Sprungmarken
08.11.2011

Psychogramm eines Mörders

Alles andere als leichte Kost serviert das Theater mit dem Monolog „Bartsch, Kindermörder“ von Oliver Reese. Jan Brunhoeber spielt den Gewaltverbrecher Jürgen Bartsch, der zwischen 1962 und 1966 vier Jungen sexuell missbraucht und ermordet hat. Dabei liegt der Fokus vor allem auf seinen Kinder- und Jugendjahren.

Basis des Stücks ist der acht Jahre andauernde Briefwechsel zwischen Jürgen Bartsch und dem amerikanischen Journalisten Paul Moor. Dieser hatte im Januar 1968 Kontakt zu dem Gewaltverbrecher aufgenommen, der  bereits im Gefängnis saß. In mehr als 250 Briefen erzählt Bartsch Moor ausführlich seine Lebensgeschichte.

Bartsch kam 1946 als Karl-Heinz Sadrozinski  zur Welt. Als seine Mutter kurz nach der Geburt starb, nahm das kinderlose Ehepaar Bartsch den Jungen auf. Damit er nicht erfuhr, dass er ein Waisenkind ist, isolierten ihn die Pflegeeltern bis zum Schulanfang. Mit zwölf Jahren kam er in ein katholisches Internat und wurde dort nach eigenen Angaben sexuell miss-braucht. Mit 15 Jahren vergewaltigte und tötete er sein erstes Opfer. Drei weitere Straftaten folgten, bis er 1966 festgenommen wurde. Der grausame Fall erschütterte die Republik. Die Presse nannte Bartsch die „Bestie von Langenberg“.  

Anhand von Bartschs Briefen an Paul Moor verfasste Oliver Reese das Ein-Personen-Stück, das 1992 in Ulm uraufgeführt wurde. In Trier bringt jetzt Regisseurin Britta Benedetti den Monolog auf die Bühne. „Der Fall Jürgen Bartsch ist deshalb besonders, weil er in der Lage war, über seine Handlungen und Emotionen zu reflektieren. Im Stück von Oliver Reese wird das Psychogramm eines Täters sichtbar, der sich selbst als Opfer seiner Lebensumstände und Erziehung sah“, sagt Benedetti, die das Stück schon seit fünf Jahren inszenieren will.

Für Schauspieler Jan Brunhoeber liegt der wichtigste Aspekt der Geschichte in der Frage nach dem gesellschaftlichen und sozialen Umfeld: „Uns interessiert, wie es zu diesem Verbrechen kommen konnte und welche Faktoren dabei eine Rolle gespielt haben, ohne dabei die Widerwärtigkeit und Grausamkeit dieser Taten herunterzuspielen.“

Nach Peter Turrinis Stück „Josef und Maria“ im Modehaus Marx und dem Musical „West Side Story“ in der Bobinethalle setzt das Theater seine Produktionen an ungewöhnlichen Spielstätten fort. „Bartsch, Kindermörder“ wird im Landgericht in der Justizstraße aufgeführt. „Wir haben den Gerichtssaal als Aufführungsort gewählt, weil es sich um einen öffentlichen Raum handelt, in dem Entscheidungen gefällt werden“, erklärt Benedetti. „Die Zuschauer sollen sich stellvertretend für die Gesellschaft selbst die Frage stellen, wie man mit Sexualstraftätern wie Jürgen Bartsch verfährt und präventiv Kinder schützen kann.“
  • Premiere  am Donnerstag, 17. November, 20 Uhr. Weitere Termine: Mittwoch, 30. November, Dienstag, 6., Mittwoch 14. und 21. sowie Donnerstag, 29. Dezember, jeweils 20 Uhr.