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15.11.2011

Plätze prägen das Gesicht der Stadt

Cover der Neuerscheinung von Helmut Schröer.
Cover der Neuerscheinung von Helmut Schröer.

Wenn jemand eine Reise unternimmt, lässt sich bekanntlich viel darüber erzählen. Doch wenn jemand, wie Triers früherer Oberbürgermeister Helmut Schröer, als Stadtoberhaupt 18 Jahre lang die Geschicke der Moselmetropole lenkte und davor bereits ein Dutzend Jahre politische Verantwortung als Dezernent und Bürgermeister ausübte, könnte er über das breite Spektrum des Erlebten schnell den Überblick verlieren und in Nebensächlichkeiten abdriften. Dieser Gefahr weicht Schröer im zweiten Band seiner „Trierer Weichenstellungen“ zur jüngeren Stadtgeschichte, den er vor kurzem als weiteren Mosaikstein seiner politischen Leistungsbilanz vorlegte, von vorne herein aus.

Konzentrierte er sich im ersten Band noch auf einige unterschiedliche Aspekte des breit gefächerten Aufgabenkatalogs kommunaler Politik – wobei die genutzten stadtgestalterischen Möglichkeiten der Konversion im Zuge des Abzugs der französischen Truppen aus Trier einen Schwerpunkt bildeten – so verdichtet sich das Thema nunmehr ausschließlich auf Triers Plätze, ergänzt durch ein Kapitel über die Umgestaltung des Palais Walderdorff.
 
Die Begründung zu dieser inhaltlichen Fokussierung liefert Schröer im Vorwort: Es sind vor allem die Plätze, die als lebendiger Organismus in ihrer Einzigartigkeit jeder Stadt ihr unverwechselbares Gesicht verleihen. Dieses galt es zu bewahren oder in den meisten Fällen erst einmal wieder herzustellen, denn auch in Trier mutierten in den Nachkriegsjahren die Plätze mehr und mehr zu gesichtslosen Abstellräumen des stetig expandierenden Autoverkehrs.

Chronische Finanznot

In Schröers „Weichenstellungen“ geht es insbesondere um die Umgestaltung des Viehmarkts, die wegen Formfehler, bürgerlichen Widerstands und nicht zuletzt aufgrund sensationeller Funde aus römischer Zeit und der Frage ihrer Präsentation zu einer unendlichen Geschichte wurde, dann um den von ausufernden Emotionen beherrschten Umbau des Domfreihofs von einem wildwüchsigen Platanen- zu einem später viel bewunderten Architekturplatz und schließlich um den neuen Kornmarkt als Verweil- und Ruhezone. Er beschäftigte die Gemüter vor allem auch mit der Frage, ob der seitlich stehende Georgsbrunnen zurück in die Mitte verlegt werden soll, wo er historisch hingehört, oder nicht. Hier, wie in vielen anderen Fällen, wiesen letztlich die chronisch fehlenden Finanzen der Stadt den Weg, mussten immer wieder Kompromisse gefunden werden, um aus nicht selten ideologiebelasteten Sackgassen einen Ausweg zu finden, der in letzter Instanz durch die zuweilen mühsam zu erarbeitende Mehrheit des Rates legitimiert werden musste. Dem zentralen Anliegen, die Altstadt mit einer Verkehrsberuhigung zu revitalisieren und dabei den unterschiedlichen Plätzen ihre jeweilige funktionsgerechte Rolle zukommen zu lassen, waren Extrempositionen einer „autofreien“ oder „autogerechten Stadt“ indes wenig förderlich.

Immer wieder lässt Schröer durchblicken, dass der Kompromiss für ihn zum akzeptierten gestalterischen Handwerkszeug gehört, die Leitlinie jeder demokratischen Politik mit ihren unterschiedlichen Interessen selten das Wünschenswerte, sondern meist nur das Machbare sein kann. Ausführlich verdeutlicht er diese Maxime im Kapitel über die Sanierung des Palais Walderdorff, die Investitionen bei der Stadt nicht vorhandener Millionenhöhe erforderte. Schröer schildert im Detail, dass der nicht unumstrittene symbolische Verkauf des geschichtsträchtigen Gebäudes zum Preis von einer Mark an eine kapitalstarke private Stiftung zur Sanierung und späteren privaten Nutzung finanziell die einzig mögliche Lösung war, das hochwertige Bauensemble im Herzen der Stadt vor dem Zerfall zu retten.
 
Komplexe Entscheidungsprozesse

In den fünf Kapiteln des Buches schildert der Autor die komplexen Entscheidungsprozesse der jeweiligen Projekte, wobei er auch die wachsende Notwendigkeit einer breiten Bürgerbeteiligung hervorhebt, auch wenn es vielfach deren Einwände waren, die die Realisierung der Planungen nicht immer einfach machten. Und im Vielklang von Pro und Contra wird auch den Pressestimmen häufig Gehör geschenkt.

Im zweiten Band der „Trierer Weichenstellungen“ vermittelt Helmut Schröer einen minutiösen, für die Chronik wertvollen und oft spannenden Einblick in einen thematisch eng gefassten, aber für das unverwechselbare Gesicht Triers herausragenden Teil der jüngeren Stadtgeschichte. Noch ist es ein Geheimnis, wie der frühere Oberbürgermeister die Vielzahl der noch ausstehenden wichtigen Themen seiner langen Amtszeit in dem angekündigten (angeblich) letzten Band zusammenfassen will.

  • Helmut Schröer, Trierer Weichenstellungen – Ein Beitrag zur jüngeren Stadtgeschichte, Band II, Paulinus-Verlag GmbH, Trier 2011, ISBN 978-3-7902-1815-2, 19,90 Euro.