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26.01.2010

Freie Stadtluft für 22 Goldgulden

Verblüffende Parallelen zu heutigen Einwanderungsdebatten zeigt das von Prof. Dr. Richard Laufner und Jean-Claude Muller in der Stadtbibliothek vorgestellte „Trierer Neubürger-Buch“ auf. Die reich illustrierte Studie mit ausführlichen Quelleneditionen arbeitet die Einwanderung von 1001 Neubürgern zwischen 1570 und 1639 auf.

„Bürgermeister, Schöffen und Rat der Stadt Trier haben betracht, dass nyt alsovil Inwoner in der Stadt Trier syn, als noit ist“, zitiert Laufner in dem Buch eingangs die Verordnung des Stadtmagistrats vom 9. März 1504. Dieser moniert, dass nicht so viel Einwohner wie nötig in Trier sind. Ähnliche Zitate lassen sich auch in aktuellen bevölkerungspolitischen Debatten finden.

Entlassung aus Leibeigenschaft

Die Zuwanderung nach Trier mit damals 5 500 Einwohnern war zwar erwünscht, aber weder ein einfaches noch ein billiges Unterfangen. Leibeigene mussten für bis zu zehn Goldgulden den „Abschied“, das heißt die Entlassungsurkunde aus der Leibeigenschaft, aufbringen. Dazu kam die Urkunde über eheliche, katholische Geburt und ein positives Leumundszeugnis. Als Aufnahmegebühr kamen zwölf Goldgulden hinzu, bei Heirat mit einer ortsansässigen Tochter oder Witwe waren es sechs. Im „Bürgereid“ verpflichteten sich die Neu-Trierer zu Feuerwehrdiensten und zur Verteidigung der Stadt.

Die Lektüre der Neubürger-Einträge zeigt: Kaum jemand konnte die Aufnahmegebühr von zwölf Goldgulden sofort zahlen, viele stotterten sie über Jahre mühsam ab. Die Kosten von „Abschied“ und Aufnahme entsprachen etwa dem Wert eines kleinen Hauses. Die Neubürger entstammten meist unteren Schichten:  kleine Bauern und Winzer, Tagelöhner, Bauhandwerker, Fuhrleute und Dienstboten.

Die Gründe der Zuwanderung waren heutigen Immigrationsmotiven durchaus verwandt: Die Neubürger erhofften sich angesichts oft existenzieller Armut ein besseres Leben. Der mittelalterliche Rechtssatz „Stadtluft macht frei“ war ein weiteres Motiv, aber auch die Hoffnung auf Schutz vor marodierenden „Freibeutern“. Die heimliche illegale Einwanderung war verboten. Das wirkte aber nicht abschreckend, wie zahlreiche Ein-
träge belegen.

Die Quellenedition des „Burgerregisters“ im Stadtarchiv haben Laufner und Muller in buchstabengetreuer „holistischer“ sowie in normalisierter Fassung dargestellt. Das erlaubt es auch, das für Laien sonst kaum entzifferbare „Burgerregister“ zu lesen. Das grenzüberschreitende Buchprojekt von Richard Laufner, bis zu seiner Pensionierung 1981 Bibliotheks- und Archivdirektor in Trier, und Jean-Claude Muller, früherer Leiter der Luxemburger Nationalbibliothek, setzt die lange Tradition der Verbindungen zwischen beiden Städten fort.
  • Richard Laufner und Jean-Claude Muller, Das Trierer Neubürger-Buch (1570-1617/1639), Band XXI der „Collection Les Amis de l’Histoire - Luxembourg“, 288 Seiten, zahlreiche Illustrationen, Luxemburg 2009, ISBN 978-2-929884-21-2; 34 Euro.