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19.07.2016

"Es muss endlich wieder Ruhe einkehren"

Die Theaterkasse im Foyer des Gebäudes am Augustinerhof
Zum Start der neuen Spielzeit im September hofft Kassiererin Sabine Zingen auf zahlreiche Besucher der vielfältigen Aufführungen.
Jetzt ist es amtlich: Der Stadtrat hat dem amtierenden Intendanten des Trierer Theaters die alleinige Verantwortung für das Dreispartenhaus entzogen. In allen administrativen, organisatorischen und wirtschaftlichen Fragen wird ihm nach dem „Vier-Augen-Prinzip“ ein gleichberechtigter kaufmännischer Direktor zur Seite gestellt.

Bei einer Gegenstimme (Linke) und fünf Enthaltungen (vier Grüne, ein Linker) folgte der Rat damit fast einstimmig einer Initiative von OB Wolfram Leibe, die Theaterleitung wieder mit einer Doppelspitze zu besetzen. Zudem stellte der Rat dem Theater 964.000 Euro zur Verfügung, damit der Spielbetrieb aufrecht erhalten werden kann. Diesem Ziel dient auch die Aufhebung der zehnprozentigen Haushaltssperre für das Theater, die für die restliche Verwaltung im Freiwilligen Leistungsbereich bis zur Vorlage eines Nachtragshaushalts 2016 bestehen bleibt.

Ausgelöst wurden die Turbulenzen um das Theater von Budgetüberschreitungen von insgesamt rund 2,6 Millionen Euro für 2015 und 2016, heftigen internen Querelen und einem Rückgang der Besucherzahlen. OB Leibe sagte, die Neuordnung der Leitungsstruktur gebe einen Rahmen vor, der jetzt „von Menschen ausgefüllt“ werden müsse. Eine Erfolgsgarantie könne er jedoch nicht geben, doch sehe er im Theaterprogramm der Saison 2016/17 eine „neue Qualität“.

Stimmen der Fraktionen

In der Debatte untermauerten die Fraktionen ihre bereits im Steuerungsausschuss aufgezeigten Positionen. Die bisherige Arbeit von Generalintendant Dr. Karl M. Sibelius wurde erneut einer überwiegend heftigen Kritik unterzogen. Für das finanzielle Desaster wurde zudem ein mangelhaftes Finanzcontrolling im Theater sowie im Dezernat von Kulturdezernent Thomas Egger verantwortlich gemacht.

Man sehe die Doppelspitze als Hilfestellung für den Intendanten, um dem Theater eine Zukunft zu sichern, sagte CDU-Sprecher Jürgen Backes. Dort müsse endlich wieder Ruhe einkehren. Die alleinige Generalintendanz sei ein Fehler gewesen. Von Egger forderte Backes die Überführung des Theaters in eine AöR-Struktur ohne Verzögerung sowie ein Marketing-Konzept.

SPD-Kulturexperte Markus Nöhl sprach von einer „Problemdichte rund um das Theater“ mit vielen Baustellen und einer „finanziellen Überreizung“. Der jetzt von OB Leibe vorgegebene Weg einer Arbeitsteilung sei der richtige Weg. Wunder dürfe man aber nicht erwarten. Zur Lösung der strukturellen Probleme benötige man einen „langen Atem“.

Es sei „unfair“, allein den Intendanten für die finanzielle Misere verantwortlich zu machen, befand Grünen- Fraktionsvorsitzende Petra Kewes. Der Fehler liege vielmehr im System und auch im Kulturdezernat. Man sei für eine Unterstützung des Intendanten in finanziellen Fragen, doch traue man „Sibelius das zu, wozu ihn seinerzeit die Findungskommission ausgewählt“ habe.

Als „Korrektur einer Fehleinschätzung“ bezeichnete Professor Hermann Kleber (FWG) den jetzigen Schritt. Die Verantwortlichen seien nicht in der Lage gewesen, schnell und angemessen auf das sich abzeichnende Desaster zu reagieren, der „Kulturausschuss wurde zum Resonanzboden der Konflikte“, so Kleber. Bei der Überführung des Theaters in die Rechtsform einer AöR müssten Fehler struktureller Natur behoben werden. Ein kaufmännischer Direktor sei keine tragfähige Lösung, sagte Susanne Kohrs (Linke), vielmehr seien „erhebliche künstlerische Einschnitte“ zu befürchten.

Den Rücktritt von Sibelius forderte Michael Frisch (AfD), da er für das „wirtschaftliche Chaos“ verantwortlich sei. Aber auch Egger habe „nicht unerhebliche Schuld“, da er dem „Ernst der Lage“ nicht gerecht geworden sei. Die „Notbremse ist richtig, löst aber nicht die strukturellen Probleme des Dreispartenhauses“, befand Tobias Schneider (FDP). Das Dezernat habe nicht überzeugend operiert.

Unterdessen wird von den Beteiligten über die Anpassung des Intendanten-Vertrages nach der veränderten Leitungsstruktur beraten. Eine Entscheidung soll noch bis Monatsende fallen.

Sicherung des Spielbetriebs

Mit einer Reihe von Maßnahmen versucht die Verwaltung, die durch Mehrausgaben und Mindereinnahmen hervorgerufenen Budgetüberschreitungen des Theaters aufzufangen und dadurch einen geordneten Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. Dafür wird die zehnprozentige Haushaltssperre für das Theater aufgehoben, zusätzliche Mittel von 964.000 Euro werden bereitgestellt. Diese setzen sich aus Minderausausgaben (400.000 Euro) aus unterschiedlichen Bereichen (Europahalle, Arena), Einsparungen, aber auch aus Mehreinnahmen, so aus der kommunalen Geschwindigkeitsüberwachung (300.000 Euro), zusammen. Vor allem dieser Punkt stieß bei den Fraktionen, die der finanziellen Rettungsspritze für das Theater mit erheblichen Bedenken bei fünf Enthaltungen zustimmten („Wir stimmen zu, weil wir zustimmen müssen.“), auf Unverständnis. Die Annahme, diese Erträge könnten nur für Projekte der Verkehrssicherheit investiert werden, entkräftete Beigeordneter Egger. Es gebe keine gesetzliche Zweckbindung dieser Mehreinnahmen für den Verkehrsbereich. Wenn entsprechende Projekte nicht umgesetzt werden könnten, kämen diese dem allgemeinen Haushalt zugute, so der Ordnungsdezernent.