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10.01.2023

"Der Zusammenhalt in Trier motiviert mich"

Foto: Oberbürgermeister Wolfram Leibe bei einer Rede
Corona, Flut, Amokfahrt und noch vieles mehr: Wolfram Leibe musste als Triers Oberbürgermeister die Stadt in den vergangenen Jahren durch eine Reihe von Krisen manövrieren. Foto: Staatskanzlei RLP/Harald Tittel

Seit fast acht Jahren ist Wolfram Leibe Triers Oberbürgermeister. Nachdem er die OB-Wahl im vergangenen September klar gewonnen hat, beginnt im April seine zweite Amtszeit. Im Interview mit der Rathaus Zeitung (RaZ) erläutert er, worauf er in seiner ersten Amtszeit besonders stolz ist, was ihn für die tägliche Arbeit motiviert und worauf er sich im neuen Jahr besonders freut.

RaZ: Herr Leibe, ihre erste Amtszeit geht zu Ende, die zweite beginnt im April: Fahren Sie eigentlich jeden Morgen motiviert zur Arbeit?

Wolfram Leibe: Also wenn ich so zurückblicke, fällt mir auf, wie schnell die Zeit vergangen ist und dass tatsächlich in jedem Jahr meiner Amtszeit eine neue Krise aufgetaucht ist. Am Anfang waren das aus heutiger Sicht noch vergleichsweise „kleine" Krisen, als beispielsweise plötzlich ganz viele Turnhallen undicht und nicht nutzbar waren. Aber dann in jüngster Zeit natürlich Corona, die Flut in Ehrang, die Amokfahrt, jetzt der Krieg in der Ukraine. Wir hatten also immer die normalen Amtsgeschäfte, die Krisenbewältigung und den Blick nach vorne. Wie motiviert man sich da? Ich sehe ja, dass wir trotzdem vorankommen. Ich sehe, was wir für tolle Mitarbeitende hier in der Verwaltung haben – und natürlich hat mich auch das Wahlergebnis motiviert, dass so viele Bürgerinnen und Bürger gesagt haben: Der macht‘s ganz ordentlich.

Wenn Sie auf die ersten acht Jahre zurückschauen: Worauf sind Sie besonders stolz?

Was mich stolz macht ist, dass wir als städtische Gesellschaft ganz nah beieinandergeblieben sind. Nur als Beispiel der Zusammenhalt nach der Flut in Ehrang. Oder nach der Amokfahrt – Stichwort #trierstehtzusammen. Oder aktuell, wie wir es als Stadt schaffen, die 1400 Menschen hier aufzunehmen, die aus der Ukraine flüchten müssten. Nahezu alle wohnen in Wohnungen, die die Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung gestellt haben. Nur deshalb kriegen wir das gelöst. Der Zusammenhalt in Trier ist so groß, dass mich auch das immer wieder motiviert.

Was hätten Sie im Rückblick lieber anders, besser gemacht?

Jeden Tag fallen mir da ganz viele Dinge ein. Es ist ja wichtig, dass man jeden Tag reflektiert und nicht denkt, dass alles, was man macht, gut ist. Trotzdem: Bei den schwierigen Rahmenbedingungen, die wir haben, als Stadt im Haushaltsnotstand, als Stadt, die mitten in Europa ist, aber zum Beispiel bei der Deutschen Bundesbahn nicht unbedingt im Blickfeld, freut es mich einfach, dass wir trotzdem in vielen Dingen vorangekommen sind, etwa mit dem Bau von drei neuen Sporthallen, dem Baubeginn der Hauptfeuerwache nach fast zehn Jahren Diskussionen, der weiteren Planung der Theatersanierung, der Gründung der Wohnungsbaugesellschaft und nicht zuletzt beim Haushalt, den wir trotz schwieriger Rahmenbedingungen dreimal ausgleichen konnten.

In der ersten Jahreshälfte 2023 soll der Neubau des Tufa-Gebäudes starten. Ist dieser fertig, steht auch die Generalsanierung des Theaters an. Parallel läuft auch der Neubau für die Berufsfeuerwehr. Angesichts steigender Baukosten und Zinsen – haben Sie als Finanzdezernent Bauchschmerzen bei solchen Großprojekten?

Natürlich. Aber wir alle haben gelernt, gerade beim Bauunterhalt: Wenn man diese notwendigen Investitionen nicht tätigt, haben wir hinterher viel größere Probleme. Wir kriegen das finanziell auch gestemmt, aber nicht allein als Stadt, sondern nur mit Land und Bund.

Die finanzielle Lage der Stadt wird sich dank der Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs in Rheinland-Pfalz ja deutlich verbessern. Trotzdem warnen Sie in den Gremiensitzungen mit dem Stadtrat vor zu viel Euphorie. Warum?

Wir haben immense Kostensteigerungen bei allem, was wir tun. Steigende Energiekosten, steigende Zinsen. Es geht uns im Grunde wie jedem Privatmann: Man bekommt eine Gehaltserhöhung, sieht aber, wie die Kosten fortlaufen. Das gleiche gilt hier im Rathaus. Ich bin sehr froh über die finanziellen Verbesserungen – es geht um ein Mehr von fast 29 Millionen Euro für den städtischen Haushalt vom Land und die Übernahme der Hälfte unserer Schulden. Aber wir müssen das halt auch klug im Haushalt einplanen.

Eine Art „Dauerproblem" der vergangenen Jahre ist der Widerspruch zwischen dem, was der Stadtrat gerne an Projekten für die Bürgerinnen und Bürger umsetzen würde, und dem, was die Verwaltung überhaupt leisten kann. Wie kann man diesen Widerspruch denn endlich einmal auflösen?

Ich muss immer wieder hervorheben: Geld für Investitionen ist ausreichend da. Am Geld scheitert es nicht. Aber man muss dem Baubereich die Möglichkeit geben, Projekte auch zu Ende zu bringen und nicht noch weiter Projekt um Projekt draufzupacken. Ich bleibe auch bei meinem Vorschlag, dass wir stärker private Partner einbeziehen sollten, dass wir die langen Entscheidungswege mit einem schnelleren Gremiendurchlauf abkürzen und dass wir verstärkt auf Projektmanagement-Strukturen bauen sollten. Ich hoffe, dass sich der Stadtrat bei diesen Themen noch bewegen wird.

Die Bundesregierung hilft den Menschen mit einer Ausweitung des Wohngeldes, es gibt künftig viel mehr Menschen, die darauf Anspruch haben. So schön das auch ist: Die Anträge abwickeln und das Geld auszahlen müssen die Kommunen – viel mehr Arbeit also im Amt für Soziales und Wohnen. Ist das nicht manchmal frustrierend, dass es oft die Kommunen sind, die unter solchen Neuregelungen leiden?

Erstmal muss man sagen: Gott sei Dank bekommen deutlich mehr Menschen Wohngeld. Aber ich habe den Eindruck, dass kein Mensch in Berlin darüber nachgedacht hat, wer das tut, wer das verwalten und auszahlen soll. Das sind wir als Kommunen, wir als Stadtverwaltung. Jeder einzelne Antrag braucht Beratung, es gibt Nachfragen, es muss juristisch wirklich richtig entschieden werden – und deshalb werden wir jetzt auch Personal einstellen. Damit ist es aber nicht getan, das Personal muss geschult werden. Damit ist klar, dass wir Verzögerungen haben werden. Uns in der Kommune hätte es sehr geholfen, wenn man uns damit mindestens sechs bis neun Monate Vorbereitungszeit gegeben hätte. Jetzt bleibt uns nur, die Bürgerinnen und Bürger um Verständnis zu bitten, dass wir das einfach nicht so schnell umgesetzt bekommen. Notfalls müssen wir mit weiteren Personalumschichtungen flexibel reagieren, wie wir das als Verwaltung schon öfter gemacht haben.

Was werden aus Ihrer Sicht 2023 neben der laufenden Energiekrise die größten Herausforderungen werden?

Es sind die Zukunftsaufgaben, die sich hier stellen: Wir werden mit den Stadtwerken die E-Mobilität weiter ausbauen, sowohl bei der Busflotte aber auch bei der Ladeinfrastruktur. Wir werden weitere Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg bringen und was mir persönlich ganz wichtig war: Wir sind die einzige Stadt in Rheinland-Pfalz, die jetzt ein Innenstadt-Dezernat hat. Das gibt uns die Chance, unsere lebenswerte Innenstadt trotz aller Herausforderungen auch lebenswert zu erhalten. Und das alles mit Mitteln, die ich in Zusammenarbeit mit Bund und Land für die Stadt auftreiben konnte. Hier werden wir auch die Bürgerinnen und Bürger ganz eng mit einbeziehen – denn es ist ihre Innenstadt. Und dadurch, dass ich die Großprojekte Theater, Tufa und Feuerwehr-Hauptwache herausgenommen habe aus der Bauverwaltung, stehen dort auch Kapazitäten zur Verfügung, um Schul- und Kitaprojekte weiter voranzubringen. Da geht es um Planung, insbesondere aber auch um konkrete Umsetzungen.

Bei allen anstehenden Herausforderungen: Gibt es auch Ereignisse, auf die Sie sich 2023 besonders freuen?

Erstmal wäre ich sehr froh über möglichst viel Normalität und darüber, endlich einmal ohne weitere Krise auszukommen. Es wäre auch schön, einfach wieder die großen und kleinen Trierer Feste feiern zu können wie vor der Corona-Krise. Und schön wäre auch, die Städtepartnerschaften wieder beleben zu können, auch das war ja sehr schwierig. Da geht es um das Zusammenführen von Vereinen aus den Städten und um Verwaltungaustausch. Wir bekommen jetzt schon Einladungen aus unseren Partnerstädten, laden auch selbst ein – auf diesen Austausch freue ich mich auch sehr. Und das gilt natürlich auch für die vielen täglichen Begegnungen mit den Triererinnen und Trierern.

Das Gespräch führte Michael Schmitz