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18.12.2007

Neuer Brennpunkt Ehrang

Michaela Stoll.
Michaela Stoll.
Michaela Stoll ist seit September vergangenen Jahres Streetworkerin in Trier. In enger Kooperation mit der Stadtjugendpflege und weiteren Jugendeinrichtungen kümmert sich die Diplom-Soziologin um die Belange der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Durch diese erste feste Streetworkerstelle im Jugendbereich, die beim Exzellenzhaus angesiedelt ist, soll mehr Kontinuität in der mobilen Jugendarbeit entstehen.

RaZ: Seit 2006 sind Sie als Streetworkerin in Trier unterwegs. Was sind ihre Hauptaufgaben?    

Stoll: Ich arbeite vorwiegend in der mobilen und aufsuchenden Jugendarbeit. Ich beobachte Cliquen, die sich auf den Straße aufhalten, die so genannten informellen Treffs, und suche den Kontakt zu ihnen. Oft ist es auch notwendig, zu vermitteln. In Ehrang wurde zum Beispiel ein Jugendraum der Kirchengemeinde geschlossen, weil es immer öfter Ärger gab. Inzwischen ist er wieder geöffnet, da wir gemeinsam Kompromisse gefunden haben.  

Wo sehen Sie Vorteile im Vergleich zu anderen Formen der Jugendhilfe?

Streetwork ist eine Möglichkeit, Jugendliche zu erreichen, die herkömmliche Einrichtungen meiden. Viele machen einfach dicht, wenn man ihnen zu pädagogisch und lehrerhaft gegenüber tritt. Mein Ziel ist, dahin zu kommen, wo es sonst keinen Zugang gibt.   

Wie werden Sie von den Jugendlichen aufgenommen?    

In der Regel signalisieren mir die Cliquen, dass ich willkommen bin. Ich habe zunächst einen Gast-Status und versuche, über einen regelmäßigen Kontakt eine Vertrauensbasis zu schaffen. Bisher habe ich eigentlich keine Aggressivität mir gegenüber erlebt, aber es gibt natürlich Situationen, in denen ich mich selbst schützen muss.  

Was sind das für Situationen? Haben Sie Angst bei der Arbeit?

Nein, Angst nicht. Das ist eine Form von professioneller Abgrenzung und Selbstschutz. Wenn eine Gruppe von Jugendlichen sternhagelvoll ist, ist es nicht möglich, Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Zumal ich als Frau allein unterwegs bin.   

Ist es möglich, allein eine 100 000-Einwohner-Stadt wie Trier zu versorgen?     

Ich kann mich nicht um alle Stadtteile gleichzeitig kümmern. Ich muss mir schon Schwerpunkte heraussuchen und versuchen, nach und nach in allen Stadtteilen Kontakt zu Cliquen zu bekommen.     

Sie haben schon längere Erfahrung in der Jugendarbeit. Können Sie Veränderungen im Verhalten der Jugendlichen feststellen?     

Der Alkoholkonsum hat schon dras-tisch zugenommen. Wenn ich unterwegs bin, treffe ich auf den Straßen eigentlich immer Jugendliche, die Alkohol dabei haben. Und zwar nicht nur Bier und Mischgetränke, sondern auch härtere Sachen.
 
Sind auch in Trier konkrete Veränderungen feststellbar?   

Die informellen Treffs gibt es in allen Stadtteilen, aber sie sind nicht überall gleich problematisch. In Ehrang beispielsweise hat sich die Lage innerhalb des letzten Jahres deutlich verschärft. Es gibt heute mehr Probleme mit Lärmbelästigung, Gewalt und auch viele Sachbeschädigungen. Wie Trier-West und -Nord ist das ein Stadtteil, der ebenfalls ein Quartiersmanagement benötigt.  

Woran liegt es, dass dort solche Schwierigkeiten auftreten? Gibt es nicht genügend Angebote?     

Die Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde klappt in Ehrang sehr gut. Allerdings gibt es immer noch viele unversorgte Cliquen, die einzeln betreut werden müssen, weil sie nicht miteinander auskommen. Zudem ziehen immer mehr sozial schwächere Familien zu, so dass sich die Lage weiter verschärft.  

Welche Wünsche richten die Jugendlichen an Sie?     

Viele wollen Party machen und wünschen sich einen Treffpunkt. Strikte Verbote und Belehrungen bringen dabei nichts. Das bewirkt oft nur, dass die Angebote nicht angenommen werden.

Und was würden Sie sich wünschen für die Jugendarbeit in Trier? Wo muss sich etwas verändern?   

In Trier besteht viel Nachholbedarf. Es gibt zwar viele Angebote für Kinder unter 14 Jahren, aber für die Älteren existiert nur sehr wenig. Zum Beispiel gibt es in Pfalzel, Feyen oder Ruwer  keinen Rückzugsraum für Jugendliche, so dass sie auf den Straßen rumhängen, was viele Anwohner verärgert. Oft würde auch etwas mehr Nachsicht der Erwachsenen schon helfen, Konflikte zu vermeiden.
 
Interview: Verena Thimme