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19.01.2010

Das Gedächtnis der Stadt

Diese Urkunde, die Dr. Reiner Nolden zeigt, ist nur eines von zahlreichen Zeugnissen vergangener Jahrhunderte, die im Stadtarchiv lagern.
Diese Urkunde, die Dr. Reiner Nolden zeigt, ist nur eines von zahlreichen Zeugnissen vergangener Jahrhunderte, die im Stadtarchiv lagern.
150 Regalmeter vorsortierte Akten übergibt die Stadtverwaltung durchschnittlich pro Jahr zur Aufbewahrung an das Stadtarchiv. Damit fängt für die Archivare die Arbeit erst an: Das Schriftgut muss für die dauerhafte Lagerung präpariert werden.

Ordner voller Akten. Alle sorgsam abgeheftet, zusammen gehörende Vorgänge zusätzlich mit Büroklammern oder Tackernadeln fixiert. Ordnung, die jeder Verwaltungsbeamte zu schätzen weiß. Für ihn ein erstrebenswerter Zustand, für den Archivar dagegen ein Alptraum. Denn bevor das Schriftgut, das die städtische Verwaltung produziert, im Stadtarchiv für die Nachwelt bewahrt werden kann, muss es für die dauerhafte Lagerung präpariert werden.

„Wir müssen alles entfernen, was rosten kann.“ Das ist eine mühsame Arbeit für Dr. Reiner Nolden, Leiter des Stadtarchivs, und seine Mitarbeiter. Es gibt Tage, an denen sie nichts anderes machen als die Ordnungshelfer der Verwaltung zu entfernen: Tackernadeln, Büroklammern, alles Feinde einer dauerhaften Lagerung. Auch Ordner, in denen Akten gebündelt werden, eignen sich aus zweifacher Hinsicht nicht: Die Metallteile können nach einiger Zeit rosten und das stehende Papier wellt sich im Laufe der Jahre. „Deshalb wird bei uns nach Möglichkeit alles liegend gelagert, in säurefreien Kartons.“ Denn ein weiterer Feind des Archivars ist die Säure, die im Papier enthalten ist. Vor allem die in Recycling-Papier. „Das ist nicht für die dauerhafte Aufbewahrung geeignet.“

Lange Sperrfristen

Auch wenn alle „Feinde“ entfernt sind, ist das Schriftgut noch nicht zum Archivieren bereit. Im Gegensatz zur Bibliothek, wo Buchtitel, Autor und  ISBN-Nummer zur Katalogisierung und zum späteren Auffinden ausreichen, müssen die Informationen für das Stadtarchiv ausführlicher sein. Um die Quelle für die Nachwelt nutzbar zu machen, müssen die Archivare wissen, was sie archivieren: Am Einlesen in die Vorgänge führt kein Weg vorbei. Die wesentlichen Inhalte müssen zusammenge-fasst, die entsprechenden Schlagworte für die spätere Suche ins Computersystem eingeben werden. Und noch etwas unterscheidet Bibliothek und Archiv: Die meisten Schriftstücke sind erst nach einer Sperrfrist von 30 Jahren für die Öffentlichkeit zugänglich.

Bis ein Vorgang abgeschlossen ist, kann also einige Zeit verstreichen. Ein Stau bisher nicht erschlossener Akten und Schriftstücke wartet schon auf die vier Mitarbeiter des Stadtarchivs. Ein unerschlossener Berg, der immer weiter wächst, genauso wie die Anzahl der Schriftstücke selbst. Dabei ist das Material, das in der Weberbach ankommt, schon vorsortiert. Denn archiviert wird nur, was wichtig oder rechtsrelevant ist und später mal als Quelle dienen könnte. Die letzte Entscheidung, was dazu gehört, obliegt dem Archivar. Einen festen Kriterienkatalog gibt es nicht. „Dazu braucht man viel Erfahrung, man muss mit den Verwaltungsabläufen vertraut sein und die Geschichte der Stadt kennen, um die Entscheidungen über das Archivgut treffen zu können“, weiß Bernhard Simon.

Vier Kilometer Archivmaterial

Durchschnittlich 150 Regalmeter vorsortiertes Material überlässt die Stadtverwaltung jedes Jahr dem Stadtarchiv. Das ist die Größenordnung, in der man in der Weberbach denkt. Die Menge dieser jährlich anfallenden Akten wird erst im Vergleich deutlich: Gerade einmal 200 Regalmeter sind es von der 895 ausgestellten ältesten Originalurkunde bis 1800. Ein Indiz dafür, wie sehr die Schriftlichkeit über die Jahrhunderte zugenommen hat und es noch immer tut. „Es gab noch nie so viel Schriftgut wie heute“, sagt Simon. Rund vier Kilometer ist das bisher erschlossene „Gedächtnis der Stadt“ schon lang. 4000 Regalmeter Archivmaterial, das heißt mit Akten und Schriftstücken des Stadtarchivs könnte der gesamte Trierer Alleenring umrahmt werden. Alte und neue Bestände, die das Bild mitprägen, was spätere Generationen von unserer heutigen Zeit bekommen.