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21.12.2012

Wir sind auf einem guten Weg

Oberbüregermeister Klaus Jensen.
Oberbüregermeister Klaus Jensen.
Den Doppelhaushalt für die nächsten beiden Jahre mit sehr großer Mehrheit angenommen, die Zusammenarbeit mit dem Landkreis Trier-Saarburg im Bereich Energieerzeugung vertraglich festgezurrt, dem Entschuldungsfonds des Landes beigetreten, sehr niedrige Arbeitslosenzahlen, eine wachsende Bevölkerung: Trier ist, davon ist Oberbürgermeister Klaus Jensen fest überzeugt, auf einem guten Weg. Doch die Stadt kämpft mit einer schwierigen Finanzsituation, und ein ausgeglichener Haushalt ist trotz aller Anstrengungen nicht in Sicht. Im Gespräch mit der Rathaus Zeitung (RaZ) zieht das Stadtoberhaupt eine Bilanz des Jahres 2012.

RaZ: Was hat in den letzten zwölf Monaten sehr gut geklappt, was hat Sie besonders gefreut?

OB Jensen: Zu allererst habe ich mich darüber gefreut, dass die Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier auch international so eine riesengroße Resonanz hatte. Es waren Hunderttausende Menschen in der Stadt. Vom Geist, vom Ablauf, von der Stimmung, vom Flair her war das ein wunderbares Event, an das sich viele Menschen ihr ganzes Leben lang erinnern werden. Und stolz bin ich auch, dass wir die Rahmenbedingungen dieses Großereignisses maßgeblich mitgestaltet haben. Wir haben uns beispielsweise um die Sicherheit, um die Sauberkeit, um Verkehrsfragen gekümmert.
Es gab natürlich auch viele andere Dinge. Besonders froh bin ich, dass wir nach jahrzehntelangem Verfall in Trier-West zwei große Kasernenbauten haben sanieren können. Das Haus des Jugendrechts und das Jobcenter sind fertiggestellt und bezogen. Ehemalige Industriebrachen wie das Bobinet-Gelände werden erschlossen, das Stadtquartier Castelnau in Feyen wird Realität. Das sind für Trier ganz besondere Ereignisse.

In zwölf Monaten war natürlich nicht alles eitel Sonnenschein. Was ist nicht so gelaufen, wie vielleicht gewünscht und geplant?

Wir konnten zwar unser Defizit verkleinern durch sparsame Haushaltsführung, aber dass wir nach wie vor erhebliche Kredite aufnehmen müssen, kann einem Oberbürgermeister, einem Kämmerer, nicht gefallen. Und dass wir auch immer noch nicht mit der Sanierung der Loebstraße haben beginnen können. Das lag aber nicht an der Verwaltung, sondern an Anliegern. Jetzt hoffe ich, dass wir 2013 endlich loslegen können. Mittlerweile haben wir Baurecht und es liegen keine Einsprüche mehr vor. Insofern bin ich optimistisch.

Nochmal zurück zum Haushalt: Der Doppeletat 2013/14 ist gerade vom Rat verabschiedet worden und die Schere zwischen städtischen Einnahmen und den kommunalen Pflichtausgaben geht immer weiter auf. Wie kann/soll es weiter gehen?

Das strukturelle Defizit, das wir im Haushalt zu verzeichnen haben, ist nach wie vor zu hoch. Wir haben in diesem ablaufenden Jahr gespart, wir haben erhebliche Einnahmeverbesserungen, wir sind dem Entschuldungsfonds beigetreten. Also alles Schritte in die richtige Richtung, aber wir sind noch längst nicht da, wo wir hin müssen – ein ausgeglichener Haushalt. Nach wie vor steigen die Ausgaben im Bereich der Sozialhilfe, der Hilfe zur Pflege, der Eingliederungshilfe, der Jugendhilfe, also im gesamten Sozialbereich rasant. Auch die Erfüllung des Anspruchs auf einen Kindergartenplatz kostet die Stadt viele Millionen. Wir sind auf sehr gutem Weg, aber wir erhalten nicht die Gelder vom Land und Bund, die wir bräuchten, um das alles auch zu finanzieren, was uns auferlegt wird.

Die Kulturförderabgabe, die von den Hotels pro Übernachtung und Gast einen Euro betrug, wurde nach knapp einem Jahr gerichtlich gekippt. Rund eine halbe Million Euro mussten wieder an die Beherbergungsbetriebe zurückgezahlt werden. Ist damit das Thema endgültig vom Tisch?

Es wird schwierig, wenn nicht gar unmöglich, eine Kulturförderabgabe in der alten Form wieder zu erheben. Auch eine reformierte Form ist mehr als fraglich. Wir haben auch mit dem Hotel- und Gaststättenverband die Variante einer freiwilligen Abgabe diskutiert. Diese erweist sich aber auch als unrealistisch. Das Rathaus prüft derzeit, eine Fremdenverkehrsabgabe einzuführen. Sie soll auf viele verteilt, jeweils einen relativ geringen Betrag von denen einnehmen, die vom Tourismus in unserer Stadt profitieren. Wir gehen schon davon aus, dass die Einnahmen dieser Abgabe etwa bei einer Million oder knapp darüber liegen werden, wobei sie auf viel mehr Schultern verteilt ist als die Kulturförderabgabe vorher, die ja nur von den Hotels bezahlt wurde.

Im neuen Flächennutzungsplan der Stadt sind über 100 Hektar für Neubaugebiete vorgesehen. Warum braucht Trier so viel Bauland auf bisher naturnahen Flächen?

Trier ist als Wohnstandort äußerst begehrt. Es freut mich als OB natürlich, dass viele Menschen nach Trier ziehen wollen. Viele Menschen wollen  auch innerhalb der Stadt ihre Lebens- und Wohnsituation verbessern. Das führt zu einer großen Wohnungsnachfrage, die sich in rasant steigenden Mieten ausdrückt. Um die Mieten auf einem bezahlbaren Niveau zu halten oder sie dort hin zu führen, benötigen wir erheblich mehr Wohnungen pro Jahr als derzeit. Trier ist eine der wenigen Städte, die wachsen und wir brauchen dieses Wachstum auch zur Auslastung unserer Infrastruktur und um mehr Landes- und Bundesmittel zu bekommen. Allein mit dem Füllen von Baulücken, das ich für sehr wichtig halte, lässt sich dieser Bedarf nicht befriedigen. Also müssen wir in die Fläche gehen.

Seit März sind Sie Vorsitzender des  Städtetags Rheinland-Pfalz und so also ganz nah am Puls der Kommunen. Wo sehen Sie die Stadt Trier im Vergleich mit den anderen rheinland-pfälzischen Oberzentren?

Man muss einen Vergleich natürlich aufdröseln. Erst einmal ist Trier von allen Oberzentren einfach die schönste Stadt. Das ist mal der wichtigste Vergleich. Wir haben eine sehr nie-drige Arbeitslosenquote, wir haben Bevölkerungswachstum im Gegensatz zu manchen anderen Oberzentren. Leider haben wir eine relativ geringe Steuerkraft. Das bedeutet, dass wir viele Arbeitgeber in der Stadt haben, wie die Verwaltung, Universität, Krankenhäuser usw., die keine Gewerbesteuer zahlen, die zwar Arbeitsplätze bieten, aber eben nicht zu einer entsprechend hohen Steuerkraft beitragen. Wir sind gut aufgestellt bei den meisten Themen und können uns im Vergleich zu anderen Städten durchaus sehen lassen. Was uns alle vereint, alle Oberzentren, ist die Tatsache, dass wir mit unseren Aufgaben jeweils für eine ganze Region unterfinanziert sind. Alle Oberzentren leiden unter der Finanznot.

Im abgelaufenen Jahr gab es wiederholt Ärger, wenn wegen Demonstrationen der NPD – zum Teil an Gedenktagen für NS-Opfer – die halbe Innenstadt abgesperrt werden musste. Mit welchen Instrumenten kann die Stadt diesem Problem überhaupt begegnen?

Also wir müssen zunächst durch gute Kommunalpolitik und Zuwendung gerade an junge Menschen dafür sorgen, dass der Nährboden für die Nationalsozialisten entzogen wird. Um hier vor Ort in dieser Richtung zu agieren, haben sich in Trier unter meiner Führung demokratische Kräfte zur Initiative „Buntes Trier gegen Rechts“ zusammengeschlossen. Was die Demonstrationen anlangt: Die Gerichte und unsere Verfassung sagen, dass es eine Demonstrationsfreiheit gibt. Solange die NPD nicht verboten ist, sind wir gezwungen, die Demonstrationen zu erlauben. Wir versuchen, durch entsprechende Vorgaben, auch gemeinsam mit der Polizei, den Aufwand so gering als möglich zu halten. Aber ganz wird man Beeinträchtigungen nicht vermeiden können. Eine Ideologie, die Deutschland und die Welt so ins Unglück gestürzt hat, zu bekämpfen, ist so wichtig, dass man das auch mal in Relation stellen muss zu vorübergehenden Verkehrsproblemen.

Während Ihrer Amtszeit haben sich die Stadtwerke Trier immer stärker auf dem Gebiet der regenerativen Energien engagiert und sind inzwischen zu einem europaweit beachteten Vorzeige-Unternehmen geworden. Fürchten Sie angesichts der aktuell rasant steigenden Strompreise, die ja auch mittelbar mit dem
Erneuerbare Energien-Gesetz zusammenhängen, Akzeptanzprobleme für regionale Projekte und die Energiewende vor Ort?

Akzeptanzprobleme treten mit einer Steigerung der Preise zunehmend auf. Wir müssen aufklären, dass wir auch Preissteigerungen hätten mit Atomenergie und Kohle und Entsorgungsprobleme für die kommenden Generationen. Klimaschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben, aber die Höhe der Strompreise jetzt daran festzumachen, dass die Erneuerbaren Energien sich so ausweiten, das ist ein Fehlschluss. Energiepreise sind in der Vergangenheit, egal bei welcher Energieform, immer gestiegen. Ich gehe davon aus, wenn die Energiewende intensiv betrieben wird, wenn wir auch auf dem Feld der Energieein-sparung Erfolge verzeichnen, dass sich das dann in Grenzen hält. Für die Menschen, die das nicht bezahlen können, muss es natürlich entsprechende Auffanglinien im Sozialsys-tem geben und die gibt es ja auch.

Die Stadtwerke haben sich durch wirklich zukunftsweisende Projekte auch hier positioniert. Welche sind in Ihren Augen, neben den vielen kleinen Projekten hier in der Stadt, besonders hervorzuheben?

Wir haben die Zahl der Photovoltaik- und Windkraftanlagen ausgeweitet. 2012 stand bei uns die Vorbereitung auf das Großprojekt Pumpspeicherkraftwerk bei Schweich im Vordergrund. Wir wollen dort mit anderen  
etwa 400 Millionen Euro investieren, um Erneuerbare Energien zu speichern, weil das derzeit der große Mangel ist. Wenn Wind weht, wenn die Sonne scheint und der Strom nicht gebraucht wird, geht er verloren. Wir wollen ihn im Pumpspeicherkraftwerk speichern und somit zukunftsweisend für die Region handeln. Man muss immer bedenken, dass die gesamte Erneuerbare Energie, die wir produzieren, speichern und dann verkaufen, quasi im Geldkreislauf der regionalen Wirtschaft verbleibt und nicht nach Russland, in die Vereinigten Arabischen Emirate oder sonst wo hin geht und wir damit eine ungeheure Wertschöpfung für die Bürgerinnen und Bürger hier in der Region erreichen.

Ein Charakteristikum Ihrerbisherigen Amtszeit ist ja auch der Ausbau der Bürgerbeteiligung auf vielen Ebenen in Trier. Warum verfolgen Sie dieses Ziel so vehement und was bringt es nach Ihrer Ansicht?

Alle Trierer sind Expertinnen und Experten in eigener Sache. Manche können sich nicht selbst artikulieren, sie brauchen eine Interessenvertretung und deshalb bin ich sehr glücklich, dass wir seit 2012 mit dem Beirat der Menschen mit Behinderungen – es gibt immerhin über 7000 in dieser Stadt – und dem Jugendparlament zwei ganz wichtige Interessenvertretungen der Bürgerinnen und Bürger jetzt in Trier haben.

Die regionale Tageszeitung hat Sie als „Jensen, den Brimboriums-Verweigerer“ charakterisiert, als Sie jedes Aufheben um Ihre Person oder gar eine öffentliche Feier zu Ihrem 60. Geburtstag ablehnten. Wie wollen Sie mit dem öffentlichen Interesse und dem „ganzen Brimborium“ umgehen, das auf Sie als Ehemann der künftigen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer ganz sicher zukommen wird?

Ich werde mich hier in dieser Funktion als First Gentleman von Rheinland-Pfalz auf das absolute Minimum reduzieren, das heißt auf die Termine von staatstragender Bedeutung. Aber ich werde nicht wie Prinz Philipp hinter der Queen jeden Tag herlaufen. Ich habe als Oberbürgermeister so viele Termine, dass sich die Frage von zuviel Brimborium auf Landesebene für mich gar nicht stellt.


Das Gespräch führte Ralf Frühauf