stammt und seit dem Winter in Trier ist. Doch sicher ist es nicht, dass das Werk des 40-jährigen Theatermalers neben dem Magazin eingelagert wird. „Vielleicht geht es auch den Weg alles Irdischen“, erklärt Büning. Soll heißen: Das Bild wird vernichtet, sollte sich nicht etwa ein Käufer finden. Anders als Raffaels Fresko in den römischen Stanzen sind auch die schönsten Bühnenbilder eben nicht für die Ewigkeit. Auch das ist Alltag im Malsaal. „Und auch das gehört beim Theater dazu“, sagt Büning trotz der vielen Arbeit ohne Wehmut.