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03.11.2015

"Kultur des Hinschauens" fördern

Trotz zahlreicher Hilfsangebote in Trier wird die Zahl der Menschen, die unter freiem Himmel schlafen, aktuell auf zwölf bis 15 Personen geschätzt. Symbolfoto: Dieter Jacobs
Trotz zahlreicher Hilfsangebote in Trier wird die Zahl der Menschen, die unter freiem Himmel schlafen, aktuell auf zwölf bis 15 Personen geschätzt. Symbolfoto: Dieter Jacobs
Der bevorstehende Winter ist für Obdachlose die schwerste Zeit des Jahres. Um Erfrierungen oder gar schlimmeres zu vermeiden, bittet der Arbeitskreis Obdachlosigkeit die Bevölkerung, die Augen offenzuhalten.

„Es gilt der Grundsatz, dass in Trier niemand im Freien übernachten muss, wenn er es denn nicht will.“ Dieser Anspruch des Arbeitskreises Obdachlosigkeit macht ein umfassendes System von Hilfsangeboten für Wohnungslose oder davon bedrohte Menschen notwendig. Insbesondere ruft der Arbeitskreis die Trierer Bevölkerung dazu auf, aufmerksam zu sein und sich zu melden, etwa wenn eine Person bei niedrigen Temperaturen draußen schläft und sich nicht mehr selbst helfen kann. Zuständig sind das Sozial- und das Ordnungsamt, die Feuerwehr und am Wochenende auch die Polizei (siehe Infokasten). „Wichtig ist eine Kultur des Hinschauens. Besser man ruft einmal zuviel an als zu wenig“, erläutert Ralf Burkhardt vom städtischen Amt für Soziales und Wohnen.

Ein Anlaufpunkt für Obdachlose ist das Benedikt-Labre-Haus (BLH) in der Luxemburger Straße. Hier können sich die Menschen aufwärmen, einen Kaffee trinken, gemeinsam Karten spielen und fernsehen und in einem warmen Bett schlafen. Sogar eine stationäre Unterbringung ist möglich.  „Wir müssen die Person mit unseren Angeboten da abholen, wo sie sich gerade befindet“, weiß der langjährige Leiter der Einrichtung, Werner Schultze. Doch Schultze und Burkhardt wissen auch: „Die Klienten setzen uns die Grenzen.“ Geholfen werden könne nur, wenn die Person die Hilfe auch annehmen möchte. Dies wollen nicht alle: Burkhardt schätzt die Zahl der Menschen, die in Trier draußen schlafen, aktuell auf zwölf bis 15. Dabei sind die Hilfsangebote da: von niedrigschwelligen Angeboten wie etwa der Teestube im BLH über Langzeitwohnheime bis hin zu betreutem Wohnen und Nachsorgeangeboten. „Wir haben eine gute Infrastruktur, es wird viel getan für Obdachlose in Trier“, sagt Burkhardt und fügt an: „Wir haben ein Hilfesystem, wofür uns andere Städte beneiden.“

Eine „erschreckende Entwicklung“ ist laut BLH-Leiter Schultze der steigende Anteil der 18- bis 25-Jährigen die obdachlos sind, oder in „prekären Wohnverhältnissen“ leben. Also häufig wechselnde Schlafplätze haben, etwa auf der Couch von Freunden. Schultze sieht immer häufiger junge Gesichter in der Teestube. Junge Erwachsene, bei denen die Jugendhilfe mit dem 18. Lebensjahr geendet hat, und die zumindest teilweise auf weiterführende Hilfsangebote verzichten.

Eine weitere Entwicklung, die Ralf Burkhardt feststellt, ist die Zunahme psychischer Erkrankungen unter den Obdachlosen: „Vor allem im Bereich drogeninduzierte Psychosen.“ Dies mache die Arbeit mit ihnen „äußerst schwierig“. Eine weitere Beobachtung der Experten: Aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes steigen die Verweildauern der Obdachlosen in den Einrichtungen.

Der bevorstehenden Weihnachtszeit blickt BLH-Leiter Werner Schultze mit gemischten Gefühlen entgegen. Dann spüre man deutlich, dass viele seiner Klienten alleine auf der Welt seien.

Kontakte

Der Arbeitskreis Obdachlosigkeit bittet die Bevölkerung die Behörden zu informieren, wenn ihnen obdachlose Personen auffallen, die hilfsbedürftig sind:

  • Sozialamt (Telefon: 0651/718-3507, wochentags bis 16 Uhr)
  • Ordnungsamt (Telefon: 0651/ 718-3333 und 718-4321, 16 bis 0.30 Uhr
  • Feuerwehr/Notruf (112)
  • Polizei (110, am Wochenende).