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17.07.2007

Familien immer krisenanfälliger

Die städtischen Ausgaben für hilfsbedürftige Kinder, Jugendliche und ihre Familien sind 2006  auf rund 7,4 Millionen Euro angestiegen. Der Zuwachs hat sich im Vergleich mit den Vorjahren aber etwas abgeschwächt. Das geht aus dem Trierer Jugendbericht 2006 hervor, den Bürgermeister Georg Bernarding vergangene Woche vorstellte.

4,5 Millionen für Heimaufenthalte
Mit Abstand größter Einzelposten waren 2006 erneut die Kosten für Heimunterbringungen, die sich auf 4,5 Millionen Euro summierten. Dieses Jahr wird ein Anstieg auf knapp 5,1 Millionen Euro vorhergesagt. Die Prognosen beruhen auf einer Hochrechnung der Daten aus den ersten sechs Monaten 2007. Von allen Trierer Kindern und Jugendlichen bis 20 Jahre wurde 2006 ein Prozent in Heimen oder Wohngruppen betreut, wenn die Eltern ausfielen und ambulante Hilfen, die im Vergleich kostengünstiger sind, nicht mehr ausreichten.
„Bedenklich ist, dass viele Kinder und Jugendliche nach dem Heimaufenthalt nicht mehr ins Elternhaus zurückkehren können, weil dort nicht die Bedingungen herrschen, die wir uns wünschen würden“, betonte die stellvertretende Jugendamtsleiterin Dorothee Wassermann bei der Vorstellung des Berichts im Jugendhilfeausschuss.  Aber nicht nur bei der Heimerziehung stieg die Zahl der vom Jugendamt betreuten Fälle: Bei der Vollzeitpflege waren es im Oktober 2006 172, im Mai dieses Jahres bereits 180 Fälle. Noch deutlich stärker als bei Heimen und Wohngruppen fiel im vergangenen Jahr der Kostenanstieg bei der sozialpädagogischen Familienhilfe aus: 1998 musste das Rathaus gerade mal 162 700 Euro aufwenden, 2005 waren es 600 000 und im vergangenen Jahr schon fast 750 000 Euro. Die Prognose 2007 geht von einem weiteren Anstieg um 100 000 Euro aus. Die Zahl der betroffenen Familien hat sich zwischen 1998 und 2006 auf 123 verdreifacht.
Hauptgrund für diese Entwicklung ist nach Einschätzung von Bürgermeister Bernarding eine erhöhte Krisenanfälligkeit der Familien durch wirtschaftliche Zwänge, vor allem durch  Arbeitslosigkeit und starke Konsumorientierung, aber auch fehlende Erziehungskompetenz gerade bei jungen Eltern. Manche seien noch nicht einmal in der Lage, ihrem Kind eine kleine Mahlzeit zuzubereiten. Hinzu kommt in einigen Fällen eine psychische Überlastung der Eltern. Dieses Problem kommt nach der Erfahrung des Jugendamts jedoch in verschiedenen sozialen Schichten vor. 

Fall Kevin und die Folgen
Die „Nachfrage“ stieg aber auch, weil die Wächterfunktion des Jugendamts immer stärker ins öffentliche Bewusstsein rückt: Gerade bei Gewalt gegen Kinder ist die Sensibilität deutlich gestiegen. Dieser Effekt wurde durch den tragischen Fall des zweijährigen Kevin aus Bremen noch einmal verstärkt: Der Junge war im vergangenen Herbst von seinem drogensüchtigen und gewalttätigen Stiefvater monatelang misshandelt worden und wurde schließlich tot aufgefunden. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss in Bremen hatte unter anderem festgestellt, dass sich viele Beteiligte  zu unterschiedlichen Phasen des Falls zu wenig um das Wohl des stark gefährdeten Kindes gekümmert hätten.

Frühwarnsystem
Die Stadt Trier nimmt an einem Modellprojekt zu einem Frühwarnsystem zum Schutz gefährdeter Kinder teil: Unter dem Motto „Guter Start ins Kinderleben“ wird es unter Federführung des Mainzer Familienministeriums und mit wissenschaftlicher Begleitung der Universität Ulm entwickelt.
Große Bedeutung misst das Jugendamt auch dem Ausbau präventiver  Projekte bei. Ein wichtiger Baustein ist das Länderprojekt „Viva Familia“, um schwierige Situationen frühzeitig zu erkennen und die Familien zu unterstützen. So kann manchmal auch verhindert werden, dass die Betroffenen später eine aufwendige stationäre Hilfe brauchen, die für die Kommunen dann mit einem erheblich höheren Kostenaufwand verbunden ist.
Eine erfreuliche Nachricht konnte das Trierer Jugendamt aus der Beratung der Familien vermelden, die in Trennung oder Scheidung leben: Die Zahl der einvernehmlichen Regelungen beim Sorgerecht für die Kinder ist gestiegen.