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03.03.2015

Neubeginn in einer zertrümmerten Stadt

Zerstörungen am Trierer Hauptmarkt nach den Bombenangriffen 1944
Nach den Bombenangriffen im Dezember 1944 versank der Hauptmarkt in Schutt und Asche, darunter auch die Steipe (Bildmitte). Foto: Erich Müller/Verlag Weyand
Vor 70 Jahren eroberten US-Truppen Trier und befreiten die Stadt von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Der Zweite Weltkrieg war damit für die Moselmetropole faktisch beendet. Jetzt suchten die Amerikaner für den Wiederaufbau der zertrümmerten, vorerst fast noch menschenleeren Stadt einen deutschen Oberbürgermeister.

Zeitnah zum Jahrestag der heute unvorstellbaren Geschehnisse hat das Stadtarchiv mit der Dokumentation „Die Ära Friedrich Breitbach“ den ersten Band der neu begründeten Reihe „Publikationen aus dem Stadtarchiv Trier“ vorgelegt. Die in dem großformatigen Buch veröffentlichten Quellen, darunter Protokoll-Mitschriften von Besprechungen, Briefe, Bekanntmachungen oder Zeitungsberichte, vermitteln ein authentisches Bild über die ersten Tage und Monate nach dem Kriegsende 1945 in Deutschlands ältester Stadt und lassen den Leser die Ereignisse der unmittelbaren Nachkriegszeit hautnah miterleben.

Drei Stunden Bedenkzeit

„Am 5. März 1945, als ich mich morgens gegen 11 Uhr bei der amerikanischen Militär-Regierung zwecks Registrierung anmeldete und man dort meine Personalien festgestellt hatte, wurde ich gefragt, ob ich bereit sei, den Posten des Bürgermeisters der Stadt Trier zu übernehmen.“ So beginnt die erste Aktennotiz des 47-jährigen Friedrich Breitbach über seine Ernennung als erster Trierer Bürgermeister gut 72 Stunden nachdem

die Amerikaner auf dem Hotel Porta Nigra die US-Flagge gehisst hatten und fährt fort: „Ich gab darauf zur Antwort, dass ich hierzu kaum geeignet sein würde, weil ich ja nicht Verwaltungsfachmann sei. Es wurde mir vorgehalten, dass schon einige Leute, die man gefragt habe, dieselbe Antwort gegeben hätten, dass aber eine Person aus Trier den Posten übernehmen müsse. Ich wurde daraufhin für 14 Uhr zur Militär-Regierung zurückbestellt.“

Als sich der gelernte Kaufmann und Fabrikant zur angegebenen Zeit erneut meldete, wurde ihm kurzerhand erklärt: „Sie sind hiermit zum Zivilleiter der Stadt Trier ernannt. Es ist Ihre Aufgabe, so schnell wie möglich eine Stadtverwaltung zu bilden und in erster Linie dafür zu sorgen, dass die Bewohner der Stadt Trier mit Lebensmitteln, die aus den vorhandenen

Beständen in Trier entnommen werden müssen, zu versorgen.“ Breitbach hielt es unter diesen Umständen für seine Pflicht, im Interesse der Stadt Trier gegen die Ernennung keine weiteren Einwände zu erheben und nahm die Einsetzung stillschweigend an.

Er wurde beauftragt, ab sofort jeden Tag um 11 Uhr und um 16 Uhr zur Militär-Regierung zu kommen, um eventuelle Fragen mit ihr zu besprechen.

Entbehrungsreiche Jahre

Die von Dr. Klaus Breitbach, Adoptivsohn und Neffe des ersten Trierer Nachkriegsbürgermeisters, zusammengestellte Dokumentation über die „Ära Friedrich Breitbach“ untermauert die Auffassung der Herausgeber, wonach die jetzt offen zugänglichen Originalquellen ein „fesselndes Panorama jener entbehrungsreichen Jahre“ entstehen lassen, „in denen sich die Bürgerschaft nur mit Mühe und unter großen Einschränkungen langsam wieder formieren und ihren Weg zurück in einen einigermaßen funktionierenden Alltag bahnen konnte.“ Dass Friedrich Breitbach seine Arbeit mit einem „absoluten Nichts“ beginnen musste, belegt auch der neuerliche Abdruck des zusammenfassenden, lebendig geschriebenen Berichts des 1994 verstorbenen ehemaligen Trierer Bürgermeisters Dr. Emil Zenz über die „Kommunale Reorganisation Triers nach der Besetzung der Stadt durch die Amerikaner“ aus dem Kurtrierischen Jahrbuch 1978.

Es gab 1945 nach dem totalen Zusammenbruch keine geregelte staatliche Ordnung mehr. Die elementaren Bedürfnisse der in Trier noch verbliebenen – man vermutet rund tausend – Zivilpersonen oder später wieder zurückkehrenden Bevölkerung mussten in mühsamen einzelnen Schritten neu geregelt werden.

Für den Aufbau einer funktionierenden Verwaltung fehlten zunächst alle Voraussetzungen. Die Stadtkasse und Sparkasse waren ausgelagert, Akten, Büromöbel und Schreibmaterial entweder den Bomben zum Opfer gefallen oder im allgemeinen Chaos der Zerstörungen nicht mehr auffindbar. Neben den materiellen Voraussetzungen fehlten zunächst die Wissensträger für die Bildung einer neuen städtischen Verwaltung. Viele von ihnen waren noch evakuiert, als Soldaten im Krieg gefallen, bei Angriffen umgekommen oder als Parteigenossen nicht mehr einsetzbar. Für die Bewältigung des tagtäglichen Lebens musste schrittweise eine Fülle von existenziellen Problemen gelöst werden. Zunächst ging es bei den Aufräumarbeiten um die Beseitigung der ungeheuren Schuttmassen, insbesondere im Innenstadtbereich. Für die zurückkehrende Trierer Bevölkerung stand wegen der Zerstörungen kein ausreichender Wohnraum mehr zur Verfügung. Die Versorgung mit Strom und Wasser war nur langsam möglich. Schwierig erwies sich auf Dauer die Beschaffung von Lebensmitteln und Heizmaterial. Es kam zu Plünderungen und nicht immer konnte die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet werden. Zu den Herausforderungen gehörte die Gesundheitsfürsorge bei einer wachsenden Zahl von kranken, versehrten und alten Menschen sowie Kindern. Bei alledem bemühte sich Friedrich Breitbach, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, was durch die Zerstörung der Bahnlinien zusätzlich erschwert wurde.

Neuer Lebensmut

Triers 1991 verstorbener erster Nachkriegs-Bürgermeister Friedrich Breitbach, der zu Beginn seiner schwierigen Mission von den Amerikanern Begleitschutz aus Furcht vor Mordanschlägen versprengter Nazi-Schergen erhielt, hat durch seinen beharrlichen und einfühlsamen Einsatz entscheidenden Anteil am stetigen Wiederaufbau Triers nach der Zerstörung und dem totalen Zusammenbruch 1945. Die jetzt vorgelegte Quellen-Dokumentation über die „Ära Friedrich Breitbach“ informiert über die Mühsal, die Rückschläge und Erfolge der einzelnen Schritte. Der Band ist ein eindrucksvolles Zeugnis darüber, wie es die Menschen nach der Nazi-Diktatur und dem Ende des Krieges trotz individueller Schicksalsschläge und aller Entbehrungen mit neuem Lebensmut schafften, zu einem menschenwürdigen Leben zurückzufinden.

  • Klaus Breitbach: „Die Ära Friedrich Breitbach, eine Dokumentation zur Nachkriegsgeschichte von Trier 1945/46“, Publikationen aus dem Stadtarchiv Trier, Band 1, 340 Seiten, ISBN 978-3-00-047357-9, ausschließlich erhältlich im Stadtarchiv/Stadtbibliothek, Weberbach 25,15 Euro.