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13.12.2011

Der Konsument wird Produzent

Mycle Schneider referiert an der Uni Trier.
Mycle Schneider referiert an der Uni Trier.
Atomkraftwerke sterben weltweit einen langsamen Tod und intelligente Speichertechniken sind der Schlüssel zum Gelingen der Energiewende: Das war die Botschaft, die der international renommierte Energieexperte und Systemanalytiker Mycle Schneider zum elften Regionalen Klimagipfel mitgebracht hatte.

Der in Paris lebende Schneider machte sich seit den 1980er Jahren mit seinem Informationsdienst zur zivilen und militärischen Nutzung von Atomenergie einen Namen. Er ist ein gefragter Berater sowohl für Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace als auch für deutsche und französische Ministerien und die internationale Atomenergiebehörde (IAEA). Der Autodidakt wurde 1997 zusammen mit Jinzaburo Takagi für seine Forschungen zur Gefährlichkeit von Plutonium mit dem Right Livelihood Award, besser bekannt als „alternativer Nobelpreis“, ausgezeichnet. Entsprechend groß war das Interesse für den von der Lokalen Agenda 21 organisierten Klimagipfel: Der Seminarraum C 9 an der Universität Trier war überfüllt.

Kritiker der Energiewende vertreten die These, der deutsche Ausstieg aus der Atomenergie gefährde die Klimaschutzziele, sei übereilt und aufgrund des globalen Trends zu neuen Atomkraftwerken (AKW) zum Scheitern verurteilt. Mit einer Fülle von Statistiken und Analysen widerlegte Schneider in seinem Vortrag diese Ansichten. So sei die Zahl der weltweit in Betrieb befindlichen AKWs seit Ende der 1980er Jahre praktisch gleich geblieben. Der Nuklearanteil an der global erzeugten Primärenergie liege bei gerade einmal 5,5 Prozent. Viele 40 bis 50 Jahre alte Reaktoren müssten demnächst abgeschaltet werden, während Neubauprogramme vielerorts auf Eis lägen oder sich über Jahrzehnte hinzögen, so Schneider. Selbst die Kenner der Materie im Publikum dürfte es erstaunt haben, dass in den USA, weltweit die Nummer eins beim Atomstrom, letztmals 1973 mit dem Bau eines AKW begonnen worden ist.

Auch in der Atomnation Frankreich zeichnet sich ein dramatischer Wandel ab: Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2012 haben sich Sozialisten und Grüne für den Fall der Regierungs-übernahme auf ein Abschalten alter Reaktoren, möglicherweise auch des grenznahen AKW Cattenom, verständigt. „Das wäre ein kompletter Bruch mit der bisherigen Energiepolitik in Frankreich“, betonte Schneider.

Eine dezentrale Energieproduktion und -versorgung skizzierte Mycle Schneider als wesentliche Merkmale der Wende hin zu erneuerbaren Energien: „Die Grenzen zwischen Produzent und Konsument weichen auf.“ Alle technischen Voraussetzungen für die Energiewende seien gegeben, jetzt komme es auf die richtige Organisation und intelligente Systeme, etwa zur Speicherung überschüssiger Windenergie, an. Neben Pumpspeicherkraftwerken erwähnte Schneider zum Beispiel die Batterien für Elektroautos und die Umwandlung von Windkraft in synthetisches Methan, das dann wie Erdgas genutzt werden könne.
 
Auch der Vorsitzende der LA 21, Professor Bernd Hamm, plädierte für eine konsequente Energiewende, die nicht nur im Sinne des Klimaschutzes geboten sei, sondern auch eine Chance zu mehr Selbstorganisation und Demokratie in der Region biete. Mit Blick auf den Klimagipfel in Südafrika sagte Hamm:¿„Vergesst Kyoto, vergesst Durban! Wir brauchen keine international bindenden Verträge sondern mutiges Handeln vor Ort."