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29.08.2023

"Vom Musentempel zum offenen Haus"

Direktorin Dr. Elisabeth Dühr im Trebeta-Saal im Erdgeschoss des Stadtmuseums.
Direktorin Dr. Elisabeth Dühr im Trebeta-Saal im Erdgeschoss des Stadtmuseums. Foto: Hufnagl
Ende einer Ära: Nach 34 Jahren im Stadtmuseum Simeonstift, davon 26 als Direktorin, geht die Kunsthistorikerin Dr. Elisabeth Dühr zum 1. September in den Ruhestand. Kurz vorher zieht sie im Gespräch mit der Rathaus Zeitung (RaZ) eine Bilanz.

RaZ: Wissen Sie schon, was Sie am ersten Tag Ihrer Rente machen?

Dr. Elisabeth Dühr: Abends ist meine Verabschiedung und die Begrüßung meiner Nachfolgerin Dr. Viola Skiba. Unser Team bereitet dafür ein Buffet vor. Daher werde ich den Vormittag damit verbringen, Pflaumen im Speckmantel zu produzieren. Für den Start in den Ruhestand insgesamt habe ich noch keine festen Pläne. Dann werde ich das Trierer Kulturleben weiter im Blick behalten und in Ruhe schauen, welches ehrenamtliche Engagement in Frage kommt. Bis zu meinem Ausscheiden versuche ich, alles soweit voranzutreiben, damit ich ein gut bestelltes Haus übergebe.

Wie kam es dazu, dass Sie sich 1989 um eine Stelle im Stadtmuseum beworben haben?

Ich habe die Stellenausschreibung gesehen und das passte auch persönlich sehr gut: Als ich den Arbeitsvertrag unterschrieben habe, war ich im achten Monat schwanger und sehr froh, dass mich meine Familie hier vor Ort unterstützen konnte, da mein Mann damals in den USA promoviert hat. Die ersten gut 14 Jahre habe ich dann wegen unserer Söhne halbtags gearbeitet.

Sie waren 34 Jahre im Stadtmuseum beschäftigt. Inwiefern hat sich in dieser Zeit das Publikum und damit auch ihre Arbeit verändert?

Das Verhältnis der Museen zum Publikum hat sich grundlegend verändert. Themen wie Inklusion, kulturelle Bildung oder Provenienzforschung spielten damals überhaupt noch keine Rolle. Besucherorientiertes Arbeiten insgesamt ist der größte Umbruch in der Museumslandschaft. Der Spruch „Vom Musentempel zum offenen Haus" trifft es ganz gut. Das bedeutet die Abkehr von dem Konzept, ein Haus für Gelehrte, für Experten, zu sein. Dieser Sprung war die größte Veränderung im Selbstverständnis.

Wie steht ihr Haus im Vergleich mit gleich großen Museen bei den pädagogischen Angeboten etwa für Kinder, Jugendliche und Familien da?

Wir spielen in der absoluten Spitzengruppe mit. Wir haben ein sehr umfangreiches Programm in der kulturellen Bildung insgesamt, ein sehr breites Netzwerk an Partnern, vom Kinderschutzbund bis zum Demenzzentrum und versuchen, sehr viele Gruppen zu erreichen. Zum Programm gehören zum Beispiel auch Integrationskurse für Geflüchtete, Angebote für Senioren oder der Jugendklub.

Wie weit ist das Stadtmuseum bei den barrierefreien Angeboten?

Durch das Engagement des gesamten Teams hat sich sehr viel getan. Der große Wandel ist, dass man den Begriff Barrierefreiheit sehr viel weiter fassen muss. Es geht also nicht nur um bauliche Hürden. Die schlimmeren Barrieren sind oft die sprachlichen. Unsere Inhalte in einer Sprache zu vermitteln, die viele verstehen, ist eine ganz große Herausforderung, der wir uns gestellt haben, zum Beispiel mit Führungen in Leichter Sprache oder für Blinde. Wir haben ein breites Portfolio an Angeboten für Menschen mit speziellen Bedürfnissen, die man früher niemals unter dem Begriff Barrierefreiheit geführt hätte.

Das Audio-Angebot ist ja auch ein Ergebnis dieser Entwicklung.

Dazu hat ein Mitarbeiter der Caritas einmal eine sehr treffende Bemerkung gemacht: Die wenigsten brauchen es und sehr vielen hilft es.

Wie haben sich die Digitalisierung und die Sozialen Medien ausgewirkt?

Wir haben enorme Fortschritte bei der Digitalisierung unserer Bestände gemacht. Das ist ein Muss. Wir sind schon mit mehreren hundert Exponaten in der bundesweiten Datenbank Museum digital vertreten. Die Digitalisierung, wo sehr präzise gearbeitet werden muss, ist auch für die interne Arbeit eine riesige Erleichterung. Bei 30.000 bis 40.000 Exponaten kann man niemals alles im Kopf behalten. Die Nutzung der Sozialen Medien ist auch eine Generationenfrage. Da vertraue ich unserer Expertin für Öffentlichkeitsarbeit, die die Homepage regelmäßig pflegt und dafür sorgt, dass wir kontinuierlich auf Twitter, Instagram oder Facebook vertreten sind.

Welche Rolle haben Sie bei der Entstehung der erfolgreichen Landesausstellungen gespielt?

Es gab zwar Vorgespräche, aber den Titel Landesausstellung verleiht das Land. Die Idee kam von der Landeskulturverwaltung, die dann an das Landesmuseum herangetreten ist. Wir haben uns von Anfang an sehr stark bemüht, dieses Konzept zu einem Erfolg zu machen, diese Kooperation über Jahre beizubehalten und trotz manchmal unterschiedlicher Interessen immer wieder zusammenzukommen. Die Landesausstellungen sind ein Leuchtturmprojekt für die Stadt und ein großer Benefit, sowohl finanziell als auch werbetechnisch.

Welche Rolle spielen diese Großereignisse für das Renommee des Stadtmuseums?

Eine sehr große. Diese Projekte werden europaweit wahrgenommen. Unsere Besucherzahlen sprechen da Bände. Sie kommen nur in der Kooperation zustande. Wir alle wissen, dass ein Haus allein das nicht auf die Beine stellen kann. Trier als Museumsstadt hat davon ungemein profitiert. Das zeigt sich auch daran, welche hochkarätigen Leihgaben wir mittlerweile für die Landesausstellungen erhalten.

War die Modernisierung des historischen Simeonstifts vor der ersten Landesausstellung 2007 die größte Herausforderung für Sie als Direktorin?

Absolut. Wir haben den Altbau grundsaniert und einen Neubau hinzugefügt. Die Dauerausstellung wurde neu erstellt und gleichzeitig die Konstantin-Landesausstellung vorbereitet. Was uns mit Elan erfüllt hat, war die Tatsache, dass wir insgesamt danach deutlich bessere Arbeitsbedingungen hatten. Der größte Fortschritt war, erstmals museumspädagogische Räume zu haben. Zudem haben wir seitdem einen eigenen Bereich für Wechselausstellungen. Das Ganze war eine Hauruck-Aktion, aber gottseidank lagen die fertigen Pläne schon fast zehn Jahre in der Schublade. Innerhalb von wenigen Monaten haben wir dann unseren Standort geräumt, damit der Umbau starten konnte. Er hat erst die Fortschritte ermöglicht, von denen wir heute profitieren.

Welche Ausstellungen sind Ihnen neben den Landesausstellungen im Rückblick besonders wichtig?

Noch vor dem Umbau waren das die Ausstellungen „Unter der Trikolore" und „Der schlimmste Punkt in der Provinz". Dabei ging es um die französische Zeit in Trier und die demokratische Revolution 1848. Weitere Highlights waren die Ausstellung zum Thema Armut in Zusammenarbeit mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), aber auch die Projekte zur Moselschifffahrt oder zu Plätzen in Trier. Wir haben immer versucht, die Balance zu halten zwischen Überblicksthemen und regionalen Schwerpunkten. Nennen möchte ich auch die Ausstellung „Ikone Karl Marx", die noch vor dem großen Programm zu seinem 200. Geburtstag stattfand.

Wie bewerten Sie den aktuellen Stand der Dauerausstellung?

Nach dem Neustart 2007 steht nun wieder eine Erneuerung an, weil vor allem die Medien langsam „in die Knie gehen". Es wird kritisch und die Anforderungen haben sich verändert. Die Ausstellung muss andere Themen und Herangehensweisen bieten und etwas flexibler sein. Unser Konzept ist fertig, aber wegen der schwierigen Haushaltslage kann man noch keinen Starttermin nennen. Wir suchen auch nach externen Förderoptionen.

Warum haben Sie sich viele Jahre lang als Vorsitzendes des Museumverbands Rheinland-Pfalz engagiert?

Über 60 Prozent der Häuser in diesem Bundesland sind ehrenamtlich geführt. Daher gibt es einen ungeheuren Bedarf an Fortbildungen und Erfahrungsaustausch, auch im Sinne einer Professionalisierung. Gleichzeitig ist der Verband Ansprechpartner für das Ministerium, wenn dort ein aktueller Überblick benötigt wird. Das war etwa in der Corona-Krise der Fall oder bei der Notfallplanung, schon vor der Ahr-Katastrophe. Mir hat diese Arbeit sehr viel Spaß gemacht, weil man mit vielen aktuellen Themen zu tun hatte. Ich habe sehr viel gelernt und konnte sehr viel Wissen weitergeben.

Möchten Sie Ihrer Nachfolgerin einen Rat mit auf den Weg geben?

Ich glaube nicht, dass Frau Dr. Skiba einen Rat braucht. Sie ist sehr erfahren und kommt auch aus einem kommunalen Haus, das über eine große Stiftung mitfinanziert wird und viele Dependancen hat. Ich wünsche ihr einfach viel Erfolg, auch in der Kooperation mit der Stadtverwaltung, mit der ich immer sehr gut zurechtgekommen bin. Diese Arbeit, auch im Zusammenspiel mit dem Kulturausschuss, hat mir sehr viel Freude gemacht. Das ist insgesamt ein toller Beruf, weil es immer wieder um neue, anspruchsvolle intellektuelle Herausforderungen geht.

Zur Person

Die 1957 in Trier geborene Dr. Elisabeth Dühr studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie in Heidelberg und Bonn. Ihre Promotion befasste sich mit „Kunst am Bau und im öffentlichen Raum". Seit 1989 ist sie am Stadtmuseum tätig, seit 1997 als Direktorin. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Verwaltungsleitung, einschließlich der Finanzierung, auch durch Sponsoren. Dührs Interessenschwerpunkt liegt unter anderem bei der Rezeptionsgeschichte kulturhistorischer Themen über die Jahrhunderte. Von 2002 bis 2023 war sie neben ihrer Tätigkeit als Museumsdirektorin Trierer Regionalvertreterin im Vorstand des Museumsverbands Rheinland-Pfalz, davon seit 2011 als Vorsitzende.