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27.01.2009

"Alles war zerschlagen"

Vorbereitungen im Ausstellungssaal der Dom-Information:?Jörg Zisterer, Mitarbeiter der Evangelischen Studierendengemeinde, sortiert Schautafeln mit Textdokumenten aus Archiven der Region.
Vorbereitungen im Ausstellungssaal der Dom-Information:?Jörg Zisterer, Mitarbeiter der Evangelischen Studierendengemeinde, sortiert Schautafeln mit Textdokumenten aus Archiven der Region.
Die Juden sind unsere Brüder. Im November 1938, wenige Tage nach der Reichspogromnacht, gehörte viel Mut dazu, dieses Bekenntnis öffentlich auszusprechen. Klaus Lohmann wagte es. „Die Verachteten, Ausgestoßenen und Armen in der Welt, sie alle sind deine Brüder, die an Christi statt vor dir stehen“, predigte der damals 28jährige Pfarrer aus Trier. Und weiter: „Auch die Juden können unsere Brüder sein und sie sind es heute, wenn ihnen die Welt die Barmherzigkeit versagt. Wehe uns Christen, wenn wir uns an der Judenverfolgung der Welt beteiligen.“

Anklage nach Predigt

Lohmann war Mitglied der Bekennenden Kirche, die sich seit 1934 gegen die ideologische Gleichschaltung der Evangelischen Kirche mit dem Nationalsozialismus wehrte und – immer am Rande der Illegalität – eine eigene Organisation aufbaute. Der Trierer Bekenntnisgemeinde, die ihre Gottesdienste in einem Zimmer des heutigen „Warsberger Hofs“ in der Dietrichstraße hielt, gehörten etwa 50 bis 70 Gläubige an. Klaus Lohmann war ab April 1938 ihr Pastor und wurde in dieser Funktion ständig von der Gestapo überwacht, verhört und mehrmals angeklagt – unter anderem wegen der Predigt zum Pogrom vom November 1938. Das Verfahren wurde zwar im August 1939 eingestellt, doch seine Tätigkeit als Seelsorger konnte Lohmann nicht wieder aufnehmen: Er wurde mit Beginn des Zweiten Weltkriegs zur Wehrmacht eingezogen.

Die Erinnerung an die Tat Lohmanns anhand von Zitaten aus seinem Tagebuch ist einer der Schwerpunkte der Ausstellung „Was geschah am 9./10. November 1938?“, die seit dieser Woche anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus in der Dom-Information gezeigt wird. Auf Initiative der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) und der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) begaben sich Studenten in den kommunalen und kirchlichen Archiven der Region – unter anderem in Trier, Birkenfeld, Saarburg und Saarbrücken – auf Spurensuche, um die Untaten des November 1938 aus dem Nebel des Vergessens zu ziehen. Auch eine Mechatronikerklasse der Berufsschule Gewerbe und Technik ist an der Ausstellung beteiligt: Die Jugendlichen fertigten ein Modell der Trierer Synagoge in der Zuckerbergstraße, die von den Nazis während der Reichspogromnacht geschändet und geplündert wurde.

Auffällige Archivlücken

Die Nachforschungen in den Archiven erwiesen sich vielerorts als schwierig. „Auffällig häufig sind wir bei unseren Recherchen genau im November 1938 auf Lücken gestoßen, als wollte man die Erinnerung an das Geschehen auslöschen“, berichtet Studentenpfarrer Andreas Mühling, der an der Universität Trier zugleich evangelische Kirchengeschichte lehrt. Aus der Not haben Mühling und seine Studenten eine Tugend gemacht: Den Lücken der Überlieferung und dem dumpfen Schweigen der Zeitgenossen über die Verbrechen ist eine eigene Schautafel der Ausstellung gewidmet.

Wenn überhaupt, dann finden sich Zeugnisse über das Ausmaß der Zerstörungswut in Dokumenten aus der Nachkriegszeit. Aus den Akten des Amts für Wiedergutmachung in Saarburg stammt der Augenzeugenbericht des Chauffeurs der jüdischen Familie Joseph, die 1938 in der Trierer Brotstraße  wohnte. „Es waren alle Tische und Stühle zerschlagen“, heißt es da zum Beispiel. „Selbstverständlich war auch alles Glas und Porzellan in Trümmer gegangen.“

  • Was geschah am 9./10. November 1938?
    Ausstellung in der Dom-Information Trier, Dienstag, 27. Januar, bis Freitag, 13. Februar, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9.30 bis 17.30 Uhr, Samstag 9.30 bis 14 Uhr, Sonntag geschlossen.