Plätze prägen das Gesicht der Stadt
Wenn jemand eine Reise unternimmt, lässt sich bekanntlich viel darüber erzählen.
Doch wenn jemand, wie Triers früherer Oberbürgermeister Helmut Schröer, als
Stadtoberhaupt 18 Jahre lang die Geschicke der Moselmetropole lenkte und davor
bereits ein Dutzend Jahre politische Verantwortung als Dezernent und
Bürgermeister ausübte, könnte er über das breite Spektrum des Erlebten schnell
den Überblick verlieren und in Nebensächlichkeiten abdriften. Dieser Gefahr
weicht Schröer im zweiten Band seiner „Trierer Weichenstellungen“ zur jüngeren
Stadtgeschichte, den er vor kurzem als weiteren Mosaikstein seiner politischen
Leistungsbilanz vorlegte, von vorne herein aus.
Konzentrierte er sich im
ersten Band noch auf einige unterschiedliche Aspekte des breit gefächerten
Aufgabenkatalogs kommunaler Politik – wobei die genutzten stadtgestalterischen
Möglichkeiten der Konversion im Zuge des Abzugs der französischen Truppen aus
Trier einen Schwerpunkt bildeten – so verdichtet sich das Thema nunmehr
ausschließlich auf Triers Plätze, ergänzt durch ein Kapitel über die
Umgestaltung des Palais Walderdorff.
Die Begründung zu dieser
inhaltlichen Fokussierung liefert Schröer im Vorwort: Es sind vor allem die
Plätze, die als lebendiger Organismus in ihrer Einzigartigkeit jeder Stadt ihr
unverwechselbares Gesicht verleihen. Dieses galt es zu bewahren oder in den
meisten Fällen erst einmal wieder herzustellen, denn auch in Trier mutierten in
den Nachkriegsjahren die Plätze mehr und mehr zu gesichtslosen Abstellräumen des
stetig expandierenden Autoverkehrs.
Chronische Finanznot
In Schröers
„Weichenstellungen“ geht es insbesondere um die Umgestaltung des Viehmarkts, die
wegen Formfehler, bürgerlichen Widerstands und nicht zuletzt aufgrund
sensationeller Funde aus römischer Zeit und der Frage ihrer Präsentation zu
einer unendlichen Geschichte wurde, dann um den von ausufernden Emotionen
beherrschten Umbau des Domfreihofs von einem wildwüchsigen Platanen- zu einem
später viel bewunderten Architekturplatz und schließlich um den neuen Kornmarkt
als Verweil- und Ruhezone. Er beschäftigte die Gemüter vor allem auch mit der
Frage, ob der seitlich stehende Georgsbrunnen zurück in die Mitte verlegt werden
soll, wo er historisch hingehört, oder nicht. Hier, wie in vielen anderen
Fällen, wiesen letztlich die chronisch fehlenden Finanzen der Stadt den Weg,
mussten immer wieder Kompromisse gefunden werden, um aus nicht selten
ideologiebelasteten Sackgassen einen Ausweg zu finden, der in letzter Instanz
durch die zuweilen mühsam zu erarbeitende Mehrheit des Rates legitimiert werden
musste. Dem zentralen Anliegen, die Altstadt mit einer Verkehrsberuhigung zu
revitalisieren und dabei den unterschiedlichen Plätzen ihre jeweilige
funktionsgerechte Rolle zukommen zu lassen, waren Extrempositionen einer
„autofreien“ oder „autogerechten Stadt“ indes wenig förderlich.
Immer
wieder lässt Schröer durchblicken, dass der Kompromiss für ihn zum akzeptierten
gestalterischen Handwerkszeug gehört, die Leitlinie jeder demokratischen Politik
mit ihren unterschiedlichen Interessen selten das Wünschenswerte, sondern meist
nur das Machbare sein kann. Ausführlich verdeutlicht er diese Maxime im Kapitel
über die Sanierung des Palais Walderdorff, die Investitionen bei der Stadt nicht
vorhandener Millionenhöhe erforderte. Schröer schildert im Detail, dass der
nicht unumstrittene symbolische Verkauf des geschichtsträchtigen Gebäudes zum
Preis von einer Mark an eine kapitalstarke private Stiftung zur Sanierung und
späteren privaten Nutzung finanziell die einzig mögliche Lösung war, das
hochwertige Bauensemble im Herzen der Stadt vor dem Zerfall zu
retten.
Komplexe
Entscheidungsprozesse
In den fünf Kapiteln des Buches schildert
der Autor die komplexen Entscheidungsprozesse der jeweiligen Projekte, wobei er
auch die wachsende Notwendigkeit einer breiten Bürgerbeteiligung hervorhebt,
auch wenn es vielfach deren Einwände waren, die die Realisierung der Planungen
nicht immer einfach machten. Und im Vielklang von Pro und Contra wird auch den
Pressestimmen häufig Gehör geschenkt.
Im zweiten Band der „Trierer
Weichenstellungen“ vermittelt Helmut Schröer einen minutiösen, für die Chronik
wertvollen und oft spannenden Einblick in einen thematisch eng gefassten, aber
für das unverwechselbare Gesicht Triers herausragenden Teil der jüngeren
Stadtgeschichte. Noch ist es ein Geheimnis, wie der frühere Oberbürgermeister
die Vielzahl der noch ausstehenden wichtigen Themen seiner langen Amtszeit in
dem angekündigten (angeblich) letzten Band zusammenfassen will.
- Helmut Schröer, Trierer Weichenstellungen – Ein Beitrag zur jüngeren Stadtgeschichte, Band II, Paulinus-Verlag GmbH, Trier 2011, ISBN 978-3-7902-1815-2, 19,90 Euro.