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17.03.2009

Die Schneiderin und ihre "Kinder"

Marianne Jäger vor ihrem Abschlussmodell aus dem Jahr 1957.
Marianne Jäger vor ihrem Abschlussmodell aus dem Jahr 1957.
Elegante Schnitte, reich verzierte Stoffe und feine Stickereien: Das sind die Merkmale der glamourösen Abendroben aus den 50er Jahren. Einige typische Beispiele sind zu sehen in der aktuellen Sonderausstellung des Stadtmuseums Simeonstift. Im Katalog gibt es jedoch zahlreiche Lücken, denn nicht jedes Modell ließ sich nach all den Jahren einem Desig-ner zuordnen. Doch einiges hat sich inzwischen aufgeklärt, so auch bei drei eleganten Cocktailkleidern aus den 50er Jahren. Sie stammen von Marianne Jäger, die von 1954 bis 1957 an der Trierer Werkkunstschule studierte.
 
Während eines Fernsehberichts über die Ausstellung entdeckte die 73jährige vergangene Woche, dass nicht nur zwei ihrer Cocktailkleider, sondern auch ein für sie besonders wichtiges Modell auf dem Laufsteg im Stadtmuseum zu sehen ist: ihre Abschluss-arbeit. Viel Geduld, Mühe und Herzblut stecken in dem schicken weißen  Abendkleid: „Ich war so aufgeregt, als ich es im Fernsehen gesehen habe. Ich wusste ja nicht, dass das Kleid noch existiert.“ Gerne erinnert sie sich zurück an die Wochen vor der Abschlussprüfung im Jahr 1957. In dem besonders heißen Sommer habe sie nächtelang in der Schule gesessen, um an ihrem Modell zu arbeiten. „Ich hatte so große Angst, dass ein Schweißfleck auf den weißen Stoff kommt, da habe ich lieber meine Nächte geopfert.“

„Fleißiges Mädchen“

Anhand von Fotos und alten Entwürfen identifizierte Jäger zudem ein weiteres Kleid als eins ihrer Modelle. „Ich bin damals wohl ein fleißiges Mädchen gewesen“, sagt die 73jährige. Viel hat sie aufgehoben an Entwürfen, Zeichnungen und Stoffen. Das Kramen in den Kisten und Durchforsten der Fotoalben ist für sie wie eine Zeitreise in die 50er Jahre, die nicht einfach für eine junge Studentin waren. Sie war die einzige Studentin ihres Jahrgangs, die auch den Abschluss machte. „Es war natürlich nicht das, was meine Eltern sich für mich vorgestellt hatten. Damals heirateten die Frauen noch“, sagt Jäger, die nach dem Abschluss zusätzlich ihre Meisterprüfung ablegte. An-schließend stand auch für sie die Familie an erster Stelle, bevor sie Ende der 60er Jahre ein eigenes Atelier und eine kleine Modeboutique in Trier eröffnete.
 
Die Leidenschaft zum Schneidern entdeckte sie schon früh: Mit neun Jahren nähte Marianne Jäger erste Puppenkleider an der Nähmaschine einer Freundin. Trotzdem war das Schneidern und Entwerfen nicht ihr Traumberuf: „Nach dem Krieg gab es nicht allzu viele Möglichkeiten für ein junges Mädchen, erst recht nicht auf dem Land.“

Besonders froh ist Marianne Jäger nun über das Wiedersehen im Stadtmuseum: „Ich habe mich sehr gefreut, drei meiner alten Kinder hier wieder zu finden“, sagt sie. „Ich bin schon ein bisschen stolz und vor allem auch sehr froh, dass die Kleider noch erhalten sind.“