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15.08.2017

Sprung ins kalte Wasser zum Akademie-Start

Bei einem Kurs zur Fotoradierung im früheren Akademiegebäude Martinerhof prüft Dozentin Ruth Clemens mit Teilnehmern ein Arbeitsergebnis.
Bei einem Kurs zur Fotoradierung im früheren Akademiegebäude Martinerhof prüft Dozentin Ruth Clemens (Mitte) mit Teilnehmern ein Arbeitsergebnis. Die Aufnahme entstand 1978. Foto: Archiv EKA
Mit einem vielfältigen Jubiläumsprogramm feiert die Europäische Kunstakademie in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag. Als einzige Dozentin ist die 1953 geborene Künstlerin Ruth Clemens seit dem Start dort tätig und blickt im Interview mit der Rathaus Zeitung (RaZ) auf die vergangenen Jahrzehnte zurück.

RaZ: Wie ergab sich 1977 der Kontakt zur Kunstakademie für Sie als junge Künstlerin?

Ruth Clemens: Damals hatte ich gerade meinen Abschluss für Grafik-Design an der FH Trier gemacht. Während des Studiums habe ich mit zwei Kommilitonen ein Praktikum an der Sommerakademie in Luxemburg gemacht und lernte dort Erich Kraemer, den späteren Gründer der Trierer Kunstakademie, und weitere Künstler kennen. So entstand ein Kontakt und ich habe mich am Aufbau der Trierer Akademie beteiligt.

Hatten Sie damals schon Erfahrungen in der Kunstvermittlung oder war es der berühmte Sprung ins kalte Wasser?

Es war der Sprung ins kalte Wasser. Ich hatte zunächst keine Dozentur, sondern war Assistentin in verschiedenen Kursen. Das Ganze war in dieser Pionierzeit noch nicht so perfekt durchorganisiert wie heute. Ich konnte viele Erfahrungen sammeln. Diese Phase war schon ziemlich aufregend. Uns stand im damaligen Gebäude am Martinerhof deutlich weniger Platz zur Verfügung als heute. Die Radierwerkstatt war unterm Dach untergebracht und wurde mitbenutzt von den Objektkünstlern. Es musste immer wieder improvisiert werden. Heute wäre das in dieser Form gar nicht mehr möglich, auch weil die Kursteilnehmer eine andere Anspruchshaltung haben.

Waren die älteren Dozenten Lehrmeister für Sie?

Ja, auf jeden Fall. Dazu gehörten neben Kraemer auch Dieter Sommer und Rüdiger Kündgen. Man hat nicht nur zusammen unterrichtet oder zugeschaut und anders als heute auch noch den Abend zusammen in einer Kneipe verbracht. In Pallien sind wir oft in das Gasthaus „Zum Lämmchen“ gegangen. Die Wirtin Aline war ein Original. Außerdem gab es im Hof der Akademie eine improvisierte Kneipe, als Wohnzimmer ohne Dach.

Hat sich das Spektrum Ihrer Kurse im Laufe der Jahre verändert?

Radierung habe ich von Anfang an unterrichtet. Irgendwann musste ich dann einspringen im Bereich Aquarell/Landschaftsmalerei. Das wurde dann immer wieder nachgefragt. So habe ich diese Kurse jahrelang angeboten und draußen unterrichtet. Für mich hatte ich allerdings längst die Freie Malerei entdeckt. So entstand dann die Nachfrage nach Malkursen, die ich bis heute anbiete.

Von den Dozenten wurde also immer wieder Flexibilität gefordert?

Das stimmt. Es brauchte eine gewisse Lebendigkeit, Unbekümmertheit und Freiheit. Heute wäre das so nicht mehr möglich. Es gab auch sehr viel Eigeninitiative, ohne groß zu fragen. Wir brannten schon ein bisschen für die Sache.

Ist das ein Grund, warum Sie schon seit 40 Jahren als Dozentin arbeiten?

Ich denke schon. Man hat zwar keine Garantie, dass man immer arbeiten kann, aber durch die Einnahmen einen Grundrahmen für die Tätigkeit als freischaffender Künstler. Wenn man so lange dabei ist, hat man eine Gruppe von Teilnehmern, die einen begleitet. Das ist für mich auch eine Motivation, als Dozentin noch bis zum nächsten Jahr durchzuhalten.

Wie haben sich Ihre Methoden zur Vermittlung künstlerischer Techniken verändert?

Man wächst mit den Anforderungen. Mir ist aufgefallen, dass ich vor 15 oder 20 Jahren ganz viele Informationen für die Teilnehmer mitgebracht habe, in Büchern, Katalogen. Da es heute aber insgesamt eher eine Überinformationen gibt, habe ich das deutlich reduziert. Wenn aber jemand sieben Stunden an der Staffelei sitzt, kann eine Pause bei einem Kaffee mit einigen kurzen Hinweisen durchaus hilfreich sein. Die Ausgangssituation der Teilnehmer in der Malerei ist sehr unterschiedlich und sie brauchen eine individuelle Betreuung. Es gab auch welche, die zwischenzeitlich in anderen Akademien waren, dann zu uns zurückgekehrt sind und wieder neu schätzen, was ihnen in Trier geboten wird. So ist zum Beispiel die Werkstatt für Radierungen recht gut eingerichtet.

Warum ist die individuelle Betreuung so wichtig?

Es gibt ganz unterschiedliche Erwartungen und Voraussetzungen. Für einige ist der Kurs eine kreative Betätigung im Urlaub. Andere nehmen sich mehrere Wochen frei und investieren einige finanzielle Mittel. Da gibt es schon unterschiedliche Erwartungen.

Welchen Einfluss hat Ihre Tätigkeit als Dozentin auf Ihre künstlerische Entwicklung?

Es gibt sicherlich eine Rückwirkung durch die vielen Gespräche in den Kursen, vor allem im Hauptstudium. Allein schon durch die Herausforderung, sich als Dozent vielen künstlerischen Techniken öffnen zu müssen, ist man immer wieder gefordert und muss sich mit aktuellen Entwicklungen befassen. Man kann als Künstler nicht alles selbst ausprobieren, sieht es aber im Kurs und profitiert davon.

Wie erklären Sie sich, dass außer Ihnen viele weitere Dozenten der Akademie oft schon seit vielen Jahren verbunden sind?

Ich kann es nicht wirklich erklären, glaube aber schon, dass es eine positive Sogwirkung gibt. Viele Dozentenkollegen kommen gerne und immer wieder. Es gibt ein Heimatgefühl, das man auch bei den langjährigen Teilnehmern spürt.

Das Gespräch führte Petra Lohse