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21.11.2023

Trier hat mehr zu bieten als nur Antike

Viola Skiba lächelt mit verschränkten Armen und trägt einen orangefarbenen Mantel und
Dr. Viola Skiba hat sich als Historikerin schon vor der Landesausstellung 2025 mit dem Thema Herrschaft auseinandergesetzt, so bei ihren Mannheimer Museumsprojekten über die Wittelsbacher und die Normannen. Foto: Stadtmuseum
Unter dem Titel „Alle Wege führen nach Trier. Von Kurfürsten, Päpsten, Kaiserinnen und Normannen – und was sie mit Trier zu tun haben" präsentiert Dr. Viola Skiba am Dienstag, 28. November, 19 Uhr, ihren Antrittsvortrag als Direktorin des Stadtmuseums. Kurz vorher blickt sie im Interview mit der Rathaus Zeitung (RaZ) auf ihre ersten knapp drei Monate in der neuen Position zurück und erläutert anstehende Neuerungen und aktuelle Projekte.

RaZ: Sie sind von den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim zum Stadtmuseum Simeonstift gewechselt. Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe?

Dr. Viola Skiba: An Trier hat mich vor allem die reiche Geschichte gereizt. Ich bin von Hause aus Historikerin und über Trier „stolpert" man dann früher oder später. Gereizt hat mich auch das Gebäude Simeonstift selbst. Ich finde, hier verkauft sich Trier noch stark unter Wert. Die Antike als Bezugspunkt, als „goldene Zeit", ist bekannt, aber auch in den Epochen danach hat die Stadt wahnsinnig viel zu bieten. Das aufzuwerten und unser Haus voranzubringen, zu modernisieren, selbst etwas zu bewegen, hat mich wahnsinnig interessiert. Trier selbst als Stadt natürlich, nicht zuletzt weil Kultur hier eine zentrale Rolle spielt.

Kannten Sie Trier schon vor ihrem Arbeitsantritt im Stadtmuseum?

Ja, ich war öfters als Touristin hier. In der Trierer Geschichte spiegelt sich ganz viel von europäischer Geschichte wider. Aber auch die gesamte Region ist sehr reizvoll, gerade auch durch die Verbindungen mit den Nachbarn in der Großregion.

Warum haben Sie für Ihren Antrittsvortrag am 28. November einen stadtgeschichtlichen Schwerpunkt gewählt, der einen weiten Bogen zurück bis in die Römerzeit schlägt?

Es sollte auch ein Thema sein, mit dem ich mich und meinen wissenschaftlichen Werdegang vorstellen kann. In Mannheim habe ich drei große Ausstellungen gemacht: „Die Wittelsbacher am Rhein", „Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt" sowie „Die Normannen". Bei jedem dieser Projekte gab es Bezüge zu Trier und dazu möchte ich in meinem Vortrag verschiedene Geschichten erzählen.

Welche besonderen Akzente wollen Sie bei der Vermittlung der Stadtgeschichte in der Trierer Stadtgesellschaft setzen?

Ich möchte die Verbindung in die Stadt hinein und zu den Orten, die sich natürlich auch in der Sammlung des Museums wiederfinden, stärken. Das kann über Info-Tafeln, QR-Codes oder weitere digitale Angebote geschehen. Dafür ist die Kommunikation mit anderen Akteuren, etwa aus dem Tourismus, sehr wichtig. Es gibt auch ein großes Potenzial, zum Beispiel mit Blick auf die Hochschule und die Universität. Da habe ich mir einiges vorgenommen.

Mit der Wissenschaftlichen Bibliothek/dem Stadtarchiv widmet sich eine zweite städtische Einrichtung der Stadtgeschichte, ebenfalls mit eigenen Beständen. Wo wäre eine Vertiefung der Zusammenarbeit denkbar?

Ich habe mich schon mehrfach mit deren Direktor Franceso Roberg ausgetauscht und glaube, dass wir sehr eng zusammenarbeiten werden. Unsere Projekte können koordiniert werden. Wir werden bei eigenen Vorhaben inhaltlich stark auf Material aus dem Archiv zurückgreifen. Denkbar ist auch die gemeinsame Entwicklung musealer Projekte.

Bei der stadtgeschichtlichen Dauerausstellung steht die erste größere Erneuerung seit der Eröffnung des Erweiterungsbaus 2007 an. Welche Aspekte sind Ihnen besonders wichtig?

Da sind wir mitten in der Planung. Mir wäre es sehr wichtig, das 2026 angehen zu können. Vorher kommt erst einmal die Landesausstellung 2025. Der technische Aspekt ist ganz wichtig, aber auch inhaltlich ist einiges nicht mehr zeitgemäß. Wir müssen vom Ansatz her inklusiver werden. Dabei geht es um Barrierefreiheit, aber insgesamt auch um Angebote für alle. Es soll einen Rundgang geben, der nicht über-, aber auch nicht unterfordert. Er soll für verschiedene Altersgruppen, aber auch unterschiedliche Bedürfnisse geeignet sein. Das braucht Zeit, Kreativität, aber auch ein gewisses Budget. Man braucht Medienstationen, um sich vertiefend informieren zu können, aber auch Objekte zum Anfassen. Eine solche spielerische Herangehensweise wissen oft nicht nur Kinder zu schätzen.

Was sind Ihre ersten prägenden Eindrücke knapp drei Monate nach Ihrem Start?

Sehr positiv ist, wie herzlich ich im Haus aufgenommen wurde und wie eingespielt mein neues Team ist. Es ist nicht nur offen für neue Ideen, sondern auch selbst sehr engagiert in der Planung. Gemeinsam können wir viele Dinge schnell angehen. Eine sehr positive Erfahrung ist auch die Offenheit und Freundlichkeit in der Stadt. Meine ersten Wochen waren also eine sehr gute Zeit.

Für Ihre Arbeit im Museum ist auch der städtische Kultur-Dezernatsausschuss ein wichtiger Partner. Wie waren die ersten Eindrücke?

Es gibt eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg. Das offene Herangehen, auch bei schwierigen finanziellen Fragen, ist bemerkenswert.

Bei der Marc-Aurel-Landesausstellung 2025, die Ihr Haus zusammen mit dem Landesmuseum veranstaltet, steht bald mit dem Kooperationsvertrag und der Vorstellung erster Werbemotive die nächste Etappe an. Welche Erwartungen verbinden Sie mit diesem Großprojekt?

Wir als Stadtmuseum haben die ganz tolle Chance, viele aktuelle Aspekte bei unserem Schwerpunktthema der „guten Herrschaft" aufzugreifen. Dabei betrachten wir epochenübergreifend, wie sich die Vorstellung dieses Konzepts verändert. Wir schlagen den Bogen bis in die Gegenwart und zu einer aktuell herausgeforderten Demokratie. Da sind wir so nah am Puls der Zeit wie schon lange nicht. Dieses anspruchsvolle Thema ist eine große Herausforderung, bietet aber auch große Chancen. Wir wollen unsere Besucherinnen und Besucher zum Nachdenken bringen, dass Demokratie global gar nicht so selbstsverständlich ist und man daran arbeiten muss.

Wie ist der aktuelle Stand bei den Vorbereitungen im Stadtmuseum?

Nachdem der Leihverkehr schon vor einiger Zeit begonnen hat, sind wir jetzt so richtig in die Arbeitsphase eingetreten und im engen Austausch mit dem Landesmuseum. Derzeit ist das besonders spannend, auch weil die beiden didaktischen Konzepte der Ausstellungen entstehen.

Neben der Beteiligung an den Landesausstellungen prägen nicht zuletzt auch die Sonderausstellungen das Profil Ihres Hauses. Welche Akzente wollen Sie hier in den nächsten Jahren setzen?

Ich möchte noch mehr kulturhistorische Schwerpunkte setzen und habe einige spannende Ideen. 2024 haben wir zwei sehr schöne Projekte vor: Beim ersten können wir die Triererinnen und Trierer beteiligen, denn es geht um Alltagsobjekte, die aus der Mode gekommen sind, denken wir etwa an Lockenzangen oder das Wahlscheibentelefon. Aber wir gehen auch weiter zurück, etwa mit einem Ofengeschirr oder mit bestimmten älteren Redewendungen. In zweiten Halbjahr 2024 soll es um die Trierer Stadtmauer gehen, deren Abriss sich 2025 zum 150. Mal jährt. Dafür soll auch der Keller unseres Hauses, wo es Überreste der Stadtmauer gibt, auf Dauer neu gestaltet und inszeniert werden.

Wie sieht es bei der weiteren Digitalisierung des Museums aus?

Die Digitalisierung mit ihren vielfältigen Aspekten ist uns im Museum ein wichtiges Anliegen. Los geht es bei der Webseite und gut zugänglichen, barrierearmen und niederschwelligen Angeboten. Natürlich spielt auch die Digitalisierung der Sammlung
eine Rolle und digitale Angebote sind auch aus den Räumen des Museums und den Servicebereichen nicht mehr wegzudenken. In all diesen Feldern wird es Neuerungen und verstärkte Bemühungen geben. Ideen gibt es schon jede Menge.

Sind jenseits der Landesausstellung weitere Kooperationen sinnvoll und denkbar?

Ja, zum Beispiel mit der Uni und der Hochschule und deren wissenschaftlichem Nachwuchs, auch um deren Bindung an die Stadt zu stärken. Auch die neue Unipräsidentin, die wie ich ebenfalls aus Mannheim kommt, ist da sehr offen. An der Hochschule gibt es viele tolle Projekte und auch hier denke ich, dass sich Trier manchmal unter Wert verkauft. Am Puls der Zeit zu bleiben, ist für ein Museum ganz wichtig. Ausbaufähig sind auch die Kooperationen mit anderen Häusern der Großregion, aber auch mit den Partnerstädten und auf weiteren internationalen Ebenen. Hier können auch die Bestände des Stadtarchivs mit dem noch relativ neuen Unesco-Weltdokumentenerbe eine wichtige Rolle spielen. Solche Kooperationen weiten den Blick.

Wie haben Sie die Eröffnung der ersten Sonderausstellung „Tell me more" in Ihrer Amtszeit erlebt?

Es war eine sehr positive Erfahrung: eine sehr schöne dynamische Eröffnung, viel Bewegung und Interaktion durch das spezielle Konzept mit vielen Mitmachangeboten. Bisher ist die Resonanz sehr gut.

Haben Sie schon was klassisch Trierisches gemacht? Flieten gegessen, oben auf die Porta geklettert?

Dort war ich schon vorher. Im Sommer habe ich intensiv die Stadt insgesamt erkundet, vor allem mit dem Fahrrad. Gerade auch bei historischen Städten ist es wichtig, ein Gefühl für einzelne Orte zu gewinnen.

Das Gespräch führte Petra Lohse