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04.02.2014

"Auf dem Weg in eine bessere Zeit"

Foto: Vereidigung von Josef Harnisch im Februar 1964
Bürgermeister Hans König (l.) vereidigt Oberbürgermeister Josef Harnisch in der feierlichen Stadtratssitzung am 4. Februar 1964 in der Stadtbibliothek. Im Hintergrund: SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Paul Jost (r.) sowie Mitglieder der CDU-Stadtratsfraktion. Foto: Stadtarchiv
Nur knapp wurde Josef Harnisch am 23. Oktober 1963 durch den Stadtrat als Nachfolger von Dr. Heinrich Raskin zum Trierer Oberbürgermeister gewählt. Gut zwei Monate vorher hatte Raskin, seit 1949 als Triers erster hauptamtlicher Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg im Amt, aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt erklärt. In der hitzigen Nachfolgedebatte setzte die CDU- Mehrheitsfraktion nicht auf den eigenen Parteimann und bewährten Kulturdezernenten Dr. Emil Zenz, sondern auf den von Raskin vorgeschlagenen, damals parteilosen Stadtdirektor Josef Harnisch aus Münster. Der gebürtige Trierer Zenz stellte sich trotzdem zur Wahl. Es gab Zwistigkeiten und Zerwürfnisse zuhauf. Bei der Kampfabstimmung entfielen von den Stimmen der CDU, SPD und FDP auf Zenz 22 und 24 auf Harnisch.

Harnisch, am 16. Januar 1914 in Erlangen geboren, war früh verwaist und hatte eine schwere Jugend. Nach einer Buchdruckerlehre erwarb er auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur und studierte Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Nach Kriegsdienst und erfolgreichem juristischen Staatsexamen war er Stadtrechtsrat in Düsseldorf, Anfang der 50er Jahre Erster Beigeordneter in Heidelberg und vor der Ernennung zum Stadtdirektor in Münster dort als Finanz- und Wirtschaftsdezernent tätig.

Seinen Amtseid als 13. Trierer Oberbürgermeister legte Harnisch vor nunmehr 50 Jahren, am 4. Februar 1964 im Rahmen einer feierlichen Stadtratssitzung in der Stadtbibliothek an der Weberbach ab. In den bereits 1957 fertiggestellten Räumlichkeiten tagte die Bürgervertretung bis zum Umzug in den Ratssaal am Augustinerhof im November 1967.

Nach seiner Vereidigung durch den sozialdemokratischen Bürgermeister Hans König nutzte Josef Harnisch in seiner Antrittsrede die Gelegenheit, die mit der OB-Neuwahl verbundenen politischen Wogen zu glätten und programmatisch auf die wichtigsten Herausforderungen der bevorstehenden zwölfjährigen Amtsperiode einzugehen. Viele der angeschnittenen Themen sind den damaligen Problemen der frühen Nachkriegszeit geschuldet, mit einer Vielzahl der Fragestellungen vor 50 Jahren beschäftigen sich die Stadtverantwortlichen im Grundsatz noch heute oder schon wieder.

Breiten Raum widmete Harnisch der Vision einer europäischen Integrationspolitik, die für die Fortentwicklung der Stadt von großer Bedeutung sei. „Wo immer auch die Hauptstadt Europas liegen wird, von ihr bis nach Trier wird es nicht weit sein“, umschrieb er die mit dem europäischen Gedanken verbundenen Hoffnungen. Die „verkehrsmäßige Abgeschiedenheit“ Triers bezeichnete Harnisch als einen Teufelskreis, dem man entkommen müsse. Man benötige „Verkehrswege, die uns schnelle und ungehinderte Verbindungen nach allen vier Himmelsrichtungen ermöglichen“. Vor allem das „Missverhältnis von Ausgaben und Einnahmen“, das immer mehr zu einem „Engpass der Finanzen“ führe und zur Sparsamkeit zwinge, ist als Dauerthema geblieben. Harnischs Forderung nach einer „an den modernen Gegebenheiten orientierte Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen Bund, Land und Gemeinden“ hat an Aktualität nichts eingebüßt.

Anstrengungen für das Theater

Auch Harnischs Klage, „welche Sorgen und welche Anstrengungen es diese Stadt kostet, Theater- und Musikleben ausreichend finanziell zu unterstützen“ ist bis heute nicht verklungen. Immerhin konnte wenige Monate später, im September 1964, das neue Theater am Augustinerhof eröffnet werden.

Die grundsätzlichen Ziele, Arbeitsplätze zu vermehren und zu sichern sowie „neue Wohnviertel zu erschließen und Wohnungen zu bauen“, sind geblieben, auch wenn sich ein halbes Jahrhundert später die Rahmenbedingungen kaum mehr miteinander vergleichen lassen. Harnischs Ankündigungen, dem Bürger an festen Tagen im Monat „auch in seinen persönlichen Einzelanliegen“ zur Verfügung zu stehen oder „die Bürgerinitiative zu fordern und zu fördern“, dürften hingegen noch ungewohnt geklungen haben und ließen ein neues Amtsverständnis erwarten. Knapp 20 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs, der auch Trier in Trümmern zurückließ, zeichnete sich nach Harnischs Darstellung ab, „dass sich die Stadt und ihre Region auf dem Weg in eine bessere Zeit befindet“.

Harnischs zwölfjährige Amtszeit, die immer etwas im Schatten des agilen Wirkens der beiden Bürgermeister Hans König und Emil Zenz stand, bleibt geprägt von der Fertigstellung der Moselkanalisierung, der Ansiedlung von bedeutenden Industriebetrieben, der Wiedereröffnung der Trierer Universität, dem Bau der Deutschen Richterakademie und der dritten Trierer Moselbrücke sowie dem Wiederaufbau der Steipe am Hauptmarkt. Harnisch starb schon bald nach dem Beginn seines Ruhestands am 2. November 1982 in Trier.

Quellen: Heinz Monz, Trierer Biografisches Lexikon, S. 156f., Monz, „Aufbaujahre“ sowie Trierischer Volksfreund vom 5. Februar 1964.